OGH 5Ob507/95

OGH5Ob507/9521.2.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schwarz, Dr.Floßmann, Dr.Adamovic und Dr.Baumann als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache Isaak S*****, vertreten durch die gerichtlich bestellte Sachwalterin Dr.Vera S*****, infolge Revisionsrekurses der Eltern des Betroffenen, Rakhmin S***** und Elisaweta J*****, beide vertreten durch Dr.Walter Schuppich und andere Rechtsanwälte in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 6. September 1994, GZ 44 R 703/94-91, womit der Rekurs der nunmehrigen Rechtsmittelwerber gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Donaustadt vom 28.März 1994, GZ 4 SW 1/90-82, zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Mit Beschluß des Bezirksgerichtes Donaustadt vom 4.7.1991 wurde die Rechtsanwältin Dr.Vera S***** zur Sachwalterin des am 1.7.1961 geborenen Isaak S***** bestellt, da dieser zufolge einer im Kindesalter erlittenen Meningitis an einer geistigen Behinderung leidet, durch die er bei der Erledigung behördlicher Angelegenheiten sowie bei Geldangelegenheiten, die über geringfügige Geschäfte des Alltags hinausgehen, auf fremde Hilfe angewiesen ist. Dementsprechend wurde die Sachwalterin mit der Verwaltung des Einkommens des Pflegebefohlenen, soweit es nicht für geringfügige Geschäfts des Alltags aufgeht, und mit seiner Vertretung gegenüber Ämtern und Behörden betraut.

Am 9.7.1993 stellte Djorde S*****, der Bruder des Pflegebefohlenen und selbst einmal dessen Sachwalter, den Antrag, die Sachwalterschaft aufzuheben (und Dr.Vera S***** als Sachwalter abzuberufen), weil nunmehr die Eltern des Betroffenen für ihn sorgen könnten. Das Erstgericht wies jedoch diesen "Antrag" aus Gründen, die hier nicht näher auszuführen sind, ab. Den dagegen von den Eltern des Pflegebefohlenen erhobenen Rekurs hat das Gericht zweiter Instanz mangels Rechtsmittellegitimation zurückgewiesen und ausgeführt:

Die nahen Angehörigen des Betroffenen hätten im Sachwalterschaftsverfahren grundsätzlich keine Parteistellung und daher auch keine Rekurslegitimation. Zwar bestimme § 281 Abs 1 ABGB, daß grundsätzlich eine dem Behinderten nahestehende Person zum Sachwalter zu bestellen sei; dies bedeute aber nicht, daß das Gesetz den nahen Famielienangehörigen des Betroffenen ein subjektives Recht auf Bestellung zum Sachwalter oder ein Antragsrecht im Sachwalterschaftsverfahren einräume. Von dritten Personen gestellte "Anträge" seien demnach bloß als Anregung zu werten (Pichler in Rummel2, Rz 4 zu § 273 ABGB).

Auch wenn nahe Angehörige des Betroffenen, wie jeder andere Dritte, die Einleitung oder Beendigung einer Sachwalterschaft anregen könnten, sei daraus keine Parteistellung ableitbar. Ein Rekursgericht stehe den nahen Verwandten eines Pflegebefohlenen in einem Rechtsfürsorgeverfahren nach ständiger Judikatur nur ausnahmsweise zu, wenn dies notwendig sei, um Gefahren vom Pflegebefohlenen abzuwenden (EvBl 1961/390; EvBl 1974/57; EFSlg 37.187; EFSlg 52.546). Im gegenständlichen Fall hätten die Rechtsmittelwerber gar nicht behauptet, daß durch den angefochtenen Beschluß das Wohl des Pflegebefohlenen gefährdet wäre, sondern sich hauptsächlich auf ihre Weltanschauung und ihr Familienverständnis berufen und damit vor allem eigene Interessen geltend gemacht. Ihre Parteistellung sei auch nicht daraus abzuleiten, daß das Erstgericht über den "Antrag" des Bruders des Betroffenen auf Beendigung der Sachwalterschaft sachlich entschied (und ihn abwies), statt ihn zurückzuweisen.

Der Beschluß des Rekursgerichtes enthält den Ausspruch, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Begründet wurde dies mit dem Fehlen erheblicher Rechtsfrage iSd § 14 Abs 1 AußStrG.

Im nunmehr vorliegenden ao Revisionsrekurs machen die Rechtsmittelwerber geltend, daß die Rechtsmittellegitimation naher Angehöriger des Betroffenen in Fragen der Aufrechterhaltung bzw Beendigung einer Sachwalterschaft noch zu klären sei. Die bisher vorliegende, vom Rekursgericht zitierte Judikatur habe sich nur mit der Bestellung eines Sachwalters beschäftigt. Im übrigen liege es sehr wohl im Interesse des Betroffenen, wenn seine Angelegenheiten im Familienverband erledigt würden, sodaß die Rechtsmittellegitimation naher Angehöriger, die dieses Ziel verfolgen, zu bejahen sei. Der Rechtsmittelantrag geht dahin, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Rekursgericht zurückzuverweisen.

