Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden hinsichtlich des klagsstattgebenden Teiles aufgehoben. Die Rechtssache wird an das Erstgericht zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Der Kläger ist seit 1.Juli 1953 bei der beklagten Partei beschäftigt. Er hat einen Dienstvertrag, entsprechend einer Vertragsschablone, in deren Punkt VIII festgehalten ist, daß die Bestimmungen der freien Betriebsvereinbarung (= FBV) für die Dienstnehmer des Österreichischen Rundfunks in der jeweils gültigen Fassung Bestandteil dieses Vertrages sind, nicht unterfertigt. In der Vergangenheit waren in den Änderungen der FBV der beklagten Partei auch Verschlechterungen enthalten, welche vom Kläger nicht beeinsprucht wurden. Die erst nach dem Eintritt des Klägers getroffene FBV sowie alle Novellierungen hiezu wurden zwischen dem Zentralbetriebsrat der beklagten Partei und dem Gewerkschaftsbund, Gewerkschaft Kunst und freie Berufe, Sektion Rundfunk und Fernsehen, einerseits und der beklagten Partei andererseits abgeschlossen. Zuletzt wurde eine Änderung der FBV, betreffend das Pensionszuschußregulativ (PZR) vorgenommen, die wie folgt lautet:
"I. Änderung des Pensionszuschußregulativs:
1. In Artikel III Z 1 sind die Worte "des zuletzt bezogenen Gehaltes" durch die Worte "des Gehaltsdurchschnittes in den beiden letzten, dem Ausscheiden vorangegangenen vollen Kalenderjahren" zu ersetzen.
Diese Änderung wird für alle Dienstnehmer/innen wirksam, die nach dem 31.12.1993 ausscheiden.
2. Artikel III Z 2 ist folgender Satz 8 anzufügen:
"Dienstnehmer/innen, die nach mindestens 25 Dienstjahren nach dem 31.12.1993 aus dem Dienstverhältnis ausscheiden, erhalten einen Mindestzuschuß von S 4.111 brutto monatlich."
Dieser Schillingbetrag wird generellen Änderungen des Gehaltsregulatives angepaßt; erstmals zum 1.1.1993.
3. In Artikel VI ist nach Ziffer 2 folgende Ziffer 2a einzufügen:
"2a) Der Ruhenszeitraum für Zuschüsse und die Gesamtpension gemäß Ziffer 2 wird in Jahresschritten von der Anzahl der Monate, für die eine Abfertigung nach dem Angestelltengesetz bezahlt wird, auf jene Anzahl verlängert, die dem Abfertigungsvielfachen gemäß § 26 FBV entspricht. Der Verlängerungszeitraum richtet sich nach dem Kalenderjahr, in dem der/die Dienstnehmer/in in ein Dienstverhältnis nach der FBV übernommen wurde und beträgt für das Kalenderjahr 1980 einen und für jedes Folgejahr einen zusätzlichen Monat."
4. Artikel 8 hat wie folgt zu lauten:
"Änderung der Gehaltsregulative:
Treten allgemeine Änderungen der Bezüge der Dienstnehmer/innen ein, so wird jeweils im selben Ausmaß die Bemessungsgrundlage gemäß Art III Z 1 verändert. Diese Bestimmung gilt auch für den Mindestzuschuß."
II. Jubiläumsgelder:
"Dienstnehmer/innen, die vor dem 1.1.1993 in ein Dienstverhältnis nach der FBV übernommen wurden, erhalten anläßlich von Dienstjubiläen nach dem 31.12.1993 folgende Jubiläumsgelder:
25. Dienstjubiläum ein Monatsgehalt
30. Dienstjubiläum S 5.000
35. Dienstjubiläum 1,5 Monatsgehälter.
Die übrigen Bestimmungen ihres Dienstvertrages bleiben gleich."
Diese Änderungen würden bei einer hypothetischen Berechnung der vom Kläger zu erwartenden Gesamtpension für das Jahr 1994 eine Verringerung derselben von 45.576 S vor Vertragsänderung auf 43.330 S nach Vertragsänderung mit sich bringen.
Mit der am 16.Februar 1994 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte der Kläger, der beklagten Partei gegenüber festzustellen, daß die mit Dienstzettel gemäß § 7 Z 1 FBV vom 9.Dezember 1992 einseitig vorgenommenen, das Pensionszuschußregulativ und Jubiläumsgelder betreffenden Dienstvertragsänderungen dem Kläger gegenüber rechtsunwirksam seien.
