OGH 7Ob607/94

OGH7Ob607/9414.12.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der gefährdeten Partei Renate W*****, vertreten durch Dr.Alois Heigl, Rechtsanwalt in Schwanenstadt, wider den Gegner der gefährdeten Partei Herbert W*****, vertreten durch Dr.Franz Hufnagl, Rechtsanwalt in Gmunden, wegen einstweiligen Unterhalts (Revisionsstreitwert S 94.000,--), infolge Revisionsrekurses der gefährdeten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Wels als Rekursgericht vom 19.Mai 1994, GZ R 427/94-46, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Gmunden vom 28. März 1994, GZ 1 C 66/92-41, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben und der angefochtene Beschluß dahin abgeändert, daß er unter Einbeziehung der unbekämpften Teile zu lauten hat:

1. Der Gegner der gefährdeten Partei ist schuldig, der gefährdeten Partei ab 1.6.1993 bis zur rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens 1 C 66/92 des Bezirksgerichtes Gmunden einen vorläufigen monatlichen Unterhaltsbeitrag von S 10.800,-- unter Berücksichtigung bereits erbrachter Teilleistungen zu bezahlen, und zwar den für die Zeit vom 1.6.1993 bis 31.3.1994 noch restlichen Betrag von S 16.000,-- und die für die Zeit ab 1.4.1994 bereits fällig gewordenen Leistungen binnen 14 Tagen, die zukünftigen Leistungen am Ersten eines jeden Monats im Vorhinein.

2. Der Gegner der gefährdeten Partei ist weiters schuldig, der gefährdeten Partei einen Prozeßkostenvorschuß von S 25.000,-- binnen 14 Tagen zu bezahlen.

3. Das Unterhaltsmehrbegehren wird abgewiesen.

4. Die gefährdete Partei hat die Kosten des Provisorialverfahrens vorläufig selbst zu tragen. Der Kostenersatzanspruch des Gegners der gefährdeten Partei wird abgewiesen.

Text

Begründung

Im Rahmen einer auf § 49 EheG, unter anderem auch auf den Vorwurf der Unterhaltsverletzung, gestützten Ehescheidungsklage erhob die gefährdete Partei (im folgenden Klägerin) das Provisorialbegehren, ihren Ehegatten (im folgenden Beklagter) zu einem vorläufigen monatlichen Unterhalt von S 11.300,-- ab 1.6.1993 "abzüglich Zahlungen und Naturalunterhalt von S 1.800,--" zu verpflichten. Die Klägerin brachte dazu vor, sich 50 % der Naturalleistungen des Klägers für Wohnung, Miete, Gas- und Stromkosten sowie Telefon in Anrechnung zu bringen (AS 131 ff). Es bestehe kein gemeinsamer Haushalt mehr, der Beklagte leiste teils zu wenig, teils unregelmäßig Unterhalt.

Der Beklagte widersprach dem Provisorialbegehren und wendete ein, es liege keine Unterhaltsverletzung vor. Er anerkannte einen monatlichen Unterhaltsanspruch der Klägerin von S 12.000,--, schränkte dies aber dahin ein, daß dieser Betrag der Klägerin sowohl in Geld als auch in Naturalleistungen tatsächlich zukomme (AS 146).

Das Erstgericht nahm folgenden Sachverhalt als bescheinigt an:

Das zwischen den Streitteilen anhängige Ehescheidungsverfahren ist noch nicht abgeschlossen. Der Beklagte bezog vom 1.6.1992 bis 31.5.1993 inclusive 50 % der Tagesgelder und Nächtigungszulagen ein monatliches Durchschnittseinkommen von S 32.498,29. Der Beklagte überweist der Klägerin monatlich S 6.000,-- und trägt die Kosten für die Miete der Ehewohnung in Höhe von monatlich S 2.230,--, für den Gas- und Stromverbrauch von monatlich S 1.150,-- sowie die Telefonkosten von durchschnittlich monatlich S 300,--. Er leistet die monatliche Rückzahlungsrate von S 588,-- für einen zum Zweck des Einbaues einer Gasetagenheizung aufgenommenen Kredit. Weiters bezahlt er die Jahresprämie für die Haushaltsversicherung von S 1.391,--.

Die Klägerin bezieht seit 1.8.1992 kein eigenes Einkommen mehr und ist vermögenslos. Sie ist aufgrund ihres derzeitigen Gesundheitszustandes nicht arbeitsfähig. Sie bezahlt eine monatliche Rückzahlungsrate von S 565,-- für einen zur Badsanierung aufgenommenen Kredit und trägt die monatlichen Kosten von S 200,-- für Radio und Fernsehen. Im März 1993 erhöhte sie die Haushaltsversicherung und bezahlt dafür eine zusätzliche (Jahres-)Prämie von S 643,--.

Seit Februar 1992 hält sich der Beklagte nur mehr fallweise in der Ehewohnung in L*****, auf.

