OGH 1Ob553/95

OGH1Ob553/9523.6.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Vormundschaftssache der mj. Nicole K*****, geboren am ***** infolge Revisionsrekurses der Großmutter Helga H*****, vertreten durch Dr.Reinhard Anderle, Rechtsanwalt in Linz, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Wels als Rekursgerichtes vom 8.Februar 1995, GZ 21 R 31/95-130, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Eferding vom 27.Dezember 1994, GZ P 20/86-126, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Nicole K***** ist das uneheliche Kind des Manfred B***** und der Maria H*****. Es befindet sich in Obsorge der Mutter. Diese hat weiters für zwei 1991 bzw. 1994 geborene Söhne zu sorgen. Sie befindet sich im Karenzurlaub und bezog in der Zeit vom 4.8. bis 6.12.1994 ein Wochengeld von täglich S 134,58. Sie bewohnt gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten, der als Möbelrestaurator und Zeitungsausträger ein Einkommen von monatlich etwa S 4.000,-- netto erzielt, eine 60 m2 große, bescheiden eingerichtete Wohnung.

Der Vater wurde mit Beschluß des Rekursgerichtes vom 26.5.1993 zur Leistung eines monatlichen Unterhaltsbeitrags von S 800,-- ab 1.6.1992 für sein uneheliches Kind verpflichtet. Hiebei wurde von einem Sozialhilfebezug des Vaters von monatlich S 6.510,-- und erzielbaren Einkünften aus Gelegenheitsarbeiten im Betrage von S 2.000,-- monatlich ausgegangen. Bis zum Jahre 1991 konsumierte der Vater Heroin, seither wird er mit der Ersatzdroge „Methadon“ versorgt. Er leidet an Beschwerden aufgrund einer nach Behebung der Drogensucht aufgetretenen Alkoholkrankheit. Um eine geregelte Arbeit annehmen zu können, müßte sich der Vater einer Alkoholentziehungskur unterwerfen und in ein Sozialprogramm eingebunden werden. Er lebt bei seiner Mutter, die ihn auch finanziell (mit etwa S 2.000,-- monatlich) unterstützt.

Die Großväter des Kindes sind bereits verstorben. Die Großmutter mütterlicherseits bezieht seit 1.1.1994 eine monatliche Pension von S 1.573,20 und aus der Verpachtung eines landwirtschaftlich genutzten Grundstücks, dessen Hälfteeigentümerin sie ist, einen Pachtzins von jährlich S 2.500,- -.

Die Großmutter väterlicherseits hat als Telefonistin ein monatliches Einkommen von etwa S 20.900,- -.

Die dem Vater auferlegten Unterhaltsbeiträge werden seit 1.6.1994 gemäß §§ 3 , 4 Z 1 UVG bevorschußt.

Am 21.10.1994 beantragte der Unterhaltssachwalter, die Großmutter väterlicherseits ab 1.6.1994 zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von S 2.500,-- für ihr Enkelkind zu verpflichten. Mit dem dem Vater auferlegten Unterhalt sei die Versorgung des Kindes nicht sichergestellt. Infolge der tristen finanziellen Verhältnisse der Eltern müsse auf die Sorgepflicht der Großmutter zurückgegriffen werden.

Diese erklärte sich bereit, ab 1.12.1994 S 1.000,-- monatlich zu bezahlen, das Mehrbegehren sei abzuweisen. Sie müsse zum Teil auch ihren Sohn finanziell unterstützen, weil dessen Ehegattin nur eine geringfügige Frühpension beziehe. Für ihre Dienstwohnung müsse sie monatlich S 4.000,-- zuzüglich Heizkosten und Strom im Betrag von monatlich S 1.500,-- bezahlen. Um eine entsprechende Wohnqualität zu erhalten, sei sie zur Installation einer Heizung gezwungen, wofür sie Rücklagen schaffen müsse. Aus dienstlichen Gründen bedürfe sie eines PKW. Des weiteren sei die Großmutter mütterlicherseits trotz deren geringen Einkommens zur subsidiären (anteiligen) Unterhaltsleistung heranzuziehen, weil sie verheiratet sei und nicht allein für die Wohnung etc. aufkommen müsse. Das Kind würde insgesamt S 3.300,-- zur Deckung seiner Bedürfnisse nicht benötigen, denn es wachse in ärmlichen Verhältnissen auf.

