OGH 6Ob527/93

OGH6Ob527/9315.4.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Redl, Dr.Kellner und Dr.Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ö***** Gemeinnützige Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Wolfgang Grogger, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Ali K*****, vertreten durch Dr.Michaela Tulipan Rechtsanwältin in Wien, wegen Räumung einer Mietwohnung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das zum Urteil des Bezirksgerichtes Fünfhaus vom 26.Mai 1992, GZ 6 C 1503/91-12, ergangene Berufungsurteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 11.November 1992, AZ 41 R 768/92(ON 17), in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird stattgegeben und das angefochtene Berufungsurteil in dem Sinn abgeändert, daß das auf Räumung der ***** aus Zimmer, Kabinett und Küche bestehenden Wohnung top Nr 6 und 7 gerichtete Klagebegehren abgewiesen wird.

Die Klägerin ist schuldig, dem Beklagten die mit 13.152,96 S bestimmten Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen (darin enthalten an Barauslagen 3.720 S und an Umsatzsteuer 1.572,16 S) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der damals 22 Jahre alte Beklagte war aus der Türkei nach Wien zugezogen, hatte etwa ein Jahr lang bei seinem Bruder in dessen Mietwohnung im 15.Bezirk gewohnt und dann eine Wohnung in einem der klagenden Gesellschaft gehörenden, im 10.Bezirk gelegenen Haus mit einem auf sechs Monate befristeten Mietvertrag in Bestand genommen. Nach Ablauf der vereinbarten Mietdauer hat die Klägerin durch ihre Hausverwaltungsgesellschaft eine fortdauernde Benützung der Wohnung im 10.Bezirk durch den Beklagten abgelehnt, ihm aber die Anmietung einer Wohnung in einem ihr gehörenden Haus im 15.Bezirk angeboten.

Der Beklagte mietete hierauf die aus Zimmer und Küche bestehende Wohnung top Nr.15 mit einer ausgewiesenen Nutzfläche von 28,67 m2 für die Zeit vom 17.Januar bis 31.Dezember 1990, mit dessen Ablauf das Mietverhältnis ohne Kündigung im Sinn des § 29 Abs 1 Z 3 Buchstabe c MRG erlöschen sollte. Als sich der Beklagte vor Ablauf der schriftlich vereinbarten Mietdauer an die von der Klägerin mit der Hausverwaltung betraute Gesellschaft wegen einer Vertragsverlängerung wandte, lehnte die Klägerin durch ihre Hausverwaltung zwar diesen Wunsch des Mieters ab, schlug ihm aber einen Wohnungstausch mit dem polnischen Mieterehepaar vor, das die unterhalb der Wohnung top Nr.15 im selben Haus gelegene Wohnung top Nr.6 und 7 bewohnte. Im Sinne dieses Anbotes mietete der Beklagte für das Halbjahr vom 1.Januar bis 30. Juni 1991 die aus Zimmer, Kabinett und Küche bestehende Wohnung top Nr.6 und 7 mit einer ausgewiesenen Nutzfläche von 56,78 m2. In der Mietvertragsurkunde wurde im Sinne des § 29 Abs 1 Z 3 Buchstabe c MRG ausdrücklich festgehalten, daß das Mietverhältnis durch den Ablauf der bedungenen Zeit ohne Kündigung erlösche. Der Beklagte wollte mit Rücksicht auf die Niederkunft seiner Ehefrau die in Vollziehung des Wohnungstausches erforderliche Übersiedlung verschieben, führte sie aber auf eine durch die Hausverwaltung fernmündlich ausgesprochene Androhung der Räumung hin tatsächlich durch.

Mit ihrer am 12.Juli 1991 angebrachten Klage begehrte die Klägerin im Hinblick auf den Ablauf der sechsmonatigen Bestanddauer die Räumung der Mietwohnung.

Der - anwaltlich vertretene - Beklagte wendete das Vorliegen eines unzulässigen "Kettenmietvertrages" ein, weil der Beklagte von der Klägerin vom 17.Januar bis 31.Dezember 1990 die Wohnung top Nr 15 und im unmittelbarn Anschluß daran vom 1.Januar bis 30.Juni 1991 die im selben Haus gelegene Wohnung top Nr 6 und 7 gemietet habe, nachdem er zuvor in einem anderen Haus der Klägerin mit einem halbjährigen Zeitmietvertrag eine Wohnung in Bestand gehalten habe.

Die Klägerin bestritt das Vorliegen eines unzulässigen Kettenmietvertrages. Die Befristung des Mietvertrages über die nun zu räumende Wohnung habe die Klägerin mit Rücksicht auf eine für Herbst 1991 vorgesehen gewesene Renovierung im Rahmen der aus öffentlichen Mitteln geförderten Althaussanierung vorgenommen.

Das Prozeßgericht erster Instanz gab dem Räumungsbegehren statt. Es ging von einer im Sinne des § 29 Abs 1 Z 3 Buchstabe c MRG wirksamen Befristung des Mietvertrages über die zu räumende Wohnung aus und nahm keine unzulässige Umgehung der Jahresfrist durch Abschluß eines Mietvertrages über eine andere Wohnung im selben Haus an.