Hiezu brachte der Kläger im wesentlichen vor:
Die von der beklagten Partei einseitig vorgenommenen Änderungen der FBV würden Verschlechterungen der Dienstverträge mit sich bringen, welche ohne Zustimmung der betroffenen Dienstnehmer vorgenommen worden seien. Sie seien daher zu Unrecht erfolgt und rechtsunwirksam.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Feststellungsbegehrens und wendete im wesentlichen ein:
Der Kläger habe mit seinem Verhalten durch rund drei Jahrzehnte unzweifelhaft zum Ausdruck gebracht, daß alle Novellierungen der FBV,
und zwar auch die nachteiligen, auf ihn Anwendung fänden. Die ab dem Jahre 1964 in die Dienstverträge aufgenommene dynamische Bezugnahme auf die FBV in ihrer jeweils gültigen Fassung sei somit für alle Dienstnehmer und daher auch für den Kläger zum Vertragsinhalt geworden.
Der Novelle vom 1.Dezember 1992 seien langwierige Verhandlungen zwischen den Vertragspartnern der FBV vorausgegangen. Die darin vereinbarten moderaten Verschlechterungen seien aus wirtschaftlichen Gründen notwendig. Durch die Neuregelung, wonach die Gesamtpension nach dem 1.Jänner 1994 nicht mehr vom zuletzt bezogenen Gehalt, sondern vom Gehaltsdurchschnitt der beiden letzten, dem Ausscheiden vorangegangenen vollen Kalenderjahre berechnet werde, ergebe sich eine Verringerung der Gesamtpension de facto um 5 %. Als Ausgleich sei der Mindestzuschuß um rund 14 % angehoben worden, was für einen Teil der Mitarbeiter eine spürbare Verbesserung bedeute. Mit der Neuregelung seien die Grenzen des dem Dienstnehmer aus Gründen der Billigkeit Zumutbaren nicht überschritten worden.
Das Erstgericht stellte gegenüber der beklagten Partei fest, daß die mit Dienstzettel gemäß § 7 Z 4 FBV vom 9.Dezember 1992 einseitig vorgenommenen, das PZR betreffenden Dienstvertragsänderungen dem Kläger gegenüber in den Änderungen betreffend die Art III Z 1 durch Ersetzen der Worte "des zuletzt bezogenen Gehaltes" durch die Worte "des Gehaltsdurchschnittes in den beiden letzten, dem Ausscheiden vorangegangenen vollen Kalenderjahren "sowie Art VIII, soweit die Bemessungsgrundlage gemäß Art III Z 1 Änderungen der Bezüge zur Folge hatte, unwirksam seien.
Das darüber hinausgehende Mehrbegehren, daß die die Jubiläumsgelder betreffenden Änderungen dem Kläger gegenüber rechtsunwirksam seien, wies das Erstgericht ab.
Rechtlich beurteilte das Erstgericht den eingangs angeführten unstrittigen Sachverhalt wie folgt:
Die von der beklagten Partei behauptete dynamische Bezugnahme auf die FBV in der jeweils gültigen Fassung sei zwischen den Streitteilen nie vereinbart worden. Auch der Umstand, daß sich der Kläger in der Vergangenheit die Umsetzung der FBV und ihrer Novellen in seinen mit der beklagten Partei geschlossenen Einzelvertrag samt allfälligen Verschlechterungen gefallen habe lassen, lasse nicht den Schluß zu, daß er auch für die Zukunft seine Zustimmung dazu erteilt habe, daß Änderungen der Vertragsschablone unmittelbar auf seinen Einzelvertrag einwirken. Derartige Eingriffe seien daher grundsätzlich mit ihm neu zu verhandeln.
Die Abweisung des Mehrbegehrens blieb unbekämpft; die beklagte Partei erhob gegen den klagsstattgebenden Teil des Ersturteils Berufung aus den Berufungsgründen der Mangelhaftigkeit, der unvollständigen Tatsachenfeststellung und unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das Urteil im Sinne einer (gänzlichen) Klageabweisung abzuändern; hilfsweise wurde ein Aufhebungsantrag gestellt.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge. Es erklärte, eine Bewertung des Entscheidungsgegenstandes habe gemäß § 45 Abs 4 ASGG zu unterbleiben, da der Rechtsstreit vertragliche Ruhegenüsse betreffe.
