OGH 13Os18/95

OGH13Os18/9515.3.1995

Der Oberste Gerichtshof hat am 15.März 1995 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Markel, Dr.Mayrhofer, Dr.Ebner und Dr.Rouschal als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr.Schaumberger als Schriftführer in der Strafsache gegen Franz S***** und Angelika M***** wegen des Verbrechens nach § 12 Abs 1 und 3 Z 3 SGG und anderer strafbarer Handlungen über die von der Generalprokuratur zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck vom 17.November 1994, GZ 35 Vr 718/90-117, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Erster Generalanwalt Dr.Hauptmann, sowie der beiden Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck vom 17.November 1994, GZ 35 Vr 718/90-117, verletzt § 23 a Abs 2 SGG.

Gemäß § 292 StPO wird dieser Beschluß aufgehoben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung aufgetragen.

Text

Gründe:

Franz S***** und Angelika M***** wurden mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 3.Oktober 1991, GZ 35 Vr 718/90-62, des Verbrechens nach § 12 Abs 1 und 3 Z 3 SGG (Franz S***** überdies wegen § 16 Abs 1 SGG sowie §§ 223 Abs 1 und 2, 224, 229 Abs 1 und 231 Abs 1 StGB) schuldig erkannt und (unter Anrechnung von im Ausland erlittenen Strafen von je vier Monaten Freiheitsstrafe, § 66 StGB) zu Freiheitsstrafen (Franz S***** zwei Jahre, Angelika M***** vierzehn Monate, siehe ON 79) verurteilt.

Der Vollzug der verhängten Freiheitsstrafen wurde zunächst gemäß § 23 a Abs 1 SGG bis 30.September 1992 aufgeschoben (ON 88), vom Urteilsgericht jedoch in weiterer Folge eine Antragstellung auf nachträgliche Strafmilderung (§ 410 Abs 1 StPO, § 23 a Abs 2 SGG) hinsichtlich beider Verurteilten ohne Berücksichtigung der Ergebnisse einer ärztlichen Behandlung abgelehnt, weil eine ambulante Substitutionsbehandlung der Verurteilten keine ärztliche Behandlung im Sinne des § 23 a SGG darstelle (ON 112).

Mit Urteil vom 14.September 1994 (13 Os 129/94-6) stellte der Oberste Gerichtshof auf Grund einer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes fest, daß dieser Beschluß § 23 a SGG verletzt, hob ihn auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung auf, weil auch der Erfolg einer ambulanten Substitutionsbehandlung Grund für eine amtswegige Maßnahme nach § 23 a Abs 2 SGG sein kann und daher auf seine Eignung zur Erfüllung der spezialpräventiven Voraussetzungen des § 43 Abs 1 StGB für die Gewährung der bedingten Strafnachsicht im Wege des § 410 StPO zu prüfen ist.

Mit Beschluß vom 17.November 1994 wurde (in Übereinstimmung mit dem diesbezüglichen Antrag der Staatsanwaltschaft Innsbruck) das Gesuch der beiden Verurteilten auf nachträgliche Strafmilderung (der Sache nach die dem Erstgericht vorbehaltene Antragstellung an den Gerichtshof zweiter Instanz gemäß § 410 StPO, § 23 a Abs 2 SGG) abgelehnt. Dies wurde im wesentlichen damit begründet, daß insbesondere das von den beiden Verurteilten begangene Suchtgiftverbrechen (Aus- bzw Einfuhr von 139,7 Gramm Heroin, 39,5 Gramm Kokain, 204,7 Gramm einer Kokain-Amphetaminmischung und 51 Gramm Haschisch) so schwerwiegend sei, daß der Umstand der erfolgreichen Behandlung die Gewährung einer bedingten Strafnachsicht oder die Reduktion der Freiheitsstrafe keinesfalls rechtfertige. Im Hinblick auf die zahlreichen einschlägigen Vorstrafen der beiden Verurteilten und die Schwere der von ihnen gesetzten Straftaten bedürfe es sowohl aus spezial-, vor allem aber auch aus generalpräventiven Erwägungen, unbedingt des Vollzuges der ausgesprochenen Strafen (ON 117).

Der Strafvollzug ist aus Anlaß eines noch anhängigen Gnadenverfahrens gehemmt (ON 115).

Rechtliche Beurteilung

Die Ansicht des Landesgerichts Innsbruck verletzt - wie der Generalprokurator in seiner gemäß § 33 Abs 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend geltend macht - das Gesetz.

Obgleich das Landesgericht Innsbruck bei der neuerlichen Entscheidung über eine Antragstellung nach § 410 StPO gemäß § 293 Abs 2 StPO nicht an jene Ausführungen des Vorerkenntnisses des Obersten Gerichtshofes (13 Os 129/94-6), mit welchem unter Bezugnahme auf EvBl 1992/183 zum Gegenstand der nach § 23 a Abs 2 SGG vorzunehmenden Prüfung auf die Spezialität dieser Vorschrift des Suchtgiftgesetzes gegenüber § 43 StGB hingewiesen wurde (siehe zitiertes Erkenntnis S 8), gebunden war, hat das Landesgericht Innsbruck neuerlich gegen § 23 a SGG verstoßen.

