OGH 7Ob623/94

OGH7Ob623/948.2.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** H***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Franz J.Salzer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Bank***** AG, ***** vertreten durch Dr.Paul Bachmann und Mag.Eva-Maria Bachmann, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 665.100,-- sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 9.Juni 1994, GZ 3 R 58/94-21, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 26.November 1993, GZ 11 Cg 85/93-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 21.834,-- (darin enthalten S 3.639,-- USt.) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Streitteile stehen seit Jahren in ständiger Geschäftsbeziehung. Die klagende Partei unterhält bei der beklagten Partei ein Kontokorrentkonto. Am 28. oder 29.10.1991 wollte ein Kunde, der unter dem Namen C***** auftrat, bei der klagenden Partei drei Rolex-Uhren kaufen und erkundigte sich nach der Kontonummer der klagenden Partei, um den Kaufpreis von S 665.100,-- einzahlen zu können. Die klagende Partei nannte ihm ihre Kontonummer bei der beklagten Partei und händigte ihm einen Zahlschein aus, weil sie mit einer Bareinzahlung rechnete. Am 30.10.1991 überreichte dieser Kunde, der sich hiebei mit einem guatemaltekischen Reisepaß auswies, bei der beklagten Partei einen Scheck über US-Dollar 62.500,-- und ersuchte die beklagte Partei um Gutschrift des Betrages auf dem Konto der klagenden Partei. Der Scheck war von der T***** Bank of California ausgestellt. Bezogener war die S***** Bank in New York. Der Angestellte der beklagten Partei Dr.G***** hielt den Scheck für unbedenklich und schrieb den Betrag mit S 730.191,--, d.s. S 731.312,50 abzüglich Spesen in Höhe von S 1.121,50, auf dem Konto der klagenden Partei mit Valuta 15.11.1991 gut. Die Gutschrift erfolgte gemäß den AGB der österreichischen Kreditunternehmungen unter der Bedingung der nachfolgenden Einlösung. Der klagenden Partei wurde eine mit 31.10.1991 datierte Gutschriftanzeige übersendet. Der die Gutschrift ausweisende Kontoauszug enthielt den Hinweis, daß bei Scheck- und Wechselgutschriften der Eingang vorbehalten sei. Noch am 31.10.1991 schickte die beklagte Partei den Scheck per Post an eine ihrer amerikanischen Korrespondenzbanken, nämlich an die C***** Bank in New York, zur Einlösung des Schecks bei der T***** Bank.

Am 4.11.1991 kam der Kunde "C*****" wieder zur klagenden Partei und erklärte, er habe die Rechnungssumme bei der beklagten Partei eingezahlt. Daraufhin rief Alfred G*****, der Geschäftsleiter der Niederlassung der klagenden Partei, in der Kärntnerstraße in Wien, bei der beklagten Partei an. Dr.G***** erklärte ihm, daß der klagenden Partei ein Scheck über US-Dollar 62.500,-- gutgeschrieben worden sei. Da der Geschäftsleiter G***** an einer raschen Feststellung der Deckung und der Echtheit des Schecks interessiert war, ersuchte er, ein Fax an die ausstellende Bank in Amerika zu übersenden. In einem weiteren Telefonat mit dem Prokuristen der beklagten Partei, Herrn S*****, ersuchte der Geschäftsleiter G***** unter Darlegung des zugrundeliegenden Geschäftsfalles nochmals um eine sofortige Überprüfung, obwohl ihm der Prokurist S***** erklärte, daß es sich um einen Bankscheck handle, der "gut aussehe". Deshalb sei eine Überprüfung auch sinnlos, weil keine Bank zugeben würde, daß ihr eigener Scheck gefälscht oder nicht gedeckt sei. Es sei ihm in seiner langjährigen Bank-Praxis noch nie vorgekommen, daß ein Bankscheck nicht honoriert worden sei. Der Prokurist sagte ausdrücklich: "Das ist ein Bankscheck, da kann nichts sein", worauf der Geschäftsleiter G***** meinte: "Wenn Sie mir sagen, da kann nichts sein, dann kann ich die Uhren ausfolgen". Damit war das Gespräch beendet. Der Geschäftsleiter G***** wurde nicht darüber informiert, daß der Scheck bereits am 31.10.1991 per Post nach Amerika gesendet worden und nun eine Überprüfung mittels Fax nicht mehr möglich war. Im Vertrauen auf die Auskunft der Angestellten der beklagten Partei ließ der Geschäftsleiter G***** am 5.11.1991 die drei Uhren an den Kunden "C*****" in dessen Hotel ausliefern. Am 8.11.1991 informierte der Prokurist S***** aufgrund eines Voravisos der C***** Bank in New York den Geschäftsführer G***** davon, daß der Scheck nicht eingelöst werde, da es sich um eine Fälschung handle. Das Konto der Klägerin werde wieder rückbelastet werden, was auch tatsächlich geschah.