Im Berufungsverfahren brachte die beklagte Partei teilweise unter Wiederholung ihres Vorbringens in erster Instanz weiters vor:
Der Kläger sei nach wie vor aktiver Dienstnehmer der beklagten Partei und sei es insbesondere am 1.Dezember 1992, dem Tag des Abschlusses der verfahrensgegenständlichen Novelle der FBV, gewesen.
Der Kläger sei am 1.Juli 1953 eingestellt worden, ohne daß ein schriftlicher Dienstvertrag errichtet worden sei. Vor Inkrafttreten der FBV im Jahre 1961 habe eine analoge Vertragsschablone bzw ein analoges Vertragswerk in Geltung gestanden, das am 1.Jänner 1947 in Kraft getreten sei, das Dienstrecht umfassend geregelt habe, als "Dienstvertrag" bezeichnet worden sei und als Kollektivvertrag gelten sollte, ohne freilich ein solcher im Rechtssinn zu sein. Dieses Vertragswerk sei mehrfach geändert worden, was dem Kläger bekanntgegeben und von ihm widerspruchs- und vorbehaltslos zur Kenntnis genommen worden sei.
Die letzte Modifikation der "Vor-FBV" sei von drei Gewerkschaftsgruppierungen, dem Zentralbetriebsrat und der öffentlichen Verwaltung für das österreichische Rundfunkwesen, dessen Nachfolger die Österreichische Rundfunk GmbH mit Wirkung vom 1.Jänner 1958 bzw der Österreichische Rundfunk ab 15.Oktober 1974 geworden sei, abgeschlossen worden.
Für den Kläger sei mit Datum 19.Juli 1956 ein schriftlicher Vertrag ausgestellt worden, der von ihm eigenhändig unterschrieben worden sei. In diesem finde sich unter anderem folgender Passus:
"Mit Wirkung vom 1.1.1956 gelten für Sie bis auf weiteres die Bestimmungen des derzeit für Radio Wien gültigen Vertrages."
Zu diesem Zeitpunkt habe nicht mehr die Urfassung der Vertragsschablone vom 1.Jänner 1947, sondern das Vertragswerk in der Fassung mehrerer Änderungen gegolten.
Die Urfassung der FBV datiere vom 17.Februar 1961. Mit Mitteilung vom 30. Oktober 1961, deren Erhalt der Kläger am 28.November 1961 bestätigt habe, sei mitgeteilt worden, daß auf sein Dienstverhältnis nunmehr die FBV Anwendung finden solle.
Die Urfassung der FBV (1961) habe das sogenannte Pensionszuschußregulativ (PZR) noch nicht gekannt. Dieses sei vielmehr von den Vertragspartnern der FBV erst 1966 als Ergänzung und integrierender Bestandteil der FBV vereinbart worden.
Dem Kläger seien alle Novellierungen unter Anführung der geänderten Bestimmungen bekanntgegeben worden, er habe diese widerspruchslos zur Kenntnis genommen und sich auch nicht dagegen ausgesprochen, daß diese Veränderungen ab Bekanntgabe auf sein Vertragsverhältnis Anwendung finden sollten. Dies habe nicht nur für Verbesserungen, sondern auch für Verschlechterungen gegolten.
Da der Kläger bis zur gegenständlichen Klagsführung niemals irgendwelche Vorbehalte gegen Änderungen der FBV gemacht habe, sei davon auszugehen, daß zumindest schlüssig die Anwendbarkeit der FBV in ihrer jeweils gültigen Fassung vereinbart worden sei.
Gemäß Art III Z 2 des PZR müsse der Kläger seinen Antrag auf Alterspension bei der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten einbringen.
Der am 20.November 1935 geborene Kläger werde fast auf den Tag genau ein Jahr nach der Berufungsverhandlung 60 Jahre alt und habe nach Erwerb von mehr als 420 Versicherungsmonaten danach den Anspruch auf eine vorzeitige Alterspension. Es fehle ihm daher das gemäß § 228 ZPO erforderliche rechtliche Interesse.
Gemäß Art VI Z 2 PZR entfalle die Gesamtpension für den Kläger für 12 Monate. Da der Kläger überdies die gesetzliche Kündigungsfrist von einem Monat einzuhalten habe, eine Kündigung jedoch bis jetzt nicht erfolgt sei, könne der Kläger nicht mehr in den Genuß der Gesamtpension gemäß Art II Z 4 PZR gelangen, sondern nur mehr zu einem Pensionszuschuß zur vorzeitigen Alterspension nach dem ASVG.
