OGH 3Ob66/95

OGH3Ob66/9529.5.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst, Dr.Redl, Dr.Graf und Dr.Pimmer als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei Aloisia W*****, vertreten durch Dr.Norbert Kosch ua Rechtsanwälte in Wiener Neustadt, wider die verpflichtete Partei Heinz E*****, und die Antragstellerin gemäß § 34a Abs 2 MRG Natasa M*****, letztere vertreten durch Mag.Eleonore Redl, Rechtsanwältin in Wien, wegen zwangsweiser Räumung, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgerichtes vom 7.Februar 1995, GZ 40 R 69/95-16, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Donaustadt vom 2.Jänner 1995, GZ 7 C 703/94b-13, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben. Dem Gericht zweiter Instanz wird eine neuerliche Entscheidung über den Rekurs der betreibenden Partei aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsrekurses sind weitere Kosten des Rekursverfahrens.

Text

Begründung

Der Verpflichtete arbeitet seit längerem mit der Hausverwaltung Renate ***** zusammen. Er übernimmt für sie Entrümpelungen, säubert Wohnungen nach Delogierungen, entfernt alte Möbel und ersetzt sie durch neue, so daß die Wohnungen dann möbliert vermietet werden können. Er vermittelt regelmäßig Mietinteressenten und übersetzt Mietverträge, weil er serbokroatisch spricht. Hinweise für ein Angestelltenverhältnis gibt es nicht. Am 4.10.1993 mietete der Verpflichtete die im Haus der betreibenden Partei Wien 2, O*****straße 17 gelegene Wohnung top 24 über die Hausverwaltung Renate Ü***** befristet auf sechs Monate zum 31.3.1994. Am 11.10.1993 vermietete er diese Wohnung der Antragstellerin zum selben Gesamtmietzins von S 4.400, der Untermietvertrag wurde ebenfalls mit 31.3.1994 befristet. Bereits vor diesem Vertrag hatte der Verpflichtete Mietverträge zwischen der Mutter der Antragstellerin bzw deren Lebensgefährten und der Hausverwaltung Renate Ü***** vermittelt; diese aufeinanderfolgenden, befristet abgeschlossenen Verträge betrafen jeweils verschiedene Mietobjekte in einem einem anderen Eigentümer gehörigen Haus in Wien 21, B*****gasse 11. Einzige Kontaktperson der Mieter war der Verpflichtete. Nach Ablauf des Mietvertrages mit der Mutter der Antragstellerin teilte er ihr mit, daß die Hausverwaltung Renate Ü***** keinen weiteren Vertrag auf ihren Namen abschließen werde, jedoch allenfalls auf ihre Tochter (die Antragstellerin).

Das über die Räumungsklage der betreibenden Partei gegen den Verpflichteten erlassene Versäumungsurteil des Erstgerichtes vom 20.4.1994 erwuchs in Rechtskraft. Die Räumungsexekution wurde antragsgemäß am 20.7.1994 bewilligt, der Räumungstermin wurde auf den 27.9.1994 festgesetzt.

Die Antragstellerin begehrt gemäß § 34a MRG die Aufschiebung der Räumungsexekution mit folgendem Vorbringen: Der zwischen der Hauseigentümerin (betreibenden Partei) und dem Verpflichteten geschlossene Mietvertrag sei lediglich zur Untervermietung durch den Verpflichteten an sie und somit zur Umgehung der einem Hauptmieter zustehenden Rechte geschlossen worden, die Räumungsexekution solle lediglich zur Umgehung der Ansprüche der Antragstellerin nach § 2 Abs 3 MRG vollzogen werden. Nach Ablauf des letzten Bestandverhältnisses zwischen ihrer Mutter bzw deren Lebensgefährten und der Hausverwaltung im Objekt Wien 21, B*****gasse 11, sei die Hausverwaltung nur mehr bereit gewesen, einen Mietvertrag mit der Antragstellerin in dem ebenfalls von ihr verwalteten Haus in der O*****straße 17 abzuschließen. Dieser Mietvertrag sollte aber nicht mit der Hauseigentümerin (der betreibenden Partei), sondern mit Heinrich E***** (dem Verpflichteten) abgeschlossen werden, der vermutlich bei der Hausverwaltung angestellt sei, zu dieser aber jedenfalls ein Naheverhältnis aufweise, zumal er in allen Fällen den Abschluß der Mietverträge vermittelt habe. Die Antragstellerin habe daher am 28.Juni 1994 beim MBA für den 2.Bezirk, Schlichtungsstelle, einen Antrag gemäß § 2 Abs 3 MRG eingebracht, über den noch nicht entschieden worden sei. Sie verfüge über keine andere Wohnmöglichkeit, auch nicht über Geldmittel zur Beschaffung einer solchen, durch die Räumung würden außerdem ihre Anträge obsolet. Sie habe vom Räumungsverfahren erst durch die Zustellung des Räumungsexekutionsbewilligungsbeschlusses Kenntnis erhalten.

