OGH 14Os108/95(14Os109/95)

OGH14Os108/95(14Os109/95)8.8.1995

Der Oberste Gerichtshof hat am 8.August 1995 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Walenta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Massauer, Dr.Ebner, Dr.E.Adamovic und Dr.Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr.Pesendorfer als Schriftführer, in der Strafsache gegen Erich T***** wegen der Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 und Abs 2 lit a FinStrG, AZ 37 Vr 1.786/92 des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht,

1. über die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluß auf Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerde vom 12.Juni 1995 (ON 55) sowie

2. über seine Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung gegen das Urteil vom 21.Feber 1995 (ON 50)

nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluß aufgehoben.

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit dem oben bezeichneten Urteil wurde der Angeklagte Erich T***** der Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG (Tatzeit 1985 und 1986) und nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG (Tatzeit 1987 bis Dezember 1989) schuldig erkannt und hiefür unter Zugrundelegung eines stafbestimmenden Wertbetrages von 4,528.947 S nach § 33 Abs 5 FinStrG unter Bedachtnahme gemäß § 21 FinStrG auf das Urteil des Amtsgerichtes München vom 7.April 1993, AZ 1144 DS 306 JS 18491/92, mit dem über ihn wegen fortgesetzter Steuerhinterziehung eine auf Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafe von sechs Monaten verhängt worden war, zu einer Zusatzgeldstrafe von 700.000 S, für den Fall der Uneinbringlichkeit zu zwei Monaten Ersatzfreiheitsstrafe, verurteilt.

Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte rechtzeitig Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung angemeldet und auch ausgeführt.

Infolge eines in einem Amtsvermerk (ON 60) erläuterten Versehens nahm der Vorsitzende an, daß keine Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde erfolgt sei, und wies daher die (vermeintlich bloß angemeldete) Nichtigkeitsbeschwerde mit Beschluß vom 12.Juni 1995 (ON 55) zu Unrecht gemäß § 285 a Z 2 StPO zurück.

Dies war über Beschwerde des Angeklagten zu korrigieren (§ 285 b StPO).

Die auf § 281 Abs 1 Z 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde ist ihrerseits allerdings unbegründet.

Eine Bedachtnahme auf frühere Abstrafungen (durch Verhängung oder Absehen von einer Zusatzstrafe) ist bei einem Zusammentreffen von Finanzvergehen und strafbaren Handlungen anderer Art nur getrennt, nämlich bei Finanzvergehen einerseits (gemäß § 21 Abs 3 und Abs 4 FinStrG) und bei sonstigen gerichtlich strafbaren Handlungen andererseits (gemäß § 31 StGB) möglich. Wegen des beim Zusammentreffen von Finanzvergehen mit gerichtlich strafbaren Handlungen anderer Art geltenden Kumulierungsgrundsatzes (§ 22 Abs 1 FinStrG) ist eine wechselseitige Bedachtnahme auf zeitlich nach der nunmehr zu ahndenden Tat erlittene Bestrafungen betreffend die jeweils andere Deliktsgruppe nicht zulässig (vgl Dorazil-Harbich E 3 und 4 zu § 21 FinStrG; jüngst NRsp 1994/267). Diese klare gesetzliche Regelung schließt im Verhältnis von Finanzvergehen und strafbaren Handlungen anderer Art auch eine - übrigens nur mit Berufung geltend zu machende - angemessene Rücksichtnahme bei der Strafbemessung aus, wie sie die Rechtsprechung (Mayerhofer-Rieder StGB4 E 31 und 33 zu § 31) aus Billigkeitserwägungen in jenen Fällen zuläßt, in welchen zwar eine formelle Bedachtnahme nicht möglich ist, weil die nunmehr abzuurteilenden Taten teils vor, teils nach dem früheren Urteil begangen wurden, die Nachtaten aber relativ unbedeutend sind.

Auf die Verurteilungen des Angeklagten durch das Landgericht Nürnberg-Fürth vom 14.Dezember 1987, AZ 157 JS 732/82, wegen vorsätzlicher Pflichtverletzung bei Zahlungsunfähigkeit, fortgesetzten Bankrotts, fortgesetzter Untreue und fortgesetzten Betruges (zwei Jahre Freiheitsstrafe auf Bewährung) und durch das Amtsgericht Garmisch-Partenkirchen vom 27.April 1989, AZ 59A JS 28786/88, wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallsort (Geldstrafe von 50 Tagessätzen) wurde daher - abgesehen vom Fehlen der zeitlichen Voraussetzungen - vom Erstgericht zu Recht nicht Bedacht genommen, weshalb von der insoweit behaupteten unrichtigen Beurteilung für die Strafbemessung maßgebender entscheidenden Tatsachen keine Rede sein kann.

Dazu sei zur Vermeidung von Mißverständnissen noch angemerkt, daß eine Bedachtnahme gemäß § 21 Abs 3 FinStrG auf diese beiden ausländischen Verurteilungen selbst dann unzulässig gewesen wäre, wenn sie den Finanzvergehen (§§ 33 bis 52 FinStrG) vergleichbare Tatbestände des deutschen Abgabenstrafrechts betroffen hätten, denn diesfalls fehlte es an der für eine solche Bedachtnahme gesetzlich vorausgesetzten rechtlichen Möglichkeit einer gemeinsamen Aburteilung (§ 5 Abs 1 FinStrG; vgl Dorazil-Harbich E 4 zu § 21 FinStrG = 12 Os 151/82 und jüngst 11 Os 143/94). Deshalb war übrigens die Bedachtnahme auf das eingangs erwähnte Urteil des Amtsgerichtes München verfehlt, was allerdings mangels Anfechtung auf sich beruhen muß.

Schon daraus erhellt aber, daß in der den Angeklagten unzulässigerweise begünstigenden Verhängung einer überdies im untersten Bereich ausgemessenen "Zusatzgeldstrafe" und der Ablehnung deren bedingter Nachsicht keineswegs ein ihm nachteiliger unvertretbarer Verstoß gegen Bestimmungen über die Strafbemessung erblickt werden kann. Diesbezüglich macht der Beschwerdeführer nur Berufungsgründe geltend.

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285 d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Innsbruck zur Entscheidung über seine Berufung folgt (§ 285 i StPO).

Der Ausspruch über die Kostenersatzpflicht des Angeklagten ist in § 390 a StPO begründet.

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