Da die beklagte Partei im Verfahren erster Instanz nicht "qualifiziert" vertreten gewesen sei, sei das weitere Vorbringen gemäß § 63 Abs 1 ASGG zulässig.
Das Berufungsgericht traf aufgrund dieses ergänzenden Vorbringens und der im Berufungsverfahren vorgelegten Urkunden folgende weitere Feststellungen:
Das Personalbüro des Österreichischen Rundfunks richtete am 19.Juli 1956 an den Kläger ein Schreiben, in welchem unter anderem festgehalten ist:
"Wir bestätigen und Sie anerkennen, daß Ihr Dienstverhältnis zum Österreichischen Rundfunk durch nachstehende Punkte bestimmt ist.
1. Ihre Übernahme in die Dienste des Österreichischen Rundfunks erfolgt mit 1.Dezember 1954.
Als Tag Ihres Dienstantrittes gilt der 1.Juli 1953.
2. Mit Wirkung vom 1.Jänner 1956 gelten für Sie bis auf weiteres die Bestimmungen des derzeit für Radio Wien gültigen Vertrages....."
Dieses Schreiben wurde vom Kläger eigenhändig unterfertigt.
Am 28.November 1961 unterfertigte der Kläger ein vorbereitetes Schriftstück, betreffend die Übernahme der internen Mitteilung, in welcher ihm in Anwendung der freien Betriebsvereinbarung der Inhalt eines Vorstandsbeschlusses mitgeteilt wurde.
Unstrittig ist, daß der am 1.Juli 1953 ohne schriftlichen Dienstvertrag eingestellte Kläger bei der beklagten Partei noch aktiver Dienstnehmer ist.
Das Berufungsgericht bejahte das Feststellungsinteresse des Klägers und führte im übrigen in rechtlicher Hinsicht aus, bei der FBV der beklagten Partei handle es sich um eine unzulässige Betriebsvereinbarung, auch das einen integrierenden Bestandteil der FBV bildende PZR habe keine normative Wirkung. Derartigen unzulässigen Betriebsvereinbarungen sei jedoch insoferne rechtliche Bedeutung zuzubilligen, als der dem einzelnen Arbeitnehmer bekanntgegebene und von ihm stillschweigend zur Kenntnis genommene oder der tatsächlich beachtete Inhalt einer unzulässigen Betriebsvereinbarung die Grundlage für einzelvertragliche Ergänzungen gemäß § 863 ABGB abgebe (vgl 9 Ob A 94/93). Demnach führten Änderungen der FBV des ORF und damit auch des PZR nur insoweit zu einer Änderung oder Ergänzung der einzelnen Dienstverträge, als die jeweilige Änderung oder Ergänzung vom Dienstnehmer des ORF entweder ausdrücklich oder stillschweigend zur Kenntnis genommen oder tatsächlich beachtet werde. Die Ansicht der beklagten Partei, der Kläger müsse auch die Änderung des PZR, welche immerhin eine nicht unbeträchtliche Verringerung seiner Gesamtpension bedeute, hinnehmen, weil er früheren Änderungen der FBV, die auch Verschlechterungen für die Dienstnehmer des ORF mit sich brachten, konkludent zugestimmt habe, finde weder im Gesetz noch in der an den Kläger am 19.Juli 1956 gerichteten Mitteilung des Dienstgebers, wonach auf ihn bis auf weiteres die Bestimmungen des derzeit für Radio Wien gültigen Vertrages zu gelten hätten, Deckung. Die Unterwerfung des Klägers unter "die Bestimmungen" des derzeit für Radio Wien gültigen Vertrages sei entgegen der Ansicht der beklagten Partei nicht als "Vereinbarung einer dynamischen Bezugnahme" zu verstehen. Damit sei vielmehr nur zum Ausdruck gebracht worden, daß er sich seinerzeit bei Eintritt in den ORF bzw dessen Rechtsvorgänger dem damals dort geltenden Dienstrecht unterworfen habe, nicht aber auch, daß er sich damit für die Zukunft mit jeglicher Änderung seines Dienstvertrages einverstanden erkläre. Würde man der Ansicht der beklagten Partei folgen, daß jede Änderung der FBV auch zur Änderung des Einzelarbeitsvertrages führte, weil die Geltung der FBV für den jeweiligen Einzelvertrag "dynamisch" zu verstehen sei, hätte es der Arbeitgeber in der Hand, die Einzeldienstverträge seiner Dienstnehmer einseitig und auch willkürlich zu ändern. Eine solche Auffassung verstieße aber gegen den nicht nur im Arbeitsrecht geltenden Grundsatz, daß Verträge nicht einseitig abgeändert werden dürften. Eine Durchbrechung dieses Grundsatzes lasse sich nicht daraus rechtfertigen, daß die Dienstvertragsänderungen durch die - nach Behauptung der beklagten Partei - eingetretene Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation des ORF bedingt sei und am Zustandekommen der Neuregelung der Zentralbetriebsrat und die Gewerkschaft beteiligt gewesen seien. Der Hinweis auf die sogenannte "Rosinentheorie" sei deshalb nicht zielführend, weil es nicht um den Versuch eines Dienstnehmers gehe, für ihn günstige Regelungen eines Vertrages aufrechtzuerhalten, ungünstige hingegen nicht, sondern darum, daß sich der Kläger gegen einseitige, ihm nachteilige Veränderungen der Pension zur Wehr setze.
