OGH 6Ob11/95

OGH6Ob11/954.5.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Redl, Dr.Kellner, Dr.Schiemer und Dr.Prückner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.B***** C*****, vertreten durch Dr.Andrea Wukovits, Rechtsanwältin in Wien, wider die beklagte Partei Roman S*****, vertreten durch Dr.Christian Ebert und Dr.Thomas Huber, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert im Provisorialverfahren: 240.000 S), infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 2.Februar 1995, AZ 17 R 15/94 (ON 24), womit der Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 5.Dezember 1994, GZ 8 Cg 189/94m-11, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof gemäß §§ 402 Abs 4, 78 EO und § 526 Abs 2, letzter Satz, ZPO nicht bindenden - Ausspruch des Rekursgerichtes über die Zulässigkeit des ordentlichen Revisionsrekurses gegen seinen abändernden Beschluß liegen die Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO hier nicht vor:

§ 1330 Abs 1 ABGB schützt die Ehre der (natürlichen oder juristischen) Person, § 1330 Abs 2 ABGB ihren wirtschaftlichen Ruf. Ehre und wirtschaftlicher Ruf sind absolute Rechte (MR 1993, 221 - No Problem Orchester mwN); deren Schutz ist umfassend und nicht bloß auf die strafgesetzlichen Tatbestände beschränkt. Eine Ehrenbeleidigung nach bürgerlichem Recht ist vielmehr schon jedes der Ehre eines anderen nahetretende Verhalten, ohne daß es darauf ankommt, ob im konkreten Fall auch eine strafrechtliche Ahndungsmöglichkeit besteht (SZ 64/182 = JBl 1992, 326 = EvBl 1992/65 = ecolex 1992, 233 = ÖBl 1992, 51 - Opernball-Demo II; ÖBl 1992, 140 - Politiker als Schnupfer; ÖBl 1992, 213 - Untersuchungsausschuß Magdalen; MR 1993, 57 - Katastrophenbudget; ÖBl 1993, 84 - Jubelbroschüre uva, zuletzt etwa 6 Ob 1007/95).

Der vorliegende Fall ist dadurch gekennzeichnet, daß die Klägerin, welche in der Zeit vom Juni 1992 bis Februar 1993 Leiterin der Hauptabteilung "Gesellschaft, Jugend und Familie" des ORF gewesen ist, vom Beklagten die Unterlassung der Verbreitung einer angeblichen Äußerung des Inhalts begehrt, daß sie lesbisch sei und früher eine Beziehung mit einer namentlich genannten Ministerin gehabt habe. Die Klägerin stellt dabei die inhaltliche Richtigkeit der Behauptung gar nicht in Abrede; unrichtig sei aber, daß sie sich - wie der Beklagte im beanstandeten Artikel in der "N*****" vom 7.5.1994 geschrieben hat - mit einer solchen Äußerung beim Programmindendanten ***** M***** präsentiert und damit selbst ein persönliches "Outing" vorgenommen habe. Da aber die Unterlassung der Verbreitung einer insoweit unrichtigen Tatsachenbehauptung vom Sicherungsbegehren der Klägerin nicht umfaßt ist, kommt es auf die vom Beklagten diesbezüglich angebotene Wahrheitsbescheinigung nicht mehr an. Der Beklagte mißversteht daher auch die Bezugnahme des Rekursgerichtes auf § 1330 Abs 2 ABGB, mit welcher - wie schon die Bezugnahme auf die Entscheidung EvBl 1991/61 = MR 1991, 20 - Glückloser Unternehmer zeigt - nur zum Ausdruck gebracht worden ist, daß es sich bei der von der Klägerin beanstandeten Äußerung um eine (wahre) Tatsachenbehauptung handelt. Es gibt nämlich auch ehrenbeleidigende Tatsachenbehauptungen, also solche, die zugleich eine Ehrenbeleidigung im Sinne des § 1330 Abs 1 ABGB sind (EvBl 1991/61 = MR 1991, 20 - Glückloser Unternehmer; ÖBl 1992, 140 - Politiker als Schnupfer; ÖBl 1992, 213 - Untersuchungsausschuß Magdalen; MR 1993, 55 - Lügen haben kurze Beine; MR 1993, 101 - Rechnungshofpräsident; MR 1995, 16 - Sauerei). Daß aber in der öffentlichen Bekanntgabe der Homosexualität eines Menschen und ebensolcher früherer Beziehungen zu einem bestimmten Partner eine Ehrenbeleidigung im Sinne des § 1330 Abs 1 ABGB liegt, kann schon deshalb nicht zweifelhaft sein, weil ungeachtet der Abschaffung der allgemeinen Strafbarkeit der "gleichgeschlechtlichen Unzucht" durch das StrafrechtsänderungsG 1971, BGBl 273 derartige geschlechtliche Praktiken nach wie vor aufgrund der in der Gesellschaft vorherrschenden Wertvorstellungen stark diskriminierend sind (so auch die Bundesregierung in ihrer Äußerung zu VfSlg 12.182/1989). Der in der beanstandeten Mitteilung enthaltene Verhaltensvorwurf in bezug auf die weibliche Homosexualität der Klägerin ist daher geeignet, diese wegen ihrer diffamierenden Wirkung in der öffentlichen Meinung verächtlich zu machen oder herabzusetzen (§ 111 StGB).