Das Berufungsgericht bestätigte das klagsstattgebende erstinstanzliche Urteil. Dazu sprach es aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Es teilte die erstrichterlichen Rechtsansichten und erachtete, der in der Zwischenzeit ergangenen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (Entscheidung vom 9.Juli 1992, 7 Ob 577/92, mittlerweile veröffentlicht in WoBl 1992, 226 mit Anmerkung von Würth; ecolex 1992, 843 mit Anmerkung von Hausmann und JBl 1993, 192) über das Vorliegen eines unzulässigen Umgehungsgeschäftes nicht folgen zu können. Der Schutzzweck der mietrechtsgesetzlichen Regelungen über Zeitmietverträge sei darin zu sehen, daß ein Mieter nicht durch wiederholten Abschluß befristeter Mietverträge über eine Wohnung sich in Sicherheit wiege, er werde diese benützte Wohnung immer wieder mieten können und sich im Vertrauen darauf zu größeren Investitionen etwa auch in eine Substandardwohnung verleiten ließe. Nach dem Gesetzeswortlaut sei auch nicht auf die Person des Mieters, sondern auf den Hauptmietvertrag über eine (bestimmte) Wohnung abzustellen. Zwischen den Mietverträgen über zwei verschiedene Wohnungen könne keine erhebliche wirschaftliche Einheit erkannt werden.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Beklagten erhobene Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht bewußt von der jüngsten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgewichen ist.

Das Rechtsmittel ist auch berechtigt, weil die mit Beispielen zu Fallgruppen, die für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreites in keiner Weise aktuell sind, versuchte berufungsgerichtliche Argumentation zur Sinnwidrigkeit nicht von der Unrichtigkeit der in der oben zitierten Entscheidung getroffenen Wertung zu überzeugen vermag, daß im Abschluß eines Zeitmietvertrages im unmittelbaren Anschluß an einen solchen über eine andere Wohnung im selben Haus, wenn zwar nicht die Dauer des zweiten Vertrages, wohl aber die Gesamtdauer beider Verträge die nach § 29 Abs 1 Z 3 Buchstabe c MRG erheblichen Zeiträume übersteigt, regelmäßig ein Umgehungsgeschäft anzunehmen ist.

Die in der Entscheidung vom 9.Juli 1992, 7 Ob 577/92 dargelegten Rechtsansichten werden ungeachtet der berufungsgerichtlichen Ausführungen voll aufrechterhalten.

Im Falle eines vom Mieter gegen den Willen des Vermieters durchgesetzten Wohnungstausches käme es zu einem Vertragseintritt auf

der Vermieterseite, der das Mietverhältnis als solches fortbestehen ließe; würden in Anerkennung des berechtigten Wunsches des Mieters nach einem Wohnungstausch jeweils neue Mietverträge abgeschlossen, vermöchte dies an der wirtschaftlichen Einheit der Verträge nichts zu ändern. Vergleichbares muß aber auch im umgekehrten Fall eines vom Vermieter objektiv nur mit dem Streben nach Bewahrung der Auflösbarkeit des Mietverhältnisses nach § 29 Abs 3 MRG begründbaren Verlangens nach einem Wohnungstausch gelten.

Entgegen den berufungsgerichtlichen Ausführungen strebt § 29 Abs 3 MRG offensichtlich nicht eine Sicherung der tatsächlichen Beendigung von Zeitmietverträgen um deren selbst willen an, sondern bezweckt, einen Mieter vor Ausnützung seiner als schutzwürdig unterstellten Lage bei der Vorsorge für den als elementar und daher sozial besonders schutzwürdig erkannten Wohnbedarf zu bewahren. Die vom Berufungsgericht angenommene Erwägung, den Mieter vor verlorenem Investitionsaufwand zu schützen, kann nicht als gesetzlich primär angestrebter Schutzzweck erkannt werden, weil die vom Berufungsgericht zugrundegelegte Hoffnung auf fortdauernde Wohnungsbenützung nach den eigenen Ausführungen des Berufungsgerichtes erst im Fall mehrfacher Verlängerung geweckt werden könnte, ganz zweifelsfrei aber schon die erstmalige Überschreitung der jeweiligen gesetzlich vorgesehenen Höchstdauer die automatische Auflösung des Mietverhältnisses durch Ablauf der vereinbarten Zeit ausschließt.

Der Gesetzgeber anerkennt und schützt das unterstellte Interesse einer Person an der Aufrechterhaltung eines mietvertraglich abgesicherten Rechtes auf Wohnungsbenützung, weil der Mieter typischerweise in einer Mietwohnung seinen Lebensmittelpunkt unterhält und dieser nach einer gewissen, vom Gesetzgeber unterschiedlich eingeschätzten Dauer als bewahrenswerter angesehen wird als ein gegengerichtetes Interesse des Vermieters auf anderweitige Nutzung der schon einmal zur entgeltlichen Fremdnutzung auf den Wohnungsmarkt gebrachten Wohnung.

Dies ist nicht nur für den Fall einer mietvertraglich eingeräumten Nutzungsmöglichkeit an einer bestimmten Wohnung anzunehmen, sondern auf alle in der Verfügungsmacht des Vermieters befindlichen Wohnungen in ein und demselben Haus zu erstrecken. Die Frage, auf welche Fallgruppen der Schutzgedanke darüber hinaus auch noch durchschlagen könnte, um ein Umgehungsgeschäft annehmen zu müssen, ist zur Lösung des anhängigen Rechtsstreites nicht zu entscheiden.

Der Oberste Gerichtshof hält aus den dargelegten Erwägungen an seiner Rechtsansicht fest, daß ein auf Wunsch des Mieters nach Verlängerung seines Zeitmietvertrages über die nach § 29 Abs 3 MRG erhebliche Dauer hinaus über Gegenvorschlag des Vermieters zustande gekommener Wohnungstausch mit einer im selben Haus gelegenen Mietwohnung das Mietverhältnis über die Tauschwohnung durch bloßen Zeitablauf unauflösbar macht.

In Stattgebung der Revision war daher das Räumungsbegehren abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 ZPO, hinsichtlich der Kosten des Rechtsmittelverfahrens im Zusammenhang mit § 50 ZPO.

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