Gegen das berufungsgerichtliche Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es abzuändern und das Klagebegehren (zur Gänze) abzuweisen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist im Sinne des Eventualantrages berechtigt.
Die FBV des ORF ist keine zulässige Betriebsvereinbarung, sondern nur Grundlage einer einzelvertraglichen Ergänzung des (jeweiligen) Dienstvertrages gemäß § 863 ABGB (Arb 9972; 10.241, 10.872; zuletzt 9 ObA 803/94). Die Revisionswerberin vertritt nun die Auffassung, das Erklärungsverhalten der Partner des Arbeitsvertrages sei dahin zu deuten, daß nicht nur der derzeitige Inhalt der vielfach geänderten FBV als Inhalt des Arbeitsvertrages übernommen wurde, sondern daß die Vertragsparteien die Anwendung der FBV in ihrer jeweils gültigen Fassung vereinbarten und damit der beklagten Partei ein nach billigem Ermessen - unter Kontrolle des Zentralbetriebsrates und der zuständigen Fachgewerkschaft - auszuübendes Gestaltungsrecht eingeräumt hätten.
Ein solches Gestaltungsrecht im Sinne eines nur unter den zuvor genannten besonderen Umständen auszuübenden Änderungsvorbehaltes würde bei Annahme eines solchermaßen redlich zu deutenden Offertes der beklagten Partei und stillschweigenden Annahmeerklärungen der Arbeitnehmer eine maßvolle Verschlechterung ermöglichen (vgl Runggaldier, Anmerkungen zur sogenannten "freien" (unzulässigen) Betriebsvereinbarung, RdW 1990, 257 ff [260]).
Es ist daher zu prüfen, ob die Parteien im Falle des Klägers, wie von der beklagten Partei behauptet, mit einer dynamischen Bezugnahme auf den jeweiligen Inhalt der FBV oder der durch die FBV ersetzten früheren gleichartigen Regelung dem Arbeitgeber ein derartiges Gestaltungsrecht wirksam eingeräumt haben.
Die schriftliche, vom Kläger unterfertigte Vereinbarung vom 19.Juli 1956 enthält den Passus "Mit Wirkung vom 1.Jänner 1956 gelten für Sie bis auf weiteres die Bestimmungen des derzeit für Radio Wien gültigen Vertrages....". Der Revisionswerberin ist darin beizupflichten, daß diese Formulierung dahin verstanden werden kann, daß die derzeitige Fassung des "für Radio Wien gültigen Vertrages" nur so lange für das Arbeitsverhältnis gilt, bis diese durch eine andere Fassung abgelöst wird. Damit hätte der Arbeitgeber nicht vorbehaltslos einer einzelvertraglichen Verfestigung der im generellen Vertrag zugebilligten Leistungen zugestimmt, sondern hätte sich auch einzelvertraglich einen Widerruf für den Fall der Änderung der generellen Regelung vorbehalten.