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil zur Rechtsmittellegitimation naher Angehöriger des Betroffenen, die die Aufhebung der Sachwalterschaft anstreben, keine höchstgerichtliche Judikatur vorliegt; er ist jedoch nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 249 Abs 2 AußStrG steht gegen den Beschluß, mit dem ein Sachwalter bestellt wurde, nur dem Betroffenen, seinem Vertreter und dem bestellten Sachwalter das Rechtsmittel des Rekurses zu. Diese Bestimmung enthält, wie der OGH bereits entschieden hat, eine von § 9 AußStrG abweichende und auch abschließende Sonderregelung der Rechtsmittellegitimation. Anderen als den in § 249 Abs 2 AußStrG genannten Personen kommt demnach in Fragen der Bestellung eines Sachwalters, wozu etwa auch die Auswahl der Person des Sachwalters gehört, keine Rechtsmittelbefugnis zu (NZ 1986, 131 mwN).

Nun ordnet § 251 AußStrG an, daß die §§ 236 bis 250 AußStrG, darunter § 249 Abs 2 AußStrG mit seiner Umschreibung des Kreises der Rechtsmittelberechtigten, auch auf die Beendigung, die Einschränkung oder die Erweiterung der Sachwalterschaft entsprechend anzuwenden sind. Diese Bestimmung erfaßt unter anderem den hier zu entscheidenden Fall, daß eine Sachwalterschaft beendet werden soll, weil der Betroffene trotz gleich gebliebener Behinderung und Lebensaufgaben auf die Hilfe seines Sachwalters nicht mehr angewiesen ist, weil ihm nahe Angehörige ausreichende Unterstützung bei der Besorgung seiner Angelegenheiten anbieten (vgl Maurer, Sachwalterrecht, Anm 7 zu § 251 AußStrG). Selbst der von nahen Angehörigen des Betroffenen gewünschte Austausch des Sachwalters fällt darunter, da eine unter die Bestellung des Sachwalters zu subsumierende Auswahl seiner Person (vgl NZ 1986, 131) logischerweise auch im weiten Begriff der Beendigung der Sachwalterschaft wegen anderweitiger Hilfe für den Betroffenen Platz findet. In beiden Fällen stellen sich idente Probleme des Rechtsschutzes für den Betroffenen, der gemäß § 21 Abs 1 ABGB iVm § 236 AußStrG ohnehin auf die Pflicht des Gerichtes zur amtswegigen Wahrnehmung seiner Interessen bauen kann.

Wortlaut und Sinn der §§ 249 Abs 2, 251 AußStrG lassen daher nur den Schluß zu, daß gegen die Ablehnung einer Beendigung der Sachwalterschaft oder einer Abberufung bzw Auswechslung des Sachwalters neben dem Betroffenen, seinem Vertreter und dem bestellten Sachwalter nicht auch noch andere Personen das Recht zum Rekurs zukommt.

Unabhängig davon wäre der angefochtene Beschluß selbst dann zu bestätigen, wenn man § 249 Abs 2 AußStrG (iVm § 251 AußStrG) nicht als abschließende Regelung der Rechtsmittellegitimation in den dort angeführten Angelegenheiten begreift und sie nach den Grundsätzen der einschlägigen Judikatur zu § 9 AußStrG ausnahmsweise auch den nächsten Angehörigen des Pflegebefohlenen zugesteht. Eine solche nicht aus eigenen Rechten (etwa Vertretungsrechten, wie sie auch § 249 Abs 2 AußStrG erwähnt) abgeleitete Rechtsmittellegitimation nächster Verwandter wird vom OGH nämlich nur anerkannt, wenn anders die Interessen des Pflegebefohlenen nicht wirksam gewahrt werden können (RZ 1992, 91 mwN). Ein solcher Fall wäre - bezogen auf den vorliegenden Sachverhalt - überhaupt nur denkbar, wenn ein Mißbrauch der Vertretungsmacht durch die bestellte Sachwalterin zu befürchten wäre, der Pflegebefohlene also gegen die eigene, zu seinem Nachteil an der Sachwalterschaft festhaltende Vertreterin in Schutz genommen werden müßte. Derartiges haben die Rechtsmittelwerber nicht behauptet.

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden. Zu bemerken bleibt, daß das Revisionsrekursverfahren nicht zweiseitig war, weil die einschlägige Regelung des § 249 Abs 3 AußStrG nur für Sachentscheidungen, nicht auch für rein verfahrensrechtliche Beschlüsse gilt (vgl SZ 53/150).

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