OGH 10ObS18/95

OGH10ObS18/9514.2.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Bauer als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter Dr.Josef Fellner (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Helmut Stöcklmayer (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Manfred P*****, ohne Beschäftigung, ***** vertreten durch Dr.Gerhard Hiebler, Rechtsanwalt in Leoben, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, 1092 Wien, Roßauer Lände 3, wegen Invaliditätspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27.Oktober 1994, GZ 8 Rs 111/94-20, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Leoben als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 11.Juli 1994, GZ 23 Cgs 174/93-16, als Teilurteil bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid vom 20.5.1993 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers vom 26.8.1992 auf Invaliditätspension mit der Begründung ab, er sei nicht invalid.

Das Begehren der dagegen am 16.8.1993 erhobenen Klage richtet sich 1. auf Feststellung, "daß Invalidität in der Person der klagenden Partei vorliegt", 2. auf Leistung der Invaliditätspension im gesetzlichen Ausmaß ab 1.9.1992.

Die Beklagte wendete ein, daß der Kläger nicht invalid sei, und beantragte die Abweisung der Klage.

Das Erstgericht wies das Feststellungs- und das Leistungsbegehren ab; der Kläger gelte nicht als invalid iS des § 255 Abs 3 ASVG.

In der Berufung erklärte der Kläger, das erstgerichtliche Urteil seinem ganzen Inhalt nach anzufechten; er bezeichnete als Anfechtungsgründe Mangelhaftigkeit des Verfahrens, unrichtige Tatsachenfeststellung und Beweiswürdigung sowie unrichtige rechtliche Beurteilung und beantragte, das angefochtene Urteil durch Zuerkennung der Invaliditätspension im gesetzlichen Ausmaß ab 1.9.1992 und Festsetzung einer vorläufigen Zahlung von 9.700 S abzuändern; allenfalls wäre das angefochtene Urteil aufzuheben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Urteilsfällung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung teilweise Folge. Es bestätigte das erstgerichtliche Urteil "in der Abweisung des Begehrens auf Feststellung des Vorliegens der Invalidität des Klägers" als Teilurteil; im übrigen hob es das angefochtene Urteil mit Beschluß auf und verwies die Sozialrechtssache insoweit zur Urteilsfällung nach allfälliger Verhandlung an das Erstgericht zurück, ohne den Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig zu erklären.

Zum Feststellungsausspruch führte das Berufungsgericht aus, der Kläger habe (in der Berufung) zwar erklärt, das erstgerichtliche Urteil seinem gesamten Inhalt nach anzufechten (Berufungserklärung); er führe aber zur Abweisung des Feststellungsbegehrens nicht aus und stelle auch nur zum Leistungsbegehren Berufungsanträge. Daher sei die Abweisung des Feststellungsbegehrens nicht releviert. Deshalb sei es dem Berufungsgericht verwehrt, darauf einzugehen, so daß das erstgerichtliche Urteil insoweit zu bestätigen sei. Diese Rechtsansicht des Berufungsgerichtes ist (allerdings im Ergebnis folgenlos) nicht richtig, weil sich nicht nur die Berufungserklärung, sondern auch die Berufungsgründe und der auf Aufhebung gerichtete Berufungsantrag auch auf das Feststellungsbegehren beziehen. Den Aufhebungsbeschluß begründete das Berufungsgericht damit, daß dem erstgerichtlichen Urteil eine begründete Beweiswürdigung fehle; weiters wäre allenfalls zu erörtern und festzustellen, ob eine ursprünglich gegebene Arbeitsfähigkeit des Klägers nach dem Eintritt in das Erwerbsleben weggefallen sei.

Gegen das (Teil-)Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision des Klägers. Er macht Nichtigkeit, Mangelhaftigkeit, Aktenwidrigkeit und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend und beantragt, das angefochtene Urteil iS des Feststellungsbegehrens abzuändern; hilfsweise beantragt er die Aufhebung des angefochtenen Urteils, allenfalls auch des erstgerichtlichen Urteils zwecks Verfahrensergänzung und neuerlicher Entscheidung.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, jedoch nicht berechtigt.

Das angefochtene Teilurteil ist nicht wegen des im § 477 Abs 1 Z 9

2. Fall ZPO bezeichneten Mangels nichtig. Dieser Fall meint nur einen - hier nicht vorliegenden - Widerspruch im Urteilsspruch, nicht aber in den Gründen oder zwischen Spruch und Gründen (Fasching IV § 477 Anm 37; ders, ZPR2 Rz 1760; Kodek in Rechberger, ZPO § 477 Rz 12; jeweils mit Judikaturhinweisen).

Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit und Aktenwidrigkeit (§ 503 Z 2 und 3 ZPO) liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 leg cit).

Die Rechtsrüge ist im Ergebnis nicht berechtigt.

Nach dem durch Art I Z 9 Sozialrechts-Änderungsgesetz (SRÄG) 1991 BGBl 157 mit 1.4.1991 eingeführten § 255a ASVG war der Versicherte unter den dort bezeichneten Voraussetzungen berechtigt, einen Antrag auf Feststellung der Invalidität zu stellen, über den der Versicherungsträger in einem gesonderten Verfahren (§ 354 Z 4 ASVG) zu entscheiden hatte. § 255a ASVG ist durch Art I Z 85 der 51.ASVGNov BGBl 1993/335 seit 1.7.1993 aufgehoben. Die mit 1.4.1991 wirksam gewordene Änderung des § 354 Z 4 ASVG durch Art I Z 22 SRÄG 1991, nach der es sich ua bei der Feststellung der Invalidität (§ 255a) außerhalb des Leistungsfeststellungsverfahrens um eine Leistungssache handelte, wurde durch Art I Z 136 der 51.ASVGNov mit 1.7.1993 rückgängig gemacht.

Nach der noch nicht veröffentlichten E vom 4.10.1994, 10 ObS 195/94, auf deren Begründung im Hinblick auf § 15a OGHG verwiesen wird, ist bei einer vor einem Arbeits- und Sozialgericht erhobenen Feststellungsklage in erster Linie zu prüfen, ob das für den Versicherungsträger maßgebliche Verfahren im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung eine feststellende Entscheidung vorsieht. Ist dies nicht der Fall, dann ist das Feststellungsbegehren schon aus diesem Grund abzuweisen, ohne daß die Voraussetzungen des § 228 ZPO geprüft werden müßten.

Da diese Voraussetzung auch im vorliegenden Fall nicht vorliegt, konnte das Berufungsgericht die Abweisung des Feststellungsbegehrens durch das Erstgericht bestätigen, obwohl noch nicht geklärt ist, ob der Kläger als invalid gilt. Der Kläger hätte selbst dann keinen Feststellungsanspruch, wenn seine Invalidität bereits feststünde. Deshalb ist die Abweisung des Feststellungsbegehrens für das Leistungsbegehren nicht präjudiziell (Fasching III § 411 Anm 24 und 30).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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