Mit einer solchen ausdrücklichen dynamischen Verweisung auf den Inhalt einer unzulässigen Betriebsvereinbarung hat sich insbesondere Marhold (Einzelvertragliche Bezugnahme "freier" Betriebsvereinbarungen, RdW 1987, 129 f) befaßt und eine derartige Möglichkeit bejaht, wenn es gelingt, die Willenserklärung so zu interpretieren, daß die Ausübung der damit dem Arbeitgeber eingeräumten Gestaltungsmacht nach den Grundsätzen der Billigkeit beschränkt ist. Gehe man davon aus, daß sich der Arbeitgeber bei Ausübung der einseitigen Gestaltungsmacht an die Zustimmung des Betriebsrates gebunden habe und dieser die wirtschaftlichen, sozialen, gesundheitlichen und kulturellen Interessen der Arbeitnehmer im Betrieb zu fördern habe, könne von vornherein nicht unterstellt werden, der einzelne Arbeitnehmer liefere sich sittenwidrigerweise dem Diktat des Vertragspartners aus. Es sei jedoch im Einzelfall zu prüfen, ob die jeweils getroffene "freie" Betriebsvereinbarung inhaltlich die Grenzen billiger Rechtsgestaltung durch die Betriebspartner überschreite. Selbst bei Annahme einer dynamischen Verweisung des Arbeitsvertrages auf den Inhalt einer "freien Betriebsvereinbarung" erfasse sie nicht überraschende Klauseln in der Betriebsvereinbarung.
Gegen die dynamische Verweisung auf den jeweiligen Inhalt einer unzulässigen Betriebsvereinbarung könnte weiters eingewendet werden, daß damit den Betriebsparteien faktisch eine ihnen nach dem ArbVG (bzw dem damals gültigen Betriebsrätegesetz und Kollektivvertragsgesetz) nicht zustehende Regelungsmacht zugebilligt und damit die die Befugnisse des Betriebsrates bezüglich der Vereinbarung materieller Arbeitsbedingungen bewußt einschränkenden Bestimmungen der Arbeitsverfassung umgangen würden (vgl Spielbüchler in der Besprechung der Entscheidung ZAS 1972/2 [18]). Dieser mögliche Einwand versagt sowohl gegenüber dem von der beklagten Partei als Beilage 1 vorgelegten "Dienstvertrag" als auch gegenüber der als Beilage 2 vorgelegten "freien Betriebsvereinbarung", da beide Regelungen nicht nur mit Zustimmung des Betriebsrates (bzw Zentralbetriebsrates), sondern auch der für die Gestaltung der materiellen Arbeitsbedingungen zuständigen Fachgewerkschaft zustande kamen. Darüber hinaus wurde der beklagten Partei mit § 1 Abs 4 BGBl 1974/397 ausdrücklich die Kollektivvertragsfähigkeit zugebilligt (siehe auch Strasser in Handkomm ArbVG 65). Davor kam im Zeitraum, in dem das Rundfunkwesen unter öffentlicher Verwaltung stand, der die Verwaltung führenden öffentlich-rechtlichen Körperschaft wohl Kollektivvertragsfähigkeit für das von ihr verwaltete Unternehmen gemäß § 5 Kollektivvertragsgesetz BGBl 1947/76 zu.
Durch das Erfordernis der Zustimmung sowohl der Fachgewerkschaft als auch der Belegschaftsvertretung werden darüber hinaus Abgrenzungsprobleme zwischen Kollektivvertrag und (zulässiger) Betriebsvereinbarung vermieden; so fallen die Gegenstand des PZR bildenden betrieblichen Pensionsleistungen zwar seit 1.Juli 1974 gemäß § 97 Abs 1 Z 18 ArbVG, nicht aber schon nach den im Zeitpunkt der Vereinbarung des PZR am 27.Februar 1961 geltenden §§ 14 Abs 2 Betriebsrätegesetz und 22 Kollektivvertragsgesetz in die Regelungskompetenz der Betriebsparteien (siehe auch DRdA 1994/24 [Schrammel]).
Ein derartiger Änderungsvorbehalt ist - abgesehen von dem hier gegebenen zusätzlichen Erfordernis der Zustimmung der betrieblichen und überbetrieblichen Interessenvertretung - gemäß § 914 ABGB im Zusammenhalt mit dem Grundsatz von Treu und Glauben dahin auszulegen, daß damit nur eine dem Arbeitnehmer nach billigem Ermessen zumutbare Regelungsbefugnis eingeräumt wird (siehe Krejci, Grenzen einseitiger Entgeltbestimmung durch den Arbeitgeber ZAS 1983, 203 ff; DRdA 1988/11 [Mayer-Maly]; SZ 61/275 = ZAS 1989/15 [Tomandl]). Damit werden die Bedenken gegen eine Unbestimmtheit und relative Nichtigkeit von Anpassungsklauseln ausgeräumt (Krejci aaO, 306). In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß im Hinblick auf die hohe Belastung des Unternehmens, die sich aus der großen Anzahl und der längeren Dauer der Pensionsverpflichtungen ergibt, die Arbeitnehmer wohl nicht davon ausgehen durften, daß die Pensionsverpflichtung unabhängig von einer Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens in voller Höhe aufrechterhalten würde, sondern damit rechnen mußten, daß geänderten wirtschaftlichen Verhältnissen durch eine angemessene Reduktion der Pensionsleistungen Rechnung getragen werde (vgl Grillberger, Bedeutung des Arbeitgeber-Erklärungsverhaltens bei Pensionszusagen, DRdA 1990, 41 ff [42 f]; Welser, Widerrufsvorbehalt und Teilkündigungsvereinbarung der entgeltwerten Leistungen des Arbeitgebers, DRdA 1991, 1 ff [2]; sowie Marhold aaO).