Abs 2 leg cit verpflichtet nämlich das Gericht zu einer amtswegigen Prüfung, ob eine nachträgliche Milderung der nach dem Suchtgiftgesetz verhängten Freiheitsstrafe gemäß § 410 StPO durch Gewährung einer bedingten Strafnachsicht vorzunehmen ist, wenn ihm zur Kenntnis gelangt, daß sich ein dem Mißbrauch eines Suchtgiftes ergebener Rechtsbrecher nach Rechtskraft eines gegen ihn gefällten Strafurteils mit Erfolg einer ärztlichen Behandlung unterzogen hat.

Durch die Bestimmung des § 23 a SGG soll einerseits ein sonst nicht oder nicht in diesem Ausmaß möglicher Strafaufschub für die Durchführung der ärztlichen Behandlung eines Süchtigen (Abs 1) und andererseits die nachträgliche bedingte Strafnachsicht bei erfolgreichem Abschluß der Behandlung vorgesehen werden (Abs 2), womit für den erfaßten Täterkreis ein Anreiz, sich nicht nur einer "Entwöhnungsbehandlung" zu unterziehen, sondern diese Behandlung auch durchzustehen, geschaffen wurde. Die nachträgliche bedingte Strafnachsicht soll dahin wirken, daß sich der erfolgreich Behandelte auch in Zukunft "hält" (JA 586 BlgNr XVI.GP, 7, bei Mayerhofer-Rieder, Nebenstrafrecht3, Anm 1 zu § 23 a SGG).

Für die gemäß § 23 a Abs 2 SGG gebotene Prüfung, ob eine nachträgliche Milderung der über den Verurteilten wegen eines Suchtgiftdeliktes verhängten Freiheitsstrafe durch Gewährung einer bedingten Strafnachsicht vorzunehmen ist, weil sich der Rechtsbrecher mit Erfolg der ärztlichen Behandlung unterzogen hat, kommt es demnach nur auf den erfolgreichen Verlauf der Behandlung an (EvBl 1989/155); generalpräventive Erwägungen haben hiebei außer Betracht zu bleiben.

§ 23 a Abs 2 SGG ist insoweit zufolge seiner spezifischen Zielsetzung eine ganz spezielle Vorschrift (EvBl 1992/183; vgl auch Erlaß BMJ vom 29. Dezember 1994, GZ 703.022/12-II 2/94).

Die Überprüfung der angefochtenen Entscheidung im Wege einer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes ist auch zulässig, weil sich das Landesgericht Innsbruck bei Ablehnung der Aktenvorlage nach § 410 StPO an den Gerichtshof zweiter Instanz "vor allem (aber) auch" auf generalpräventive Erwägungen stützte und damit ein ihm nach § 23 a Abs 2 SGG nicht zustehendes Ermessen (auf Grund einer unrichtigen Rechtsansicht) ausübte (Mayerhofer-Rieder, StPO3, § 292 E 7 und 16). Nach der (im wesentlichen unsubstantiierten) Beschlußbegründung sprachen zwar auch Erwägungen der Spezialprävention gegen einen Antrag auf nachträgliche Strafmilderung. Doch das zusätzliche Heranziehen generalpräventiver Gesichtspunkte noch dazu unter deren besonderer Betonung führte zu einem nachteiligen Einfluß auf die Entscheidung. Die vom Landesgericht hervorgehobene Tatschwere fand vor allem ihren Niederschlag bereits in den verhängten Freiheitsstrafen in einem Ausmaß, welches die Anwendung des § 23 a Abs (1 und) 2 SGG nicht hindert. Ob und bejahendenfalls auf Grund welcher konkreten Umstände das Gewicht der Tat spezialpräventive Bedenken (auch) gegen eine nachträgliche Milderung der Freiheitsstrafe herbeiführt, geht aus der Beschlußbegründung keineswegs mit voller Bestimmtheit (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) hervor. Ebensowenig läßt der Hinweis auf zahlreiche einschlägige Vorstrafen erkennen, ob er sich nur auf spezialpräventive Überlegungen bezieht. Nach dem Suchtgiftgesetz verhängte Vorstrafen von Süchtigen stehen in der Regel, hier fallbezogen jedoch evidentermaßen, in engem Zusammenhang mit deren Drogenabhängigkeit. Wird diese Abhängigkeit, und damit die auf ihr beruhende Neigung zur illegalen Suchtgiftbeschaffung, durch eine Therapie (erfolgreich) bekämpft, dann steht die Vorstrafenbelastung nur bei exzeptioneller Fallgestaltung, deren Vorliegen konkret zu begründen wäre, einer auf dem Therapieerfolg beruhenden Wohlverhaltensprognose entgegen.

Zur Beseitigung der den Verurteilten durch die gesetzesverletzende Entscheidung erwachsenen Nachteile ist eine konkrete Maßnahme im Sinne des letzten Satzes des § 292 StPO geboten, weswegen wie im Spruch zu erkennen war. Bei der neuerlichen Entscheidung wird sich das Landesgericht Innsbruck im Zuge der neuerlichen Prüfung einer Antragstellung nach § 410 StPO, § 23 a Abs 2 SGG auf spezialpräventive Aspekte zu beschränken haben.

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