OGH 2Ob582/94

OGH2Ob582/9424.11.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Georg V*****, 2. Viktor V*****, und 3. Anna S*****, sämtliche vertreten durch Dr.Hans Houska, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei ***** M*****, vertreten durch Dr.Michaela Tulipan, Rechtsanwältin in Wien, wegen Räumung, infolge Rekurses der klagenden Parteien gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 6.Juli 1994, GZ 48 R 443/94-11, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Döbling vom 20.Dezember 1993, GZ 4 C 1039/93-6, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die drei Kläger und Hilde V***** sind Miteigentümer der Liegenschaft in ***** Wien, S*****gasse 18-20, wobei der Anteil von Hilde V***** ein Neuntel ausmacht. Weiters sind die Kläger (Hilde V***** hingegen nicht) Miteigentümer des Hauses in ***** Wien, P*****gasse 12.

Mit Mietvertrag vom 25.10.1991 mietete der Beklagte die Wohnung top.Nr.36 in dem Haus S*****gasse 18-20 für den Zeitraum vom 1.10.1991 bis 30.9.1992. Im Anschluß daran wurde am 10.11.1992 mit dem Beklagten ein Mietvertrag über die Wohnung top.Nr.35 in diesem Haus geschlossen, der vom 1.11.1992 bis 30.4.1993 dauerte. Mit Mietvertrag vom 27.1.1993 vermieteten die Kläger dem Beklagten die Wohnung top.Nr.13 in dem Haus ***** Wien, P*****gasse 12, wobei das Mietverhältnis am 1.2.1993 begann und am 31.7.1993 endete. Bereits mit Schreiben vom 22.7.1993, also vor Ablauf der vereinbarten Bestandzeit, forderte die Hausverwaltung namens der Kläger den Beklagten auf, die Wohnung am 31.7.1993 geräumt von seinen Fahrnissen zu übergeben. Da der Beklagte dieser Aufforderung nicht nachkam, wurde ihm in einem weiteren Schreiben der Hausverwaltung am 4.8.1993 eine 14tägige Nachfrist gesetzt. Der Beklagte hat die Wohnung nicht geräumt.

Die Kläger begehren die Räumung der Wohnung top.Nr.13 im Haus ***** Wien, P*****gasse 12 wegen Ablaufes der vereinbarten Bestandzeit.

Der Beklagte wendete ein, es liege ein unzulässiger Kettenmietvertrag vor, welcher lediglich zur Umgehung der Bestimmung des § 29 MRG abgeschlossen worden sei. Die Bestimmung des § 29 Abs.1 Z 3 lit.c MRG könne nicht dadurch umgangen werden, daß statt einer Mietvertragsverlängerung ein neuer Mietvertrag im Sinne eines Kettenmietvertrages abgeschlossen werde. Es sei nach Ablauf des im ersten Mietvertrag vereinbarten Zeitraumes ein neuerlicher Mietvertrag über eine im wesentlichen gleichartige Wohnung im selben Haus und sodann ein dritter Mietvertrag über eine dritte gleichartige Wohnung in einem anderen Haus, welches ebenfalls im Eigentum der Vermieter stehe, abgeschlossen worden. Der Beklagte sei daher so zu behandeln, als stelle der Mietvertrag nur eine Verlängerung des bereits über ein Jahr bestehenden Mietverhältnisses dar, sodaß wegen Überschreitung der Frist des § 29 Abs.1 Z 3 lit.c MRG der Mietvertrag nicht durch Zeitablauf aufgelöst worden sei.

Während das Erstgericht, ausgehend vom eingangs wiedergegebenen Sachverhalt, dem Klagebegehren stattgab, hob das Berufungsgericht das angefochtene Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück.