In der eine Einschränkung von Pensionsanwartschaften durch
Kollektivvertrag betreffenden Entscheidung ZAS 1995/1 (Schrammel) =
DRdA 1993/45 (Resch) = RdW 1993, 81 (Runggaldier 78 ff) hat der
Oberste Gerichtshof im Rahmen der Prüfung der Frage, ob die Parteien dabei nicht in unzulässiger Weise in wohlerworbene Rechte eingegriffen haben, ausgesprochen, daß sie dabei zufolge der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte insbesondere den Eigentumsschutz nach Art 5 StGG und Art I des ersten ZPMRK zu beachten haben, da bereits erdiente, privatrechtliche Anwartschaften als vermögenswerte Positionen unter den Eigentumsschutz fallen. Hiebei ist das Sachlichkeitsgebot erst bei Vorliegen berücksichtigungswürdiger, erheblicher betrieblicher Interessen (vgl auch Welser aaO 6 zur Entscheidung ZAS 1989/15 [Tomandl] = SZ 61/275, wobei sich seine Aussage "Gründe von einigem Gewicht" auf den gänzlichen Widerruf bezieht) erfüllt. Was die weiters zu prüfende Verhältnismäßigkeit des - durch erhebliche betriebliche Gründe sachlich gerechtfertigten - die Pensionsanwartschaften lediglich einschränkenden Eingriffes betrifft, ist, ebenso wie in dem der Entscheidung ZAS 1995/1 zugrundeliegenden Fall, grundsätzlich davon auszugehen, daß die Interessen der Arbeitnehmer durch ihre kollektivvertragsfähige Berufsvereinigung (und hier auch durch ihre Belegschaftsvertretung) ausreichend vertreten wurden und von diesen nicht weitergehende Eingriffe in die Anwartschaften hingenommen wurden, als es das Wohl des Betriebes und der Arbeitnehmer unbedingt erforderte.
Dies bedeutet allerdings nicht, daß die Verhältnismäßigkeit vom Gericht nicht zu prüfen wäre, wie dies offenbar Resch aaO unterstellt. Vielmehr ist dies mit Runggaldier aaO dahin zu verstehen, daß bei Fehlen substantiierter Gegenbehauptungen grundsätzlich von der Verhältnismäßigkeit des Eingriffes auszugehen ist.
Weiters wäre zu prüfen, ob bei Einschränkung der Anwartschaften der Gleichheitsgrundsatz gewahrt wurde, wobei im Sinne der Entscheidung VfSlg 11.309 die unterschiedlichen Vertrauenspositionen der von der Kürzung der Ruhegeldanwartschaften Betroffenen zu berücksichtigen wären. Zieht man in Betracht, daß durch die relativ geringe Pensionskürzung in die Vertrauenspositionen der Berechtigten nicht so erheblich eingegriffen wurde, daß ihrem unterschiedlichen Gewicht mit einer zwangsläufig komplizierteren, abgestuften Regelung Rechnung getragen werden müßte, sind im Interesse einer einfachen und leicht handhabbaren Regelung die durch die undifferenzierte einheitliche Kürzung bedingten Unbilligkeiten in Kauf zu nehmen (siehe Walter-Mayer Grundriß des österreichischen Bundesverfassungsrechts7 Rz 1350; Machacek, Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof2 89).
