European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1995:0110OS00031.9500000.0530.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Den Berufungen und Beschwerden wird nicht Folge gegeben.
Den Angeklagten Michael P* und Johann Theodor St* fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen ‑ auch die (Mit‑)Angeklagten Norbert Alfred Sch* und Johann Theodor St* betreffenden ‑ Urteil wurde Michael P* des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB schuldig erkannt, wogegen er von weiteren Anklagevorwürfen gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen wurde.
Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat er in der Nacht zum 2.Oktober 1994 in Wien im einverständlichen Zusammenwirken mit Norbert Alfred Sch* und Johann Theodor St* als Mittäter Regina G* mit schwerer gegen sie gerichteter Gewalt zur Duldung des "dreifachen Beischlafes und wiederholter, dem Beischlaf gleichzusetzender geschlechtlicher Handlungen genötigt, indem sie Regina G* festhielten, jeder von ihnen je einen Geschlechtsverkehr mit der sich zu wehren Versuchenden durchführte und zwischen den jeweiligen Geschlechtsverkehren auch noch mit den Fingern in die Scheide fuhren".
Rechtliche Beurteilung
Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte P* mit einer auf die Z 5, 5 a, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt.
Mit seiner undifferenziert ausgeführten Mängel‑ und Tatsachenrüge (Z 5 und 5 a) behauptet der Beschwerdeführer zunächst eine Undeutlichkeit des Urteilstenors. Da Urteilsspruch und Entscheidungsgründe eine Einheit darstellen und demzufolge als ein untrennbares Ganzes zu betrachten sind (Mayerhofer‑Rieder, StPO3 § 281 Z 5 ENr 46), kann der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund aus einem Mangel des Urteilstenors allein nicht abgeleitet werden. Hingegen betrifft der Einwand gegen die Urteilsfestellung, wonach die Angeklagten zwischen den Geschlechtsakten auch immer wieder mit den Fingern in die Scheide der Frau fuhren, keinen Ausspruch über eine für die rechtliche Beurteilung entscheidende Tatsache, weil der Beschwerdeführer dabei das weitere vom Erstgericht festgestellte Tatsachensubstrat außer acht läßt. Indem er bloß eine von mehreren Ausführungshandlungen zu der in Rede stehenden Vergewaltigung herausgreift, übergeht er nämlich, daß ‑ isoliert betrachtet ‑ schon die vom Erstgericht mit mängelfreier Begründung außerdem festgestellten und von ihm auch unbekämpft gebliebenen Tathandlungen bei der gewaltsamen Ausführung des Geschlechtsverkehrs durch ihn den Schuldspruch zu tragen vermögen (vgl Mayerhofer‑Rieder aaO ENr 30 ‑ 32). Aus diesem Grund geht auch die ‑ im übrigen nicht näher substantiierte ‑ Rüge einer unzureichenden Begründung des Schuldspruchs ins Leere. Erhebliche sich aus den Akten ergebende Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen vermag der Beschwerdeführer damit gleichfalls nicht aufzuzeigen.
Mit der Rechtsrüge (Z 9 lit a) strebt der Beschwerdeführer seinen Freispruch hinsichtlich der von den Mittätern gesetzten Unzuchtsakte an. Er verkennt jedoch, daß es sich dabei ‑ nach dem vom Erstgericht festgestellten Tatsachensubstrat ‑ bloß um Teilakte eines einheitlichen Tatgeschehens, welches eine einzige Straftat darstellt, und nicht um real konkurrierende strafbare Handlungen handelt. Ein Freispruch bloß von einer von mehreren Ausführungshandlungen zu ein und demselben Tatgeschehen ist jedoch aus rechtlichen Gründen ausgeschlossen (vgl Mayerhofer‑Rieder aaO § 259 ENr 70). Die Rechtsrüge erweist sich daher als verfehlt. Im übrigen läßt der Beschwerdeführer außer acht, daß im Falle der Mittäterschaft nach § 12 erster Fall StGB alle Mittäter für ihre Mitwirkung an der Tatausführung wechselseitig haften, sodaß jedem die Tatbeiträge der anderen zugerechnet werden. Diese Haftung ist auch dann gegeben, wenn einer der Mittäter erst im Laufe der Ausführung der strafbaren Handlung durch Setzung einer eigenen Ausführungshandlung hinzutritt (sukzessive Mittäterschaft), sodaß sich die Rüge auch unter diesem Gesichtspunkt als nicht zielführend erweist (vgl Fabrizy im WK, § 12 Rz 25 und 29).