Die klagende Partei begehrte S 665.100,-- an Schadenersatz. Die beklagte Partei habe dafür einzustehen, daß die Uhren im Wert des Klagebetrages an den ausländischen Kunden ausgefolgt worden seien, weil sie eigenmächtig vorgegangen sei, verschwiegen habe, daß der Originalscheck bereits zur Überprüfung abgesendet worden sei, der klagenden Partei die Möglichkeit verwehrt habe, den Scheck selbst zu überprüfen, den Scheck trotz des bedenklichen Vorganges weder geprüft noch dem Verlangen nach Prüfung nachgekommen sei und der klagenden Partei gegenüber erklärt habe, daß der Scheck in Ordnung sei.

Die beklagte Partei beantragte Klagsabweisung, weil der klagenden Partei mitgeteilt und auch aufgrund der AGB der österreichischen Kreditunternehmungen bekannt gewesen sei, daß Schecks nur unter dem Vorbehalt des Einganges gutgeschrieben würden. Eine Deckungszusage sei nicht erteilt worden.

Das Gericht erster Instanz gab der Klage statt. Die Bank hafte für das Verschulden ihrer Erfüllungsgehilfen, das darin liege, daß grob fahrlässig eine unrichtige Auskunft über die Ordnungsmäßigkeit des Schecks erteilt worden sei. Die Auskunft sei im Rahmen einer geschäftlichen Verbindung erfolgt und somit nicht aus bloßer Gefälligkeit erteilt worden, sodaß der zweite Fall des § 1300 ABGB nicht vorliege.

Das Gericht zweiter Instanz bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei, weil die Auslegung des Begriffes der vertraglichen Sorgfaltspflichten eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung darstelle. Der unrichtige Hinweis des Bankangestellten, daß bei einem Bankscheck "nichts sein könne", und daß eine Bank, die selbst Ausstellerin sei, eine Fälschung als unmöglich bezeichnen werde, habe beim Geschäftsleiter der klagenden Partei, G*****, den Eindruck erwecken dürfen, daß nach menschlichem Ermessen ein Fälschungs- und Deckungsrisiko nicht gegeben sei. Zudem sei der Umstand verschwiegen worden, daß der Scheck bereits zum Inkasso und somit auch zur Überprüfung an eine New Yorker Bank übersendet worden sei. Unter den gegebenen Umständen stelle die Auskunft, daß der Scheck "in Ordnung gehe", eine Verletzung der aus dem Vertragsverhältnis der Streitteile resultierenden Aufklärungs- und Sorgfaltspflichten dar. Der Hinweis in der Berufung auf die in den AGB der österreichischen Kreditunternehmungen enthaltenen Haftungsbeschränkungen bzw. Haftungsausschlüsse stellten eine unbeachtliche Neuerung dar, weil sich die beklagte Partei darauf in erster Instanz nicht berufen habe.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der beklagten Partei ist entgegen der Ansicht des Gerichtes zweiter Instanz mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs.1 ZPO unzulässig.