Ob die dauernde Einschränkung der auf bereits erworbenen Anwartschaften beruhenden Leistungsansprüche nach den §§ 8 und 9 BPG zulässig wäre, kann im vorliegenden ebenso wie in dem Gegenstand der Entscheidung ZAS 1995/1 (Schrammel) = DRdA 1993/45 (Resch) bildenden Fall dahingestellt bleiben, weil auch hier der weitaus größte Teil der erworbenen Anwartschaften in den Zeitraum vor dem Inkrafttreten des BPG fällt und nicht behauptet wurde, daß die verbleibende Leistung nicht einmal dem Wert der geleisteten Arbeitnehmerbeiträge zuzüglich der seit 1.Juli 1990 aufgrund der Arbeitgeberbeiträge erworbenen Anwartschaften nach dem PZR in der Fassung vor der gegenständlichen Abänderung entspricht. Zu der von Schrammel im Rahmen seiner Entscheidungsbesprechung mit beachtlichen Argumenten vertretenen Auffassung, § 9 BPG beziehe sich nur auf die einseitige Gestaltung durch den Arbeitgeber, erübrigt sich im vorliegenden Fall auch schon deswegen eine Stellungnahme, weil es sich hier nicht um eine Gestaltung durch Kollektivvertrag handelt.
Da das Berufungsgericht, ausgehend von einer vom Obersten Gerichtshof nicht geteilten Rechtsauffassung, ohne nähere Prüfung das Vorliegen und die Wirksamkeit einer dynamischen Verweisung auf die FBV und die ihr vorangegangenen, ähnlich zustande gekommenen generellen Regelungen verneinte, ist das Verfahren ergänzungsbedürftig. Zunächst ist im Sinne des vom Kläger (zulässigerweise) in der Berufung erstatteten ergänzenden Vorbringens zu prüfen, auf welche Regelung im schriftlichen Vertrag vom 19.Juli 1956 mit den Worten "mit Wirkung vom 1.Jänner 1956 gelten für Sie bis auf weiteres die Bestimmungen des derzeit für Radio Wien gültigen Vertrages" verwiesen wurde. Sollte es sich dabei um den von der beklagten Partei unter Beilage 1 vorgelegten Dienstvertrag handeln, wäre zu prüfen, ob er durch die gleichfalls zwischen Arbeitgeber, Fachgewerkschaft und Belegschaftsvertretung abgeschlossene FBV ersetzt wurde. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß der Kläger von der nunmehrigen Anwendung der FBV auf sein Dienstverhältnis mit der von ihm nach den Feststellungen des Berufungsgerichtes am 28.November 1961 übernommenen internen Mitteilung vom 30.Oktober 1961 nach deren dem Obersten Gerichtshof vorliegenden - vom Berufungsgericht allerdings nicht ausreichend präzise festgestellten - Inhalt ("....in Anwendung der freien Betriebsvereinbarung teilen wir Ihnen nachstehenden Vorstandsbeschluß mit: 1. Art der Verwendung:
Meßtechniker, TBT; 2. Verwendungsgruppe: VII; 3. Gehaltsstufe: 3 ab 1.1.60, 4 ab 1.1.61; 4. Höhe des Gehaltes: S 4.480 ab 1.1.60, 4.640 ab 1.1.61; 5. Art des Dienstes: Turnusdienst; 6. Dienstort:
Innsbruck. Der Dienstzettel gemäß freier Betriebsvereinbarung folgt. .....") hinreichend deutlich verständigt wurde. Ferner wäre - nach entsprechender Ergänzung des Vorbringens der beklagten Partei - festzustellen, ob erhebliche betriebliche Gründe (im Sinne einer nicht unerheblichen Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage der beklagten Partei - etwa auch verursacht durch eine für sie nachteilige Entwicklung der Wettbewerbssituation - gegenüber dem Zeitpunkt der Leistungszusage) für den Eingriff in die Pensionsanwartschaften vorlagen.
Angesichts des Umfanges der erforderlichen Ergänzungen erscheint die Zurückverweisung der Sache an das Erstgericht gerechtfertigt, schon auch um den Parteien nicht die Möglichkeit der Überprüfung der Beweisergebnisse durch eine weitere Instanz abzuschneiden.
Der Vollständigkeit halber ist auf die nicht dem § 228 ZPO entsprechende Fassung des Klagebegehrens und der erstinstanzlichen Entscheidung hinzuweisen; die Wirksamkeit oder Unwirksamkeit einer Rechtshandlung ist nicht feststellungsfähig (vgl Arb 9715; 10.029; 10.806; RdW 1991, 45; Rechberger ZPO Rz 4 f zu § 228), sondern nur das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses oder Rechtes. Es wird daher nach Erörterung mit den Parteien das Klagebegehren dahin neu zu fassen sein, daß die von der beklagten Partei verfügte Änderung der FBV samt PZR vom Dezember 1992 die Rechte des Klägers (seine Pensionsberechnungsgrundlage...) nicht geändert habe.
Der Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf § 52 ZPO.
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