OGH 15Os48/95

OGH15Os48/951.6.1995

Der Oberste Gerichtshof hat am 1.Juni 1995 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuch, Mag.Strieder, Dr.Rouschal und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Stöckelle als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Markus Roland R***** wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 31.Jänner 1995, GZ 6d Vr 6473/94-37, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Zehetner, des Verteidigers Dr.Valzachi und der Bewährungshelferin Stöger-Haselböck, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen (Schuldspruch wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB - Faktum A 1 sowie Freispruch - ersichtlich Faktum B) unberührt bleibt, im Schuldspruch A 2 und demgemäß im Strafausspruch einschließlich des Vorhaftanrechnungsausspruches sowie im Ausspruch gemäß § 494 a StPO aufgehoben; im Umfang der Aufhebung wird gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

Markus Roland R***** ist ferner schuldig, er hat im April 1994 im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit einem unbekannt gebliebenen Jugendlichen als Mittäter mit - jedoch nicht erheblicher - Gewalt gegen eine Person, nämlich dadurch, daß der unbekannt gebliebene Jugendliche eine Frau festhielt, sodaß ihr Markus R***** die Handtasche wegnehmen konnte, dieser fremde bewegliche Sachen, und zwar 900 S Bargeld sowie Fahrscheine, ein Täschchen sowie Zuckerl in nicht mehr feststellbarem Wert weggenommen.

Markus Roland R***** hat hiedurch das Verbrechen des Raubes nach § 142 Abs 1 und Abs 2 StGB begangen und wird hiefür sowie für das ihm nach dem unberührt gebliebenen Teil des Schuldspruchs weiterhin zur Last fallende Verbrechen des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB nach dieser Gesetzesstelle sowie unter Anwendung des § 28 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sechzehn Monaten verurteilt.

Gemäß § 38 Abs 1 Z 1 StGB wird die Vorhaft vom 9.Juni 1994, 17,20 Uhr, bis zum 1.Juni 1995, 9 Uhr 30, auf die Freiheitsstrafe angerechnet.

Gemäß § 494 a Abs 1 Z 2 StPO wird vom Widerruf der dem Angeklagten mit dem Urteil des Landesgerichtes Krems a.d.D. vom 9.März 1993, GZ 12 E Vr 794/92-31, gewährten bedingten Strafnachsicht abgesehen und gemäß § 53 Abs 2 StGB die Probezeit auf fünf Jahre verlängert.

Die Kostenentscheidung wird aus dem Ersturteil übernommen.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen rechtskräftigen Freispruch (B) enthält, wurde Markus Roland R***** des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB schuldig erkannt (A 1 und 2 des Urteilssatzes).

Darnach hat er in Wien mit Gewalt gegen Personen diesen fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, und zwar

1) am 9.Juni 1994 im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit der abgesondert verfolgten Petra S***** und einer weiteren unbekannten Frau der Lotte P***** 500 S Bargeld und eine Geldbörse, indem er die letztgenannte Frau gegen eine Hausmauer stieß, ihr den Arm verdrehte und die Geldbörse entriß sowie

2) im April 1994 im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit einem bisher unbekannten Jugendlichen einer nicht bekannten Frau 900 S Bargeld, Fahrscheine, ein Täschchen und Zuckerl, indem der Jugendliche die Frau festhielt und der Angeklagte ihr die Handtasche wegnahm.

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer lediglich auf den Nichtigkeitsgrund der Z 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, die nur hinsichtlich des Urteilsfaktums A 2 im Recht ist.

Mit seiner Subsumtionsrüge bekämpft der Beschwerdeführer die rechtliche Qualifikation beider Raubtaten als das Verbrechen des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB, weil die angewendete Gewalt jeweils nicht erheblich und der Wert der Sache gering gewesen sei, sowie die Taten nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hätten.

Beim Raub vom 9.Juni 1994 (Faktum A 1) scheitert die Beschwerde bereits daran, daß die angewendete Gewalt als erheblich zu werten ist. Erhebliche Gewalt ist nämlich dann anzunehmen, wenn der Täter beachtliche physische Kraft in vehementer Weise einsetzt, wobei die Belastung des Opfers im Vergleich zu Durchschnittsfällen nicht als geringfügig einzustufen ist; ob dies zutrifft, ist nach einem objektiv-individualisierenden (strengen) Maßstab unter Berücksichtigung aller konkreten Fallgegebenheiten, wie etwa auch des körperlichen Zustandes des Angegriffen, zu beurteilen (Leukauf/Steininger Komm3 § 142 RN 28).

Nach den Urteilsfeststellungen hat der Angeklagte am 9.Juni 1994 die damals beinahe 75 Jahre alte Lotte P***** am Arm erfaßt, sie gegen eine Hausmauer gedrückt, ihr den Arm verdreht und dann die in der Hand getragene Geldbörse weggenommen. Diese Tathandlungen - von denen in der Beschwerde das Verdrehen des Armes übergangen wird, wodurch der materiellrechtliche Nichtigkeitsgrund nicht zur gesetzmäßigen Darstellung gebracht wird - stellen aber, insbesondere auch im Hinblick auf das Alter des Opfers, eine erhebliche Gewalt dar (SSt 55/4).

Da die privilegierenden Voraussetzungen des § 142 Abs 2 StGB kumulativ vorliegen müssen und schon die Einschränkung auf eine nicht erhebliche Gewaltanwendung fehlt, ist die Nichtigkeitsbeschwerde in diesem Punkte unbegründet.