Das Berufungsgericht vertrat unter Hinweis auf die Entscheidung 8 Ob 631/93 die Ansicht, es sei von unzulässigen Kettenmietverträgen auszugehen. Der Abschluß von Kettenmietverträgen im Sinne nachfolgender befristeter Verträge über dasselbe Bestandobjekt sei nicht nur zwischen denselben Vertragsparteien unzulässig, sondern seien auch ähnliche Versuche, die Eingriffsnormen des Mietrechtsgesetzes zu umgehen, unzulässig. Darunter falle auch der Abschluß von weiteren befristeten Verträgen über dasselbe Bestandobjekt mit Hausgenossen des bisherigen Mieters oder aber der Abschluß befristeter Kettenmietverträge über verschiedene Objekte desselben Vermieters im selben Haus, ohne daß ein objektiver Grund für den Wohnungstausch vorliege. Dies gelte auch dann, wenn ohne erkennbaren objektiven Grund befristete Mietverträge in verschiedenen Häusern desselben Vermieters abgeschlossen werden. Wenngleich im vorliegenden Fall nicht völlige Vermieteridentität bestehe, sei zu beachten, daß die nunmehrigen Kläger als Mehrheitseigentümer auch Vertragspartner des Beklagten hinsichtlich der Mietobjekte im Haus S*****gasse 18-20 gewesen seien, wobei der Beklagte auch im Rahmen dieses Vertragsverhältnisses zumindest einmal im selben Haus nach Ablauf eines befristeten Mietverhältnisses die Wohnung tauschte. Auch im vorliegenden Fall könne im weitesten Sinne von einer wirtschaftlichen Einheit der abgeschlossenen Verträge ausgegangen werden, seien doch die nunmehrigen Vermieter ident mit der Verwaltungsmehrheit des bisherigen Bestandgebers.

Der Beklagte habe im erstinstanzlichen Verfahren sowohl eingewendet, es liege ein unzulässiger Kettenmietvertrag vor, als sich auch auf das Vorliegen im wesentlichen gleichartiger Wohnungen berufen. Eine Erörterung dieser Sachverhaltsbehauptungen - insbesondere im Hinblick auf eine Konkretisierung des Vorbringens zur Gleichartigkeit der Wohnungen - sei infolge der vom Berufungsgericht nicht geteilten Rechtsansicht des Erstgerichtes nicht erfolgt. Das Erstgericht werde daher im fortgesetzten Verfahren zunächst das Vorbringen der beklagten Partei zu erörtern und im Falle der konkreten Bestreitung durch die klagenden Parteien der beklagten Partei Gelegenheit zur Konkretisierung ihres Vorbringens zur Dartuung der Umgehungsabsicht zu ermöglichen haben; gegebenenfalls werde nach Aufnahme von Beweisen neuerlich zu entscheiden sein.

Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof wurde für zulässig erklärt, weil eine Rechtsprechung zur Frage der Möglichkeit der Umgehung der Befristungsbestimmungen des § 29 MRG durch Abschluß von Kettenverträgen bei mangelnder Vermieteridentität nicht gegeben sei.

Dagegen richtet sich der Rekurs der klagenden Parteien mit dem Antrag, das Urteil des Erstgerichtes zu bestätigen, in eventu, das Berufungsgericht anzuweisen, eine Entscheidung in der Sache selbst zu tätigen.

Die beklagte Partei hat Rekursbeantwortung erstattet und beantragt, dem Rechtsmittel der klagenden Parteien keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Die klagenden Parteien vertreten in ihrem Rechtsmittel die Ansicht, der vom Berufungsgericht dem Erstgericht erteilte Auftrag, den Sachverhalt näher zu erörtern, sei unzulässig, weil der Beklagte rechtsfreundlich vertreten sei; es sei nicht Aufgabe des Gerichtes, den Parteien Anleitungen darüber zu geben, welches Vorbringen sie zu erstatten hätten.

Im übrigen seien im Hinblick auf die Verschiedenheit der Vermieter unzulässige Kettenmietverträge nicht gegeben. Würde man auch bei verschiedenen Häusern eine unzulässige Umgehung des MRG annehmen, würde dies bedeuten, daß dort, wo mehrere Häuser von einer Hausverwaltung verwaltet werden, diese ständig darauf bedacht sein müßte, nicht hintereinander Mietverträge mit demselben Mieter in diesen Häusern abzuschließen, um nicht die diversen Hauseigentümer der Gefahr auszusetzen, unzulässige Kettenmietverträge abzuschließen.

Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden:

Was die Frage der ergänzenden Erörterung des Sachverhaltes betrifft, ist den klagenden Parteien entgegenzuhalten, daß durch die beklagte Partei sowohl vorgebracht wurde, es liege ein unzulässiger Kettenmietvertrag vor, als auch, die Mietverträge hätten sich auf im wesentlichen gleichartige Wohnungen bezogen. Es geht daher nicht darum, daß das Erstgericht die beklagte Partei zu einem neuen Vorbringen anzuleiten haben wird, sondern darum, daß im Sinne des § 182 ZPO im Rahmen des Vorgebrachten alle entscheidungserheblichen Angaben gemacht und alle nötigen Aufschlüsse gegeben werden. § 182 ZPO gilt auch im Anwaltsprozeß (Fucik in Rechberger, ZPO Rz 1 zu § 182). Insoweit aber das Berufungsgericht Beweisaufnahmen für nötig erachtet, kann dies vom Obersten Gerichtshof nicht weiter überprüft werden (Kodek in Rechberger, ZPO, Rz 5 zu § 519).