Die betreibende Partei sprach sich gegen den Aufschiebungsantrag aus. Die von der Antragstellerin behaupteten Vorgänge über die Vermietung von anderen Wohnungen durch die Hausverwaltung Renate Ü***** seien der betreibenden Partei nicht bekannt. Der Verpflichtete sei kein Angestellter der von ihr mit der Hausverwaltung betrauten Renate Ü***** und stehe mit ihr nur über den nicht als Umgehungsgeschäft geschlossenen Hauptmietvertrag für die verfahrensgegenständliche Wohnung in Rechtsbeziehung.

Der Verpflichtete äußerte sich zum Aufschiebungsantrag nicht.

Das Erstgericht schob die Räumungsexekution bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den auf § 2 Abs 3 MRG gestützten Antrag auf. Es nahm über den eingangs dargelegten Sachverhalt hinaus noch als bescheinigt an, daß durch den Hauptmietvertrag zwischen der betreibenden Partei und der verpflichteten Partei vom 4.10.1993 nach der Absicht des Verpflichteten und der Hausverwaltung (Renate Ü*****) die Rechte der Antragstellerin als Hauptmieterin umgangen werden sollten und daß der Verpflichtete diese Wohnung nie selbst bewohnt habe. Es vertrat die Rechtsansicht, daß das Vorgehen und Wissen der Hausverwaltung (Renate Ü*****) der betreibenden Partei, als deren Vertreterin sie tätig sei, zugerechnet werden müsse. Die gänzliche Untervermietung einer befristet gemieteten Wohnung, die nach dem

3. WÄG als konkreter Anhaltspunkt für eine Umgehungshandlung nach § 2 Abs 3 MRG angesehen werde, erfülle den für die Exekutionsaufschiebung nach § 34a MRG erforderlichen Tatbestand. Ob die Befristung des (Untermiet)Vertrages mit der Antragstellerin auf sechs Monate diesen wirksam beendet habe, sei nicht entscheidend; jedenfalls sei nicht auszuschließen, daß trotz der Befristung der Vollzug der Räumung die Antragstellerin um berechtigte Ansprüche (§ 2 Abs 3 MRG) bringen könnte.

Infolge Rekurses der betreibenden Partei, die darin Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens (Unterlassung einer weiteren Vorladung des zur Vernehmung nicht erschienenen Verpflichteten) sowie unrichtige Beweiswürdigung und Tatsachenfeststellung rügte, wies das Gericht zweiter Instanz aus rechtlichen Erwägungen den Aufschiebungsantrag ab. Es bewertete den Entscheidungsgegenstand über S 50.000 und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig. Zunächst sei zu klären, ob das auf sechs Monate befristete Bestandverhältnis zwischen dem Verpflichteten und der Antragstellerin durch Zeitablauf erlösche, weil bejahendenfalls gemäß § 1 Abs 2 Z 3 MRG das MRG (und damit dessen § 34a) nicht anzuwenden sei. Sei dem Bestandverhältnis jedoch ein "Kettenmietvertrag" zugrundegelegen und dieses daher wie auf länger als sechs Monate befristet anzusehen, komme das MRG zur Anwendung. Daß die befristeten Mietverträge zwischen der Mutter der Antragstellerin bzw deren Lebensgefährten und einem anderen Vermieter (Eigentümer des Objektes Wien 21, B*****gasse 11, top 4 bzw 6-7) durch die Hausverwalterin Renate Ü***** auf Vermittlung des Verpflichteten und der Hauptmietvertrag des Verpflichteten mit der durch dieselbe Verwalterin vertretenen betreibenden Partei über die Wohnung top 24 des Hauses Wien 2, O*****straße 17, über den Scheincharakter dieses Hauptmietvertrages und den vorliegenden Untermietvertrag - auch als "Kettenvertrag" bzw dessen Fortsetzung anzusehen wäre, sei nach der bisherigen Judikatur zu verneinen. Somit komme das MRG nicht zur Anwendung und sei der Aufschiebungsantrag unberechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen die zweitinstanzliche Entscheidung erhobene außerordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerin ist zulässig und berechtigt.

Da das Rekursgericht die Mängel- und Beweisrüge des von der betreibenden Partei erhobenen Rekurses gegen die erstinstanzliche Entscheidung nicht behandelte, ist bei der Erledigung des vorliegenden Revisionsrekurses zunächst von dem vom Erstgericht als bescheinigt erachteten Sachverhalt auszugehen. Danach machte die Hausverwalterin des Objektes B*****gasse, die (wohl zur Vermeidung eines "Kettenmietvertrages" und dessen rechtlichen Auswirkungen) mit der Mutter der Antragstellerin in diesem Objekt keinen weiteren Zeitmietvertrag mehr abschließen wollte, zur weiteren Beschaffung einer Wohngelegenheit für die Antragstellerin und ihre Mutter das ebenfalls von ihr verwaltete Objekt O*****gasse dadurch verfügbar, daß sie mit dem alle dargestellten Verträge auf der Mieterseite aushandelnden und mit ihr in ständiger Geschäftsbeziehung stehenden Verpflichteten einen auf sechs Monate befristeten Hauptmietvertrag über die vorliegende Wohnung schloß, die sodann der Antragstellerin vom Verpflichteten zu den gleichen Bedingungen untervermietet wurde. Wie schon das Rekursgericht zutreffend darlegte, nahm die Rechtsprechung auch schon dann sogenannte "Kettenverträge" an, deren Zeiten wirtschaftlich als Einheit zu betrachten und zusammenzurechnen sind und bei Überschreiten von Höchstfristen entsprechende Rechtsfolgen auslösen (SZ 63/50; WoBl 1992,226 (Würth); 1 Ob 643/92; 8 Ob 631/93 (teilweise veröffentlicht in ecolex 1994, 535); 2 Ob 582/94 uam), wenn die - im wesentlichen gleichartigen - Mietobjekte nacheinander an verschiedene "Familienmitglieder" auch in verschiedenen Häusern, in denen trotz Verschiedenheit der Vermieter dieselben Personen zur Entscheidung über Mietverträge befugt sind (so 2 Ob 582/94) vermietet werden. Nicht anders ist der vorliegende Fall zu sehen, in dem derartige Verträge über Wohnungen in Mietobjekten verschiedener Eigentümer von derselben - sei es auch jeweils unabhängig voneinander bestellten - und zum Abschluß von derartigen befristeten Mietverträgen generell betrauten Hausverwaltung geschlossen werden. Der Eigentümer eines Mietobjektes kann sich nicht dadurch seiner vertraglichen und gesetzlichen Haftung aus Mietverträgen entziehen, daß er einen Hausverwalter mit Abschlußvollmacht bestellt und sich um dessen Gestion weiters im einzelnen nicht mehr kümmert, weil ihm dessen Vertragsverhalten wie eigenes Verhalten zuzurechnen ist. Diese Haftung beruht auf dem Grundgedanken, daß die einem Vertragspartner zustehenden Rechtsbehelfe vom anderen Vertragspartner nicht dadurch entzogen werden können, daß er sich zu seinem Vorteil eines Gehilfen bedient, so daß nur mehr dieser die dem anderen Teil etwa nachteiligen Handlungen setzen kann. Dem ABGB kann der natürliche Rechtsgrundsatz entnommen weden, daß immer dann, wenn der Einsatz von Gehilfen eine Verschlechterung der vom Gesetzgeber im Sinne eines gerechten Interessenausgleichs vorgesehenen Rechtsposition Dritter mit sich bringen würde, der Geschäftsherr sich das Verhalten des Gehilfen zumindest dann wie sein eigenes zurechnen lassen muß, wenn das Verhalten des Gehilfen zu dem ihm übertragenen Aufgabenbereich gehört und der Dritte seine Rechte nicht wirksam auch gegen den Gehilfen geltend machen kann (dazu ausführlich Iro in JBl 1982, 470 ff und 510 ff; hier 514,519; SZ 63/50; SZ 63/189). Die unter Mitwirkung des mit der Hausverwaltung der betreibenden Partei zusammenarbeitenden - wenn auch nicht dort angestellten - Verpflichteten zustande gekommenen Mietverträge über diese beiden Objekte stehen daher zueinander nach dem hier bescheinigten Sachverhalt jedenfalls dann in einem "Kettenverhältnis", wenn die Antragstellerin als Hauptmieterin der vorliegenden Wohnung festgestellt würde, weil die von den beiden Hauseigentümern bestellte, für diese vertragsschließende Hausverwalterin mit ihrem Wissen und Vertragswillen beiden Eigentümern zugerechnet werden muß.

Es kann daher die Rechtsansicht des Rekursgerichtes nicht geteilt werden, daß der vorliegende Untermietvertrag nicht (als "Kettenvertrag" anzusehen ist und daher) dem MRG unterliegt. Diese Erwägungen führen in Stattgebung des außerordentlichen Revisionsrekurses der Antragstellerin zur Aufhebung der Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz, welches ausgehend von der dargestellten Rechtsauffassung die dem Tatsachenbereich zugeordneten Rügen des von der betreibenden Partei gegen die erstgerichtliche Entscheidung erhobenen Rekurses zu behandeln und sodann erneut zu entscheiden haben wird.

Der Kostenvorbehalt beruht auf den §§ 78 EO, 52 Abs 1 ZPO.

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