OGH 1Ob1594/95

OGH1Ob1594/9529.5.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Schlosser als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Horst K*****, vertreten durch Dr.Alfons K. Hauer, Rechtsanwalt in Gleisdorf, wider die beklagte Partei Annemarie K*****, vertreten durch Dr.Elisabeth Simma, Rechtsanwältin in Graz, wegen Ehescheidung infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgerichts vom 16.Jänner 1995, GZ 1 R 352, 434/94-38, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

a) Zwar wird im Rechtsmittel eine Versöhnung der Streitteile am 12.Mai 1992 behauptet, wofür auch die mitdem Rechtsmittel vorgelegte Beilage sprechen mag, doch fehlen Feststellungen, die für eine Unterbrechung der Frist des § 55 Abs 1 EheG erforderliche häusliche Gemeinschaft wäre wieder aufgenommen worden (Schwimann in Schwimann, Rz 12 zu § 55 EheG).

b) Der Hinweis des Berufungsgerichts (ON 38 AS 305 = S 12 des Berufungsurteils), die Beklagte habe keinen Widerspruch erhoben, geht zwar fehl, weil ein solches „Verlangen“ nach § 55 Abs 2 erster Satz EheG auch im Antrag auf Abweisung des Klagebegehrens auf Scheidung wegen Alleinverschuldens des klagenden Mannes (hier ON 7 AS 41) zu erblicken ist (JBl 1976, 152 mit Anm von Schwind; EFSlg 25.059, 2.415; Schwimann aaO Rz 15 zu § 55 EheG). Dies enthebt aber die Beklagte nicht der Behauptungs-und Beweispflicht in Ansehung der spezifischen Voraussetzungen (Zerrüttungsverschulden des Klägers, überwiegende Härte der Scheidung für die Beklagte; Schwimann aaO Rz 15 zu § 55 EheG). Die hier von der Revisionswerberin behaupteten, für die Anwendung der Härteklausel sprechenden Umstände stellen entweder Neuerungen dar oder sind, soweit auch das in erster Instanz zum Antrag auf einstweiligen Unterhalt gestellte Vorbringen einbezogen wird, inhaltlich zur Anwendung der Härteklausel nicht geeignet.

Gemäß § 55 Abs 2 EheG ist einem nach Abs 1 gestellten Scheidungsbegehren auf Verlangen des beklagten Ehegatten auch dann nicht stattzugeben, wenn den beklagten Ehegatten die Scheidung härter träfe als den klagenden Ehegatten die Abweisung des Scheidungsbegehrens. Bei dieser Abwägung ist auf alle Umstände des Falles, besonders auf die Dauer der ehelichen Lebensgemeinschaft, das Alter und die Gesundheit der Ehegatten, das Wohl der Kinder sowie auch auf die Dauer der Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft Bedacht zu nehmen. Sinn dieser Klausel - womit gegenüber der früheren Rechtslage eine wesentliche Änderung mit dem erklärten Ziel einer Erleichterung der Scheidung unheilbar zerrütteter Ehen eingetreten ist (SZ 52/29 = EvBl 1979/131 = EFSlg 34.006; Pichler in Rummel 2, Rz 6 zu § 55 EheG) - ist die Gewährung einer Anpassungsfrist in Ausnahmefällen, damit der schuldlose Ehegatte nicht plötzlich mit der vollen Härte der Scheidung konfrontiert wird (EFSlg 57.162, 43.655; SZ 52/29 ua, zuletzt 4 Ob 542/94). Entscheidend ist nach ständiger Rechtsprechung, ob die rechtliche Sanktionierung der vom Kläger allein verschuldeten Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft für die Beklagte eine gegenüber dem Normalfall besondere Härte ist (EFSlg 57.164). Da regelmäßig jede Ehescheidung für den Teil, der die Zerrüttung nicht verschuldete und der an der Ehe festhalten will, Härten mit sich bringt, und nach § 55 Abs 3 EheG selbst die größte Härte nicht zu einer dauernden Verweigerung der Scheidung führen darf, können daher nur ganz besonders schwerwiegende konkrete Umstände die Verweigerung des Scheidungsbegehrens dann rechtfertigen (stRspr EFSlg 60.225, 57.165, 43.660 ua; Pichler aaO Rz 6), wenn die Härte im Einzelfall jene, die für den schuldlosen Teil durchschnittlich zu erwarten ist, erheblich übersteigt (EFSlg 57.167). Abzustellen ist auf die subjektiven Verhältnisse gerade dieser Ehegatten (EFSlg 57.168, 43.656, 38.748). Für die Härteklausel spricht hier nur die Dauer der Heimtrennung (vgl EFSlg 60.222, 57.169, 41.248 ua). Selbst wenn die Beklagte bei der nachehelichen Aufteilung eine hohe Ausgleichszahlung zu entrichten und damit höhere Lasten zu tragen hätte, läge hierin keine gegenüber dem Normalfall besondere Härte vor; überdies hat die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse nach Billigkeitsgrundsätzen zu erfolgen, so daß die - vorzeitige - Durchführung eines solchen Verfahrens bereits in naher Zukunft gegenüber der Durchführung erst in einem Jahr oder zwei Jahren keine Härte iS des § 55 Abs 2 EheG bedeutet (vgl EFSlg 60.228, 43.663). Die Frage der Deckung des gesetzlichen Unterhalts ist in die Interessenabwägung nach § 55 Abs 2 EheG nicht einzubeziehen, weil nach § 69 Abs 2 EheG für den Fall des Verschuldensausspruchs nach § 61 Abs 3 EheG der beklagte Ehegatte auch nach der Scheidung seinen Unterhaltsanspruch auf § 94 ABGB stützen kann (EFSlg 38.751).

c) Das Gesetz erfordert für die Scheidung wegen unheilbarer Zerrüttung der Ehe die Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft - als Geschlechts-, Wohnungs- und Wirtschaftsgemeinschaft (EFSlg 63.403, 60.215 ua) - während einer bestimmten Zeit, nicht aber den Abbruch jeglichen persönlichen Kontakts. Ob im vorliegenden Fall die Voraussetzungen zur Annahme der Auflösung der häuslichen Gemeinschaft vorlagen, stellt wegen der Einzelfallbezogenheit keine erhebliche Rechtsfrage iS des § 502 Abs 1 ZPO dar. Festzuhalten bleibt, daß der Begriff „häusliche Gemeinschaft“ auch bei verheirateten, gemeinsam tätigen Gewerbetreibenden grundsätzlich nicht anders zu beurteilen ist als bei unselbständig berufstätigen Eheleuten und daher rein geschäftliche Kontakte der Eheleute nicht dem Begriff „Wirtschaftsgemeinschaft“ - von Eheleuten - unterstellt werden kann.

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