Das Erstgericht verpflichtete die Großmutter väterlicherseits zur Zahlung monatlicher Unterhaltsbeiträge von S 2.000,-- ab 1.6.1994. Das Mehrbegehren (S 500,-- monatlich ab 1.6.1994) wies es ab. Die primär unterhaltspflichtigen Eltern seien nicht imstande, die Unterhaltsbedürfnisse des Kindes abzudecken. Die Großmutter sei zur Leistung des festgesetzten Unterhaltsbeitrags aufgrund ihres Einkommens wirtschaftlich in der Lage, auch wenn man die ihrem Sohn gewährte finanzielle Unterstützung berücksichtige. Die Ausgaben für Miete, Heizung und Strom könnten nicht berücksichtigt werden. Unter Bedachtnahme auf den Regelbedarf für Kinder in der Altersstufe der Minderjährigen und die Lebensverhältnisse der Eltern bzw. Großeltern erscheine ein monatlicher Gesamtunterhalt von S 2.800,-- für das Kind angemessen.

Das Rekursgericht gab dem von der Großmutter erhobenen Rekurs nicht Folge. Die Mutter sei nicht in der Lage, finanziell einen nennenswerten Beitrag zum Unterhalt des Kindes zu leisten. Auch dem Vater sei eine über die festgesetzte Unterhaltspflicht von S 800,-- monatlich hinausgehende Leistung nicht möglich. Mit dem festgesetzten Betrag und dem vom Vater zu leistenden Unterhalt, also mit insgesamt S 2.800,-- monatlich, könnten ohnehin nur die wichtigsten Bedürfnisse des 12jährigen Kindes abgedeckt werden. Aufgrund des Einkommens der väterlichen Großmutter sei deren Leistungsfähigkeit keinesfalls überspannt. Die Großmutter mütterlicherseits könne zur Veräußerung oder Belastung ihres Liegenschaftsbesitzes nicht verhalten werden. Eine Belastung komme deshalb nicht in Frage, weil sie aufgrund ihrer Einkünfte nicht in der Lage sei, Kreditrückzahlungen zu tätigen. Bei einem Verkauf würde sie der Liegenschaft, auf der sie wohnt, verlustig gehen. Vom Ehegatten der mütterlichen Großmutter, der monatlich S 16.953,-- an Pension beziehe, könne nicht verlangt werden, Mittel zur Verfügung zu stellen, um die Großmutter in die Lage zu versetzen, ihrer subsidiären Sorgepflicht gegenüber dem Enkelkind nachzukommen.

Der Revisionsrekurs der Großmutter ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

In Übereinstimmung mit der Rechtsmeinung der Vorinstanzen ist davon auszugehen, daß die Mutter zur Gänze und der Vater teilweise (über den festgesetzten monatlichen Unterhaltsbeitrag von S 800,-- hinaus) zur Leistung eines Geldunterhalts für das Kind unfähig sind. Diese Ansicht wird von der Revisionsrekurswerberin auch nicht mehr in Zweifel gezogen. Sind die Eltern ganz oder teilweise unfähig, ihre Unterhaltspflicht zu erfüllen, müssen gemäß § 141 ABGB die Großeltern für den Unterhalt des Kindes aufkommen. Deren Unterhaltspflicht ist zweifach beschränkt: Einerseits ist sie der Höhe nach auf die Lebensverhältnisse der Eltern abgestimmt, auch wenn der von den Eltern zu erwartende Unterhalt gering ist; andererseits steht den Großeltern ein Vorbehalt des eigenen angemessenen Unterhalts zu (4 Ob 505/95; SSV 19/140; SZ 51/110; Purtscheller-Salzmann, Unterhaltsbemessung, Rz 60 f). Die Verweisung auf die Lebensverhältnisse der Eltern ist aber nicht wörtlich auszulegen, weil sonst bei deren Leistungsunfähigkeit ein Unterhaltsanspruch gegen die Großeltern gar nicht entstehen könnte, gerade aber die mangelnde Leistungsfähigkeit der Eltern den subsidiären Unterhaltsanspruch des Kindes gegenüber den Großeltern auslöst, d.h. wirksam werden läßt. Die Angemessenheit der Bedürfnisse des Kindes bestimmt sich auch nach den Lebensverhältnissen der in Anspruch genommenen Großeltern; der Beitrag eines Großelternteils ist im Verhältnis der Leistungsfähigkeit sämtlicher subsidiär unterhaltspflichtigen Großeltern zu bestimmen (6 Ob 522/95 mwH; EF 71.641; 6 Ob 506/93; EF 62.698; SZ 51/110). Unter Bedachtnahme auf den statistisch erhobenen Regelbedarf von Kindern im Alter der Minderjährigen im Betrage von S 3.470,-- (ÖA 1994 Heft 5) erweist sich die Gewährung eines Unterhalts im Gesamtbetrag von S 2.800,- -, also etwa ein Fünftel unter dem Regelbedarf, als durchaus angemessen, denn mit diesem Betrag können gerade noch die notwendigsten Bedürfnisse des Kindes befriedigt werden, sodaß es damit ohnehin nur an den kärglichen Lebensverhältnissen der Eltern teilhat.