Das Erstgericht sprach der Klägerin einen monatlichen Provisorialunterhalt von S 12.000,-- abzüglich bereits geleisteter Barzahlungen zu und wies ein "Mehrbegehren" von weiteren monatlich S 1.100,-- ab. Der Klägerin stehe ein Unterhaltsanspruch in Höhe von 33 % des Nettodurchschnittsverdienstes des Beklagten zu; er betrage daher monatlich S 10.724,--. Darauf bezahle der Beklagte in Geld- und Naturalleistungen maximal monatlich S 9.500,--. Es sei entbehrlich darauf einzugehen, ob und mit welcher Quote die Betriebskosten der Wohnung auf die Streitteile aufzuteilen seien und ob der Beklagte tatsächlich noch in der Ehewohnung lebe, weil er einen monatlichen Unterhaltsanspruch der Klägerin von S 12.000,-- anerkannt habe.

Die 2.Instanz gab dem Rekurs des Beklagten teilweise Folge und verpflichtete den Beklagten zu einer monatlichen Unterhaltszahlung von nur S 2.500,-- an die Klägerin; das Unterhaltsmehrbegehren wies sie ab. Den Revisionsrekurs erklärte das Rekursgericht für zulässig. Der vom Beklagten allein gestellte Aufhebungsantrag stehe einer Abänderung nicht entgegen, weil der Rechtsmittelwille des Beklagten klar auf Beseitigung des gegen ihn gerichteten Provisorialbegehrens abziele. Das Erstgericht habe der Klägerin mehr als die von ihr begehrten monatlichen S 11.300,--, von denen sie die von ihr mit S 1.800,-- bewerteten Naturalleistungen des Beklagten abgezogen wissen wolle, zugesprochen. Der erstgerichtlichen Entscheidung könne auch nicht entnommen werden, ob die festgestellten Naturalleistungen überhaupt berücksichtigt worden seien. Dies könne man nicht mit dem Hinweis, daß der Beklagte ohnedies einen Unterhaltsanspruch der Klägerin von monatlich S 12.000,-- anerkannt habe, übergehen, weil er dieses Zugeständnis ausdrücklich unter Hinweis auf Naturalleistungen und eine fehlende Unterhaltsverletzung gemacht habe. Es erscheine gerechtfertigt, der Klägerin je die Hälfte der Miete und der Rückzahlungsraten für die Gasetagenheizung und das Bad sowie die gesamten Ausgaben für Strom, Gas und Telefon - da die Klägerin in der Ehewohnung allein verblieben sei - sohin insgesamt S 3.141,-- (richtig: S 3.241,--) als Naturalleistungen des Beklagten auf ihren Unterhaltsanspruch anzurechnen. Ein zusätzlicher Betrag von S 2.500,-- monatlich entspreche der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Beklagten. Eine Unterhaltsverletzung durch den Beklagten liege daher vor. Bei Schaffung eines Provisorialtitels müßten sowohl die in der Vergangenheit geleisteten, als auch die in Zukunft zu erwartenden Naturalleistungen des Beklagten berücksichtigt werden, weil die Klägerin selbst zugestehe, daß diese vom Beklagten anstandslos erbracht würden. Die Klägerin nehme diese Leistungen des Beklagten auch in Anspruch; der Beklagte könnte sich den geleisteten Zahlungen zudem nur durch Aufkündigung der entsprechenden Verträge entziehen.

In ihrem Revisionsrekurs begehrt die Klägerin weiterhin (unter Berücksichtigung der vom Beklagten erbrachten Naturalleistungen) einen monatlichen Geldunterhalt von S 9.500,-- "und die Schaffung eines Exekutionstitels für den vollen Geldbetrag". Sie ficht (deshalb) die Abweisung eines Teilbetrages von monatlich S 1.000,-- für die Zeit vom 1.6.1993 bis 31.3.1994 und von monatlich S 7.000,-- ab 1.4.1994 an. Inhaltlich wendet sich die Klägerin ausdrücklich nicht mehr dagegen, daß die Hälfte der (vom Beklagten bezahlten) Miete (d.s. monatlich S 1.115,--) und die Hälfte der zu leistenden Kreditrückzahlungen (die Kredite wurden für Investitionen in die Ehewohnung aufgenommen) auf ihren Geldunterhalt angerechnet werden und bekämpft auch hinsichtlich der Betriebskosten (Gas, Strom, Telefon) die Anrechnung nur zur Hälfte, weil "das Rekursgericht davon ausgehe, daß der Beklagte noch in der Ehewohnung lebe". Sie sieht die Auffassung der zweiten Instanz, es sei nur die Differenz zwischen den erbrachten Leistungen und dem geschuldeten Unterhalt zuzusprechen, als verfehlt an, da diese Auffassung dazu führen würde, daß sie ihre Unterhaltsansprüche neuerlich geltend machen müßte, wenn der Beklagte die bisher erfolgten Zahlungen nicht mehr oder doch nicht mehr zur Gänze erbringe.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist teilweise berechtigt.

Die Prozeßordnung enthält keine ausdrückliche Vorschrift, daß ein Rekurs einen bestimmten Rekursantrag enthalten müsse (JBl 1967, 524; SZ 37/170). Wenn ein Rekurs den Bekämpfungsumfang und das Ziel seiner Beschwerde deutlich zum Ausdruck bringt, hindert der Umstand, daß bloß die Aufhebung, nicht aber die Abänderung des angefochtenen Beschlusses beantragt wurde, nicht eine Abänderung (vgl 3 Ob 77/69 sowie 5 Ob 68/82).