Die Ansicht der Untergerichte, daß der langjährige geschäftliche Kontakt der Streitteile und insbesondere die Tatsache, daß die Auskunft im Zusammenhang mit der vereinbarten Führung des Kontos der klagenden Partei erfolgte, Schutz- und Sorgfaltspflichten der beklagten Partei auslöst, deren Verletzung ersatzpflichtig macht, entspricht der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (SZ 57/184; JBl 1988, 239 ua; vgl. auch 4 Ob 516/93). Die im § 1300 ABGB enthaltenen Worte "gegen Belohnung" bedeuten nach herrschender Auffassung nur, daß der Rat nicht bloß aus Gefälligkeit, sondern im Rahmen eines Schuldverhältnisses gegeben worden sein muß (SZ 53/83; SZ 63/129; JBl 1988, 239 uva), sodaß der Beratende nicht selbstlos handelte (SZ 63/129; 1 Ob 43/92). Die Haftung der beklagten Partei ist daher, wie die Untergerichte richtig erkannt haben, nicht auf eine vorsätzlich unrichtig erteilte Auskunft ihrer Angestellten beschränkt, wobei es entgegen der Ansicht der Revision nicht darauf ankommt, daß die klagende Partei den Scheck weder ausstellte noch der beklagten Partei vorlegte noch überhaupt zunächst von der Vorlage des Schecks und der Gutschrift auf ihr Konto wußte.

Der abermalige Hinweis in der Revision, daß die Gutschrift nur unter der Bedingung der Einlösung des Schecks erfolgt sei, wie sich aus den AGB und zudem aus den Hinweisen auf den Kontoauszügen ergeben habe, geht an der hier entscheidenden Frage vorbei, ob den Angestellten der beklagten Partei eine fahrlässig unrichtige Information der klagenden Partei vorzuwerfen ist. Die klagende Partei bzw ihr Geschäftsleiter G***** ging ohnehin nicht davon aus, daß die Gutschrift auf dem Konto der klagenden Partei vorbehaltlos erfolgt sei und selbst bei Nichteinlösung des Schecks durch die bezogene Bank keine Rückbelastung des Kontos mehr stattfinden werde, weil sich ansonsten eine Rückfrage bei der beklagten Partei, wie die Gutschrift zustandegekommen sei und der Wunsch nach rascher Klärung, ob der Scheck echt und gedeckt sei, erübrigt hätte. Der Rat und die Auskunft wurden ja gerade deshalb von der beklagten Partei eingeholt, weil sich der namens der klagenden Partei handelnde Geschäftsleiter G***** der Gefahr bewußt war. Seine Bedenken wurden jedoch seitens der beklagten Partei in der beschriebenen Weise zerstreut.

Entgegen den Ausführungen des Gerichtes zweiter Instanz zur Zulässigkeit der ordentlichen Revision liegen die Voraussetzungen des § 502 Abs.1 ZPO nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes grundsätzlich nicht vor, wenn Fragen über die Art der Verschuldensabwägung und der Schwere des Verschuldens zu klären sind, weil derartige Ermessensentscheidungen jeweils von den besonderen Umständen des Einzelfalls abhängen (vgl ZVR 1986/11 uva). In der Ansicht der Untergerichte, daß den Angestellten der beklagten Partei in Anbetracht der Umstände Fahrlässigkeit bei ihrer Vorgangsweise zur Last liegt, kann keineswegs eine krasse Fehlbeurteilung dieses Einzelfalles erblickt werden.

Ob oder inwieweit hier der Haftungsausschluß des § 33 Abs.2 der AGB der österreichischen Kreditunternehmungen zum Tragen käme, den die Rechtsprechung überwiegend nur für krasse grobe Fahrlässigkeit als unzulässig ansieht (vgl. hiezu etwa RdW 1985, 73; BankArch 1988/93; JBl 1992, 713; JBl 1993, 397 ua), kann dahingestellt bleiben, weil sich die beklagte Partei im Verfahren erster Instanz weder auf die Vereinbarung eines solchen Haftungsausschlusses noch auf das Vorliegen eines entsprechenden Handelsbrauches, auf den ebenfalls nicht von Amts wegen Bedacht zu nehmen ist (vgl. Kramer in Straube, Rz 29, 30 zu § 346 HGB mwN), berufen hat.

Gemäß den §§ 41 und 50 ZPO waren der klagenden Partei Kosten für ihre Revisionsbeantwortung zuzuerkennen, weil sie auf die Unzulässigkeit der Revision mangels erheblicher Rechtsfrage hingewiesen hat.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte