OGH 8Ob631/93

OGH8Ob631/9328.4.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag, Dr.Jelinek, Dr.Rohrer und Dr.Adamovic als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ö***** Gemeinnützige GmbH, ***** vertreten durch Dr.Wolfgang Grogger und Dr.Michele Lehner-Endlicher, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Nihat Y*****, vertreten durch Dr.Markus Freund, Rechtsanwalt in Wien, wegen Räumung infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgericht vom 19.Mai 1993, GZ 41 R 257/93-13, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Fünfhaus vom 22.Jänner 1993, GZ 8 C 37/92z-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei die Wohnung top.Nr.*****, bestehend aus einem Zimmer und einer Küche im Ausmaß von 30,88 m2, geräumt von eigenen Fahrnissen zu übergeben, abgewiesen wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 10.098,56 bestimmten Kosten des Verfahrens (einschließlich S 1.269,76 Umsatzsteuer und S 2.480 Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei schloß am 7.2.1989 mit dem Beklagten einen Mietvertrag über eine im Haus *****, F*****straße ***** gelegene, knapp unter 30 m2 große Wohnung der Kategorie D unter Vereinbarung eines Mietzinses von knapp unter S 200 ab, der nach Verlängerung am 31.1.1990 enden sollte.

Am 15.1.1990 schloß die klagende Partei mit dem Beklagten sodann einen Mietvertrag über eine gleichartige Wohnung im gleichen Haus ab, der nach zwei Verlängerungen am 31.1.1991 enden sollte.

Am 19.2.1991 schlossen die Streitteile einen Mietvertrag über eine gleichartige Wohnung in einem anderen, der klagenden Partei gehörigen Haus ab, das sich in unmittelbarer Nähe der früheren Wohnung des Beklagten, nämlich in *****, M*****straße *****, befindet; dieser Vertrag sollte nach Verlängerung am 31.12.1991 enden.

Mit Räumungsklage vom 13.1.1992 begehrt die klagende Partei die Räumung der zuletzt genannten Wohnung.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete insbesondere ein, es liege ein unzulässiger Kettenmietvertrag zur Umgehung des § 29 MRG vor.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit der Begründung statt, eine Absicht, die Schutzbestimmung des § 29 Abs 1 Z 3 lit c MRG in Form von Kettenmietverträgen zu umgehen, sei schon deswegen auszuschließen, weil sich die nunmehr zu räumende Wohnung in einem anderen Haus befinde.

Das Berufungsgericht bestätigte die erstgerichtliche Entscheidung. In seiner rechtlichen Beurteilung lehnte es die einschlägige oberstgerichtliche Judikatur zu unzulässigen Kettenmietverträgen hinsichtlich Wohnungen auf derselben Liegenschaft ab. Es meinte, hier läge zudem ein Mietvertrag über eine Wohnung in einem anderen Haus vor, sodaß die Befristung schon deshalb zulässig gewesen wäre, weil - unterstellte man die Richtigkeit der bisherigen oberstgerichtlichen Judikatur - der Beklagte bereits in einem anderen Haus über ein unbefristetes Mietrecht verfügt hätte, sodaß es der Anmietung der letzten Wohnung gar nicht bedurft hätte. Die Revision an den Obersten Gerichtshof ließ das Berufungsgericht zu, weil es der jüngsten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht folge und überdies eine Rechtsprechung zu einer Aneinanderreihung von Mietverträgen über Wohnungen auf verschiedenen Liegenschaften nicht vorliege.

Gegen die berufungsgerichtliche Entscheidung wendet sich die Revision des Beklagten wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise stellt er auch einen Aufhebungsantrag.

Die klagende Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus den vom Berufungsgericht genannten Gründen zulässig und auch berechtigt.

Der behaupteten Mangelhaftigkeit des Verfahrens kommt keine Bedeutung zu, weil der Revision bereits aus rechtlichen Gründen stattzugeben ist.

Das Berufungsgericht weicht bewußt von der ständigen, aus jüngster Zeit stammenden oberstgerichtlichen Rechtsprechung ab (7 Ob 577/92, WoBl 1992, 226 mit Anm von Würth; 1 Ob 643/92; 7 Ob 515, 516/93, 6 Ob 534/93 und 6 Ob 527/93); seine Begründung hiefür kann jedoch nicht überzeugen. In der zuletzt genannten Entscheidung hat sich der Oberste Gerichtshof mit den auch jetzt vorgetragenen Argumenten des Berufungsgerichtes bereits ausführlich befaßt und diese als nicht stichhaltig befunden.