Keine Berechtigung kommt auch der Subsumtionsrüge (Z 10) zu, mit welcher der Beschwerdeführer seine Verurteilung bloß wegen "minderschwerer" Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB anstrebt. Abgesehen davon, daß dem Angeklagten P* - wie oben ausgeführt ‑ infolge Mittäterschaft auch die von seinem Komplizen vor seinem Eingreifen gesetzten Ausführungshandlungen rechtlich zuzurechnen sind, erfolgte die Nötigung des Tatopfers zur Duldung des von ihm vorgenommenen Beischlafes ‑ selbst isoliert betrachtet ‑ mittels schwerer Gewalt.
Unter diesem Begriff ist die Anwendung überlegener physischer Kraft zu verstehen, die auf die Überwindung eines wirklichen oder auch nur erwarteten Widerstandes des Opfers gerichtet ist und ‑ ohne daß dadurch bereits ein "qualvoller Zustand" des Opfers (iS des § 201 Abs 3 StGB) herbeigeführt würde ‑ einen höheren Grad der kriminellen Intensität oder Gefährlichkeit erreicht, so etwa wenn sie ‑ im Rahmen der deliktsspezifischen Variationsbreite ‑ in besonders brutalen und/oder rücksichtslosen Aggresssionshandlungen besteht, gegen die eine erfolgreiche Abwehr aus physischen oder psychischen Gründen nach allgemeiner Erfahrung unmöglich ist (EvBl 1992/79 ua). Bei dieser Beurteilung ist auch auf den sonstigen Zustand des Opfers Rücksicht zu nehmen (14 Os 2/91).
Im vorliegenden Fall richtete sich die Straftat gegen eine vierzundzwanzigjährige Frau, welche körperlich zurückgeblieben und geistig behindert ist. Diese Frau wurde zunächst von den beiden Mitangeklagten Sch* und St* gewaltsam ausgezogen und sodann jeweils von einem der Genannten am Bett festgehalten, während der andere an ihr den Geschlechtsverkehr vollzog, wogegen sie sich verzweifelt zu wehren trachtete. Dadurch befand sich das Tatopfer schon vor Beginn der auf Beischlaf mit dem Beschwerdeführer gerichteten Nötigungshandlungen in einem hilflosen Zustand, in dem seine physische und psychische Fähigkeit zum (weiteren) Widerstand stark herabgesetzt war. Selbst in diesem Zustand taten die drei Männer der Frau weitere Gewalt an, um auch dem Beschwerdeführer den Geschlechtsverkehr mit ihr zu ermöglichen, indem der Angeklagte St* sie aus dem Bett stieß, der Angeklagte Sch* sie auf den Boden zog und dort festhielt und der Beschwerdeführer an ihr den Beischlaf vollzog, wogegen sie sich noch immer zu wehren versuchte. Solcherart ist auch der beschriebene ‑ bloß einen Teilakt des einheitlichen Tatgeschehens bildende ‑ Unzuchtsakt des Beschwerdeführers durch besonders brutale und rücksichtslose Aggressionshandlungen gesetzt worden, welche dem Begriff der "schweren Gewalt" voll entsprechen.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Aber auch den jeweils eine Strafreduktion anstrebenden Berufungen der Angeklagten Michael P* und Johann Theodor St* und den Beschwerden dieser beiden Angeklagten gegen die Widerrufsbeschlüsse kommt keine Berechtigung zu.
Der Angeklagte Johann Theodor St* wurde mit demselben Urteil zusätzlich zum (zuvor erörterten) Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB auch noch des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (begangen am 1.Oktober 1994 an Regina G* sowie der Vergehen des versuchten schweren Diebstahls nach §§ 15, 127, 128 Abs 1 Z 1 StGB (versuchter Diebstahl einer Stereoanlage, eines Fernsehapparates und einer Stehlampe in der Nacht zum 2.Oktober 1994 mit Norbert Alfred Sch* als Mittäter zum Nachteil der Regina G* unter Ausnützung deren hilflosen Zustandes), der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (begangen in der Nacht zum 1.Oktober 1994 durch Zerreißen der Lederjacke und des Hutes der Regina G*), der teils vollendeten, teils versuchten Nötigung nach §§ 105 Abs 1 und 15 StGB und der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (begangen an Regina G* durch Ausdrücken einer glühenden Zigarette an den Unterarmen) schuldig erkannt.