Liegt aber eine Ehrenbeleidigung durch Verbreiten wahrer Tatsachen vor, kann deren Rechtswidrigkeit nur aufgrund einer umfassenden Interessenabwägung beurteilt werden (EvBl 1991/61 = MR 1991, 20 - Glückloser Unternehmer; ÖBl 1994, 82 - Nazijournalismus mwN). Dabei steht der Anspruch der Klägerin gemäß Art 8 MRK auf Achtung ihrer Intimsphäre (H.Mayer, Das österreichische Bundes-Verfassungsrecht 443; VfSlg 12.182/1989) der ebenso jedermann garantierten Meinungsfreiheit (Art 10 MRK; Art 13 StGG) gegenüber (vgl § 7 MedienG). Hier muß aber das Interesse der Klägerin auf Achtung ihres nicht öffentlich in Erscheinung getretenen Sexualverhaltens schon deshalb überwiegen, weil sie zum Zeitpunkt der Verbreitung der beanstandeten Mitteilung durch den Beklagten seit mehr als einem Jahr nicht mehr in einer die Öffentlichkeit interessierenden Funktion beim ORF tätig gewesen ist. Das schließt bereits ein überwiegendes Informationsbedürfnis der Allgemeinheit an einer solchen Mitteilung aus, sodaß die Interessen der Klägerin unnötig verletzt worden sind (EvBl 1991/61 = MR 1991, 20 - Glückloser Unternehmer; ÖBl 1994, 82 - Nazijournalismus).

Entgegen der Meinung des Beklagten steht aber nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (ÖBl 1994, 82 - Nazijournalismus; ÖBl 1994, 118 - Exekutionsanträge; MR 1995, 16 - Sauerei uva) dem Verletzten zum Schutz gegen Ehrenbeleidigungen auch ohne die besonderen Voraussetzungen des § 1330 Abs 2 ABGB für den Widerruf und dessen Veröffentlichung ein - verschuldensunabhängiger (Korn/Neumayer, Persönlichkeitsschutz im Zivil- und Wettbewerbsrecht 73 mwN) - Unterlassungsanspruch zu. Der vom Rekurs angenommene Fortbestand der Wiederholungsgefahr steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (ÖBl 1994, 82 - Nazijournalismus mwN).

Aus diesen Erwägungen war der Revisionsrekurs zurückzuweisen (§§ 78, 402 Abs 4 EO; §§ 510 Abs 3, letzter Satz, 528 a ZPO).

Die Klägerin hat in ihrer Revisionsrekursbeantwortung auf den vorliegenden Zurückweisungsgrund hingewiesen; sie hat daher gemäß § 393 Abs 1 EO die Kosten der Rechtsmittelschrift (nur) vorläufig selbst zu tragen.

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