Gemäß § 29 Abs 1 Z 3 lit c MRG wird ein Mietvertrag über eine Wohnung durch Zeitablauf aufgelöst, wenn dies schriftlich vereinbart worden ist und die ursprüngliche oder verlängerte Vertragsdauer ein Jahr nicht übersteigt. Die Zeiten wirtschaftlich als Einheit zu betrachtender Verträge sind danach zusammenzurechnen. Kettenverträge sind nicht zulässig, sondern als Einheit zu sehen und lösen bei Überschreiten von Höchstfristen die entsprechenden Rechtsfolgen, nämlich unbefristete Mietverträge, aus (Würth in Rummel ABGB II2 Rz 7 zu § 29 MRG). Der Gesetzgeber anerkennt und schützt nämlich das unterstellte Interesse einer Person an der Aufrechterhaltung eines mietvertraglich abgesicherten Rechtes auf Wohnungsbenützung, weil der Mieter typischerweise in einer Mietwohnung seinen Lebensmittelpunkt unterhält und dieser nach einer gewissen, vom Gesetzgeber unterschiedlich eingeschätzten Dauer als bewahrenswerter angesehen wird als ein gegengerichtetes Interesse des Vermieters auf anderweitige Nutzung der schon einmal zur entgeltlichen Fremdnutzung auf den Wohnungsmarkt gebrachten Wohnung.

Die genannte Bestimmung kann daher durch den Abschluß eines neuen Mietvertrages anstelle einer Vertragsverlängerung nicht mit dem Ziel umgangen werden, das wirklich beabsichtigte Geschäft - Verlängerung des ersten Mietvertrages - zu verschleiern. Nach der Rechtsprechung sind aber auch andere ähnliche Versuche, die Eingriffsnormen des Mietengesetzes zu umgehen, einem solchen Kettenvertrag gleichzuhalten. Eine Umgehung der Bestimmungen über die Zulässigkeit befristeter Bestandverhältnisse durch Kettenmietverträge muß im Fall des Abschlusses mehrerer zeitlich aufeinanderfolgender Verträge durch dieselben Vertragsparteien über verschiedene Bestandobjekte im selben Haus immer dann angenommen werden, wenn kein objektiver Grund für den Wohnungstausch vorliegt.

In den bisher entschiedenen Fällen wurde offen gelassen, ob solche Umgehungsgeschäfte auch bei anderen Fallgruppen, insbesondere bei Abschluß eines neuen Mietvertrages betreffend eine Wohnung in einem anderen Haus desselben Vermieters, vorliegen könnten. Letzterer Fall liegt hier vor. Die klagende Partei hat mit dem Beklagten neuerlich einen ein Jahr nicht überschreitenden Mietvertrag über eine nahezu gleichartige Wohnung zu nahezu gleichen Bedingungen in einem ihr ebenfalls gehörigen Haus in unmittelbarer Nähe der früheren Wohnung des Beklagten abgeschlossen. Auch hiefür waren keine objektiven Gründe gegeben; die klagende Partei bringt in ihrer Revisionsbeantwortung selbst vor, sie habe nur eine - in ihren Augen zulässige - Befristungsmöglichkeit des Gesetzes genützt. Es liegt daher ein unzulässiges Umgehungsgeschäft vor.

Daran ändert auch nichts, daß der Beklagte aus der zweiten Wohnung - in offenbarer Unkenntnis der Rechtslage, daß er ein bereits unbefristetes Mietrecht erworben hatte - ausgezogen ist, und sich zum Abschluß eines Mietvertrages über die nunmehrige Wohnung bereit fand. Ein anderer Grund des beklagten Ausländers zu seinem neuerlichen Umzug ist nicht erkennbar. Es ist evident, daß die klagende Partei mit ihrer nunmehrigen Vorgangsweise die ihr bekannte oberstgerichtliche Rechtsprechung zu umgehen versuchte; mehrere der (zitierten) Vorentscheidungen betreffen von ihr geschlossene unzulässige Kettenverträge.

Die in der berufungsgerichtlichen Entscheidung (S. 7) geäußerte Ansicht, jeder Vermieter, der einen dem Gesetz nach wirksam befristeten Mietvertrag abschließe, müßte bei Aufrechterhaltung der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fürchten, daß der Mieter unmittelbar zuvor irgendeine andere Wohnung eines anderen Vermieters bereits befristet gemietet gehabt hätte und ihm daher die wegen objektiver Umgehung des § 29 Abs 1 Z 3 MRG anzurechnende Vorzeit der vorangegangenen Vermietung mit der Wirkung der Unauflöslichkeit seines Mietvertrages durch Zeitablauf anzurechnen sei, geht von einem hier nicht vorliegenden Fall aus; eine derartige Ansicht ist der bisherigen oberstgerichtlichen Judikatur auch der Tendenz nach nicht zu entnehmen. Unmittelbar aneinanderfolgende befristete Mietverträge mit verschiedenen Vermietern könnten den Tatbestand wohl nur dann erfüllen, wenn auf Vermieterseite verschiedene Vermieter lediglich zur Umgehung zusammenwirken.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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