Berechtigt ist sie allerdings, soweit sie das Urteilsfaktum A 2 betrifft. Nach den hiezu allein auf dem Geständnis des Angeklagten beruhenden - sonstige Hinweise auf diese Tat liegen nach der Aktenlage nicht vor - Urteilsfeststellungen hat der Beschwerdeführer im April 1994 einer bislang unbekannten Frau die Handtasche entrissen, nachdem diese von einem jugendlichen Mittäter festgehalten worden war. Durch ein bloßes - nicht näher festgestelltes und nach Lage des Falles auch nicht näher feststellbares - Festhalten des Opfers wurde die Erheblichkeitsschwelle der Gewalt nicht überschritten. Da nach der Aktenlage von der beraubten Frau nichts Näheres bekannt ist, kann nicht davon ausgegangen werden, daß bei ihr ein (beeinträchtigter) körperlicher Zustand vorlag, der eine andere Beurteilung der angewendeten Gewalt zuließe. Das (schlichte) Entreißen der Handtasche - vom Angeklagten als "Wegnehmen" beschrieben (S 36 in ON 4) - hinwieder ist noch nicht als die Anwendung von erheblicher Gewalt zu beurteilen (Mayerhofer/Rieder StGB4 § 142 E 44). Einer Tatbeurteilung nach § 142 Abs 2 StGB steht aber auch nicht entgegen, daß es sich im konkreten Fall um zwei Täter handelte, wenngleich dadurch ein Widerstand der Überfallenen erschwert worden sein mag. Durch die Ausschaltung des sogenannten Gesellschaftsraubes aus den Fällen des schweren Raubes nach § 143 StGB durch das Strafrechtsänderungsgesetz 1987 hat der Gesetzgeber verdeutlicht, daß der Raub durch eine Tätermehrzahl allein nicht als an sich schwer zu beurteilen ist, weshalb auch bei Anwendung nicht erheblicher physischer Gewalt durch mehr als einen Täter minderschwerer Raub nach § 142 Abs 2 StGB vorliegen kann (11 Os 97/90).

Der Wert der geraubten Gegenstände liegt im Bereich von knapp unter 1.000 S, sonach unter jener Grenze, unter der nach gefestigter Rechtsprechung noch von einer Sache geringen Wertes gesprochen werden kann (Leukauf/Steininger aaO RN 31; Foregger/Serini StGB5 § 142 Erl V; 14 Os 106/94).

Die Aktenlage bietet auch keine Anhaltspunkte dafür, daß der Raub im Faktum A 2 mehr als nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat.

Diese Tathandlung erfüllt daher in subjektiver und objektiver Hinsicht lediglich den Tatbestand des Verbrechens des (minderschweren) Raubes nach § 142 Abs 1 und Abs 2 StGB.

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde war daher das Urteil im aufgezeigten Umfang aufzuheben und in der Sache selbst spruchgemäß zu erkennen.

Bei der durch die Kassierung auch des Strafausspruchs notwendig gewordenen Strafneubemessung wertete der Oberste Gerichtshof als erschwerend das Zusammentreffen zweier Verbrechen und die einschlägige Vorstrafe, als mildernd hingegen das reumütige und zur Wahrheitsfindung beitragende Geständnis, das Alter unter 21 Jahren, den Umstand, daß der Angeklagte schwach an Verstand ist, und seine Alkoholisierung zur Tatzeit.

Unter Abwägung dieser Strafzumessungsgründe gelangt der Oberste Gerichtshof zur Überzeugung, daß eine Freiheitsstrafe in der Dauer von sechzehn Monaten dem Verschulden des Täters und dem Unrechtsgehalt der von ihm begangenen strafbaren Handlungen entspricht.

Da das Gewicht der Milderungsumstände jenes der Erschwerungsgründe keineswegs beträchtlich übersteigt, liegen die Voraussetzungen für die außerordentliche Strafmilderung gemäß § 41 Abs 1 Z 5 StGB nicht vor.

Markus Roland R***** wurde mit (rechtskräftigem) Urteil des Landesgerichtes Krems an der Donau vom 9.März 1993 wegen des Verbrechens des Einbruchsdiebstahls nach §§ 127, 129 Z 1 StGB schuldig erkannt und zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe verurteilt. Ungeachtet dieser Rechtswohltat beging er nur ein Jahr nach dieser Vorverurteilung zwei Raubüberfälle. Die Wirkungslosigkeit der gewährten bedingten Strafnachsicht, der relativ rasche Rückfall und die nunmehrige Verübung zweier Raubtaten verbieten aus spezialpräventiven Erwägungen die Anwendung der §§ 43 Abs 1 und 43 a Abs 3 StGB.

Ein Vorgehen gemäß § 265 StPO hingegen ist dem Obersten Gerichtshof als Rechtsmittelgericht verwehrt (LSK 1976/291).

Mit seiner durch die Strafneubemessung hinfällig gewordenen Berufung war der Angeklagte auf die getroffene Entscheidung zu verweisen.

Die unangefochten gebliebene Entscheidung über die Abstandnahme vom Widerruf der bedingten Strafnachsicht war schon aus dem Grund des Verschlechterungsverbotes aufrecht zu erhalten; allerdings war die Probezeit - wie schon im Ersturteil - zu verlängern.

Die Entscheidung über die Vorhaftanrechnung und den Kostenersatz beruhen auf den bezogenen Gesetzesstellen.

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