Die Großmutter bestreitet im Revisionsrekurs nicht mehr, zur Leistung des ihr auferlegten Betrags imstande zu sein. Bei dem festgestellten Einkommen ist sie auch tatsächlich - selbst wenn man die von ihr angeführten Belastungen berücksichtigte - in der Lage, die Unterhaltszahlung zu erbringen, weil dadurch weder ihr eigener angemessener Unterhalt gefährdet noch ihre Leistungskraft bis zur möglichen Höchstgrenze ausgeschöpft wird (vgl. 6 Ob 522/95).

Entgegen der Ansicht der Rechtsmittelwerberin kommt eine Verminderung der ihr zumutbaren Unterhaltsleistung angesichts der Großmutter mütterlicherseits nicht in Frage. Zweifelsohne hat diese ihrem Ehegatten gegenüber Anspruch auf Unterhalt. Vom Ehegatten der subsidiär zum Unterhalt verpflichteten Großmutter kann aber nicht im Rahmen seiner Unterhaltsverpflichtung verlangt werden, der Verpflichteten zusätzlich Mittel zu gewähren, um sie in die Lage zu setzen, Unterhaltszahlungen für ihr Enkelkind zu erbringen. Dies würde nämlich bedeuten, daß der Ehegatte der Großmutter mit seinen Mitteln den Unterhalt deren Enkelkindes mitträgt. Solches muß aber der Ehegatte nicht hinnehmen, weil jegliche „mittelbare“ Unterhaltsverpflichtung abzulehnen ist (vgl. 3 Ob 5/94; 4 Ob 556/94; JBl 1987, 715; ÖA 1984, 102). Es bedarf daher keiner Prüfung, wieweit dieser Großmutter tatsächlich ein (Geld-)Unterhaltsanspruch gegen ihren Gatten zusteht (4 Ob 556/94). Im übrigen ließe sich selbst aus der von der Revisionsrekurswerberin angestellten Berechnung, aus der sich ein fiktives Einkommen der Großmutter mütterlicherseits von S 7.577,-- ergäbe, eine dieser aufzuerlegende Unterhaltsleistung nicht ableiten. Die Divergenz in den Einkommen der beiden Großmütter wäre dermaßen groß, daß die alleinige Heranziehung der Großmutter väterlicherseits zur subsidiären Unterhaltsleistung gerechtfertigt wäre.

Die Rechtsmittelwerberin verweist weiters darauf, daß das „Stammvermögen (der anderen Großmutter) aus Liegenschaft in keinesfalls unbeträchtlicher Höhe“ zu berücksichtigen sei. Abgesehen davon, daß diese Ausführungen nicht konkret genug sind, um daraus rechtliche Schlußfolgerungen ziehen zu können, ist der Großmutter mütterlicherseits die Belastung oder Verwertung der ihr gehörigen Liegenschaft (Grundstücksanteile) nicht zumutbar. Es ist stets nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls zu prüfen, ob und in welchem Umfang die Heranziehung eines vorhandenen Vermögensstammes stattfinden kann (6 Ob 653/93 uva). Richtig und unbestritten hat das Rekursgericht dargelegt, daß eine Belastung des Liegenschaftsbesitzes schon deswegen nicht in Frage käme, weil der Großmutter mütterlicherseits in absehbarer Zeit keine Einnahmen zur Verfügung stünden, um einen Hypothekarkredit wieder abzutragen. Darüber hinaus müßte damit gerechnet werden, daß sie die Liegenschaft, auf der sie wohnt, verlieren könnte. Die Veräußerung (bzw. Belastung) einer Liegenschaft ist aber dann jedenfalls nicht zumutbar, wenn damit der Verlust der Deckung des dringenden eigenen Wohnbedürfnisses des (subsidiären) Unterhaltsschuldners droht (EF 65.012).

Soweit die Großmutter väterlicherseits letztlich darauf verweist, daß für eine Unterhaltsleistung für die Zeit vom 1.6. bis 21.10.1994 keine Rechtsgrundlage bestehe, ist ihr entgegenzuhalten, daß die Festsetzung eines Unterhalts für Zeiträume vor der Antragstellung grundsätzlich möglich ist (6 Ob 506/93; SZ 61/143).

Dem Revisionsrekurs ist ein Erfolg zu versagen.

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