Zutreffend ist das Berufungsgericht auch davon ausgegangen, daß im vorliegenden Fall trotz Fehlens einer gänzlichen Vermieteridentität unzulässige Kettenmietverträge vorliegen können.

Gemäß § 29 Abs.1 Z 3 lit.c MRG in der damals geltenden Fassung wird ein Mietvertrag über eine Wohnung durch Zeitablauf aufgelöst, wenn dies schriftlich vereinbart worden ist und die ursprüngliche oder verlängerte Vertragsdauer ein Jahr nicht übersteigt. Die Zeiten wirtschaftlich als Einheit zu betrachtender Verträge sind danach zusammenzurechnen. Kettenverträge sind als Einheit zu sehen und lösen bei Überschreitung von Höchstfristen die entsprechenden Rechtsfolgen, nämlich unbefristete Mietverträge aus (Würth in Rummel2, Rz 7 zu § 29 MRG). Der Gesetzgeber anerkennt und schützt nämlich das unterstellte Interesse einer Person an der Aufrechterhaltung eines mietvertraglich abgesicherten Rechtes auf Wohnungsbenützung, weil der Mieter typischerweise in einer Mietwohnung seinen Lebensmittelpunkt unterhält und dieser nach einer gewissen, vom Gesetzgeber unterschiedlich eingeschätzten Dauer als bewahrenswerter angesehen wird, als ein gegengerichtetes Interesse des Vermieters auf anderweitige Nutzung der schon einmal zur entgeltlichen Fremdnutzung auf den Wohnungsmarkt gebrachten Wohnung (8 Ob 631/93 zum Teil veröffentlicht in ecolex 1994, 535). Die Bestimmung des § 29 Abs.1 Z 3 lit.c MRG kann daher durch den Abschluß eines neuen Mietvertrages anstelle einer Vertragsverlängerung nicht mit dem Ziel umgangen werden, das wirklich beabsichtigte Geschäft - Verlängerung des ersten Mietvertrages - zu verschleiern. Eine Umgehung der Bestimmungen über die Zulässigkeit befristeter Bestandverhältnisse liegt im Fall des Abschlusses mehrerer zeitlich aufeinanderfolgender Verträge durch dieselben Vertragsparteien über verschiedene Bestandobjekte sowohl im selben als auch in einem anderen Haus desselben Vermieters immer dann vor, wenn kein objektiver Grund für den Wohnungstausch vorliegt (ecolex 1994, 535). Unmittelbar aufeinanderfolgende befristete Verträge mit verschiedenen Vermietern können den Tatbestand grundsätzlich nur dann erfüllen, wenn auf Vermieterseite verschiedene Vermieter lediglich zur Umgehung zusammenwirken (8 Ob 631/93). Der vorliegende Fall ist dadurch gekennzeichnet, daß weder eine völlige Identität der Vermieter gegeben ist noch, daß diese völlig verschieden sind. Die Eigentümer des Hauses, in dem sich die hier klagsgegenständliche Wohnung befindet, sind auch Mehrheitseigentümer eines anderen Hauses in dem die zuvor vom Beklagten gemieteten Wohnungen gelegen sind. Die Kläger haben daher auch hinsichtlich dieses Hauses (S*****gasse 18-20) über den Abschluß von Mietverträgen bestimmen können (Gamerith in Rummel2, Rz 5 zu § 833). Es sind daher in beiden Häusern dieselben Personen zur Entscheidung darüber befugt, ob und welche Mietverträge abgeschlossen werden. In einer derartigen Situation ist trotz (teilweiser) Vermieterverschiedenheit davon auszugehen, daß eine Umgehung der Bestimmungen über die Zulässigkeit befristeter Bestandverhältnisse im Fall des Abschlusses mehrerer zeitlich aufeinanderfolgender Verträge über verschiedene gleichartige Wohnungen dann gegeben ist, wenn kein objektiver Grund für den Wohnungstausch vorliegt.

Dem unberechtigten Rekurs der klagenden Parteien war somit ein Erfolg zu versagen.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs.1 ZPO.

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