Nach dem als bescheinigt angenommenen Sachverhalt hält sich der Beklagte seit Februar 1992 nur mehr fallweise in der ehemaligen Ehewohnung auf. Es ist daher davon auszugehen, daß der gemeinsame Haushalt der Streitteile aufgehoben ist. In diesem Fall ist der Unterhalt stets in Geld zu leisten; Naturalleistungen sind nur dann anzurechnen, wenn der Unterhaltsberechtigte mit der Leistung von Naturalunterhalt einverstanden ist (Purtscheller-Salzmann, Unterhaltsbemessung, Rz 268 f). Es geht dabei jedoch entgegen der Ansicht der zweiten Instanz nicht an, dem Unterhaltsberechtigten anzurechnende Natural- und Geldleistungen des Unterhaltspflichtigen in Form der Abweisung eines Teilbetrages von dem als berechtigt erkannten Unterhaltsanspruch zu berücksichtigen, da dies den Unterhaltsberechtigten bei schon vorliegender Unterhaltsverletzung bei einer weiteren Einschränkung der Natural- und Geldleistungen dazu zwingen würde, seinen Unterhaltsanspruch jeweils neuerlich im Rahmen dieser Reduktion geltend zu machen. Bei Vorliegen einer Unterhaltsverletzung ist vielmehr stets der volle Unterhaltsbetrag unter Berücksichtigung bereits bezahlter Beträge zuzuerkennen (Purtscheller-Salzmann aaO Rz 269). Es ist daher grundsätzlich der gesamte angemessene Unterhalt in Geld zuzusprechen; nur so ist der Unterhaltsberechtigte im Fall des Ausbleibens "freiwilliger" Unterhaltsleistungen nicht genötigt, erneut eine Unterhaltsklage einzubringen (Purtscheller-Salzmann aaO Rz 271).

Bei den als bescheinigt angenommenen Einkünften des Beklagten und dem von beiden Ehegatten in Übereinstimmung mit den Vorinstanzen dem Unterhaltsanspruch der Klägerin zugrundegelegten Anteil von 33 % dieser Einkünfte ergibt sich ein Betrag von (aufgerundet) monatlich S 10.800,--, den der Beklagte für den Unterhalt der Klägerin zu leisten verpflichtet ist. Dieser Betrag darf, wie bereits ausgeführt wurde, keineswegs deshalb gekürzt werden, weil der Beklagte tatsächlich ohnedies Unterhaltsleistungen - wenn auch in einem geringeren als dem gebührenden Ausmaß, sodaß eine Unterhaltsverletzung vorliegt und die Klageführung berechtigt ist - an die Klägerin erbringt. Dabei sind auch die vom Beklagten erbrachten Naturalleistungen zu berücksichtigen, zumal sich die Klägerin mit diesen zumindest schlüssig - wenn auch nicht in dem vom Beklagten gewünschten Ausmaß - einverstanden erklärt hat. Zu berücksichtigen sind aber neben den von der Klägerin nicht mehr bestrittenen Beträgen der halben Mietkosten (S 1.115,--) und der halben Kreditrückzahlungsraten (S 576,50) nicht nur die halben Kosten für Strom, Gas und Telefon (das wären S 725,--), sondern die ganzen derartigen Kosten (sohin S 1.450,--), weil sich der Beklagte, wie als bescheinigt angenommen wurde, seit Februar 1992 nur mehr "fallweise" und also nicht mehr in einem ins Gewicht fallenden Umfang in der ehemaligen Ehewohnung aufhält; zu berücksichtigen ist auch die Hälfte der vom Beklagten bezahlten Haushaltsversicherung (auf einen Monat entfällt als Hälfteanteil ein Betrag von S 57,95), da diese - ebenso wie die Bezahlung der Miete - auch im Interesse der Klägerin liegt. Der Beklagte ist demnach unter der Voraussetzung der Fortzahlung aller dieser Kosten berechtigt, von dem von ihm zu leistenden Unterhaltsbetrag einen Betrag von (gerundet) S 3.200,-- monatlich als Naturalleistung in Abzug zu bringen, sodaß in diesem Fall eine Geldleistung von S 7.600,-- monatlich verbleibt. Da der Beklagte in der Zeit bis zur Entscheidung der ersten Instanz (28.3.1994) unbestritten außer den genannten Naturalleistungen eine monatliche Geldleistung von S 6.000,-- an die Klägerin erbracht hat, ergibt sich für die Zeit bis zum 31.3.1994 ein offener Rückstand von S 1.600,-- monatlich, sohin für 10 Monate von S 16.000,--. Ein Rückstand von S 1.600,-- monatlich ergibt sich auch für die Zeit ab 1.4.1994 bis zur Zustellung dieser Entscheidung an die Streitteile unter der Voraussetzung, daß die dargestellten Leistungen des Beklagten unverändert geblieben sind.

Die angefochtene Entscheidung war deshalb spruchgemäß abzuändern.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 393 EO.

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