Das Schöffengericht wertete bei der Strafbemessung bei beiden Angeklagten die Vergewaltigung einer Behinderten und zwei einschlägige Vorstrafen, bei St* darüber hinaus noch die Mitwirkung an drei Vergewaltigungen und das Zusammentreffen dieses Verbrechens mit den weiteren strafbaren Handlungen sowie die besondere Grausamheit beim Ausdrücken der Zigarette an den Unterarmen des Opfers als erschwerend; als mildernd nahm es hingegen bei P* (mit dem Hinweis, daß ein Geständnis nun nicht mehr vorliege) keinen Umstand und bei St* das Teilgeständnis zur Sachbeschädigung und zur "Nötigung des Pärchens" sowie den Umstand an, daß es beim Bedrängnisdiebstahl und in einem Fall der Nötigung beim Versuch geblieben ist.
Davon ausgehend verhängte das Schöffengericht über den Angeklagten St* eine Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Jahren und über P* eine solche in der Dauer von dreieinhalb Jahren. Unter einem widerrief es (gemäß § 494 a Abs 1 Z 4 StPO) die dem Angeklagten St* zum AZ 4 b E Vr 336/91 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien gewährte bedingte Nachsicht einer zweimonatigen Freiheitsstrafe (wegen § 107 Abs 1 StGB) und die dem Angeklagten P* zum AZ 4 a E Vr 5172/90 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien gewährte bedingte Nachsicht eines Strafteiles von sechs Monaten (wegen § 208 StGB) und zum AZ 2 a Vr 566/90 des Jugendgerichtshofes Wien gewährte bedingte Nachsicht einer zweimonatigen Freiheitsstrafe (wegen §§ 15, 144 Abs 1 StGB).
Die vom Schöffensenat herangezogenen Strafzumessungsgründe sind lediglich beim Angeklagten St* dahin zu korrigieren, daß diesen Angeklagten (nur) eine Vorverurteilung wegen einer auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Straftat (§ 33 Z 2, § 71 StGB) als erschwerend belastet, wogegen die (weitere) Verurteilung wegen § 298 Abs 1 StGB diese Voraussetzung nicht erfüllt.
Im übrigen wurden die Strafzumessungsgründe vom Schöffengericht im wesentlichen vollständig festgestellt und auch zutreffend bewertet.
Dem teilweisen Eingeständnis des Tatsächlichen durch den Angeklagten P* (181, 409/II) mangelt die Qualität des besonderen Milderungsgrundes nach § 33 Z 17 StGB, der voraussetzt, daß ein reumütiges Geständnis abgelegt wurde oder der Angeklagte mit seinen Angaben wesentlich zur Wahrheitsfindung beigetragen hat. Soweit dieser Angeklagte ohne nähere Substantiierung ins Treffen führt, er habe sich an anderen Aggressionshandlungen gegen G* nicht beteiligt, ist er auf den Umfang des ihn betreffenden Schuldspruches zu verweisen. Der ferner eingewendete Umstand, der Angeklagte P* sei durch das schlechte Beispiel der Mitangeklagten zu den in Rede stehenden Tathandlungen veranlaßt worden, wird durch den Vorwurf aufgewogen, daß der Angeklagte ‑ wie bei Mittäterschaft die Regel ‑ seinerseits durch sein Verhalten die Mittäter in ihrem Vorhaben bestärkte.
Den Berufungsausführungen des Angeklagten St* zuwider erfüllt das Zigarettenausdrücken an den Unterarmen des Opfers durchaus den Begriff eines grausamen Vorgehens im Sinne des § 33 Z 6 StGB. Ein enger Zusammenhang der Straftaten, der das Schuldmaß wesentlich vermindert hätte, kann ‑ entgegen der Meinung des Angeklagten St* - vorliegend nicht erblickt werden.
Auf der Grundlage der gesetzlichen Strafdrohung und unter Beachtung der allgemeinen Grundsätze für die Strafbemessung (§ 32 StGB) sind die über die Angeklagten St* und P* verhängten Strafen selbst unter Berücksichtigung der bei St* modifizierten Strafzumessungsgründe, ‑ auch im Verhältnis zueinander ‑ schuldangemessen. Zu einer Herabsetzung der Freiheitsstrafen bestand daher kein Anlaß.
Der schwerwiegende Rückfall jeweils während der (bereits verlängerten) Probezeit bestätigt die Annahme des Erstgerichtes, daß der Widerruf der bedingten Strafnachsicht zusätzlich zur neuerlichen Verurteilung geboten ist, um die Angeklagten St* und P* von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten. Auch ihren ‑ bei St* aus § 498 Abs 3 StPO resultierenden ‑ Beschwerden mußte darum ein Erfolg versagt bleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390 a StPO.
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