OGH 8Ob331/64

OGH8Ob331/6424.11.1964

SZ 37/170

Normen

JN §104
JN §104

 

Spruch:

Gerichtsstandsvereinbarungen gemäß § 104 JN. müssen unbedingt sein.

Entscheidung vom 24. November 1964, 8 Ob 331/64. I. Instanz:

Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Die klagende Partei behauptet, die beklagten Parteien hätten bei der Klägerin die Lieferung von 2 Sportkegelanlagen zum Preise von zusammen 274.400 S bestellt. Die Vertragsteile hätten vereinbart, daß die Klägerin den Beklagten zum Zwecke der Berichtigung des vereinbarten Preises einen Kredit von 274.400 S, der in 48 Monatsraten rückzahlbar wäre, zu beschaffen habe. Der Vertrag sei also unter der Suspensivbedingung der Beschaffung des Kredites durch die Klägerin abgeschlossen worden. Die Beklagten hätten den Eintritt dieser Bedingung wider Treu und Glauben verhindert, sodaß sie als erfüllt anzusehen sei. Die Klägerin begehrt daher unter Berufung auf eine zwischen den Streitteilen über die Zuständigkeit des Erstgerichtes getroffene Vereinbarung die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 199.600 S, Zug um Zug gegen Lieferung von zwei Kegelstellautomaten samt Zusatzgeräten.

Die Beklagten erheben die Unzuständigkeitseinrede mit der Begründung, daß ein rechtsgültiger Vertrag nicht vorliege und daher auch eine Zuständigkeitsvereinbarung zwischen den Streitteilen nicht zustande gekommen sei.

Die Klägerin legte zum Nachweis der Zuständigkeitsvereinbarung die von ihr verfaßten, von den Beklagten unterfertigten, mit einem Kostenvoranschlag verbundenen Verkaufs- und Lieferbedingungen vor, die u. a. folgenden Punkt enthalten: "Gerichtsstand: Vereinbart wird für alle Streitigkeiten aus diesem Vertrag die Zuständigkeit des sachlich zuständigen Gerichtes in Wien". Diesem Punkt folgen weitere Punkte, betreffend Verletzung über die Hälfte des wahren Wertes, Eigentumsvorbehalt usw. Am Ende, noch vor Datum und Unterschriften, findet sich der handschriftliche Beisatz: "Der Vertrag ist nur gültig, wenn die Firma M. den Kredit von 274.400 S auf 48 Monatsraten zwischen 6000 S bis 7000 S im Monat beschaffen kann".

Das Erstgericht wies die Klage wegen örtlicher Unzuständigkeit zurück, weil die klagende Partei nach ihren eigenen Angaben einen Kredit nicht beschafft habe und daher der Kaufvertrag und somit auch die Zuständigkeitsvereinbarung nicht gültig zustande gekommen sei.

Das Rekursgericht änderte diese Entscheidung des Erstgerichtes dahin ab, daß es die Einrede der Unzuständigkeit des Erstgerichtes zurückwies.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der beklagten Parteien Folge und stellte in Abänderung des zweitgerichtlichen Beschlusses den Beschluß des Erstgerichtes wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

In ihrem Rekurse gegen den Beschluß des Erstgerichtes stellte die Klägerin nur einen Aufhebungsantrag. Die Revisionsrekurswerber meinen, daß das Rekursgericht mangels eines diesbezüglichen Antrages nicht berechtigt gewesen wäre, die erstgerichtliche Unzuständigkeitsentscheidung abzuändern. Dieser Auffassung kann sich der Oberste Gerichtshof jedoch nicht anschließen. Das Gesetz enthält in seinen Bestimmungen über den Rekurs und das Rekursverfahren (§§ 520 - 528 ZPO.) keine ausdrückliche Vorschrift, daß der Rekurs einen bestimmten Rekursantrag enthalten müsse. Schon Franz Klein (Vorlesungen, S. 285) hat ausgeführt, das Rekursverfahren sei so einfach und auf das Unerläßlichste herabgemindert, daß für Fehler kaum ein Platz sei. Diese Auffassung bietet eine gewichtige Stütze für die in einer Reihe von Entscheidungen (SZ. XXII 101, 186, JBl. 1961, S. 34 u. a.) vertretene Rechtsansicht, es genüge, daß aus dem Rekurs erkennbar sei, es werde die Überprüfung der angefochtenen Entscheidung verlangt. Der Oberste Gerichtshof sieht sich auch im vorliegenden Fall durch die Ausführungen von Sprung in seinem Artikel "Der Rekursantrag" in den JBl. 1959, S. 268 ff., und durch die Stellungnahme von Novak in seiner Kritik der Entscheidung 3 Ob 110/60 in JBl. 1961, S. 34 f., nicht veranlaßt, von seinem oben wiedergegebenen Standpunkt abzugehen.

Es ist richtig, daß Pollak in seinem System des Österreichischen Zivilprozeßrechtes[2], S. 298, die von den Parteien abgesprochene Zuständigkeitsvereinbarung als privatrechtlichen Vertrag behandelt, aber diese Auffassung vermag der Oberste Gerichtshof nicht zu teilen. Es kann allerdings dahingestellt bleiben, ob die im § 104 ZPO. geregelte Zuständigkeitsvereinbarung eine Prozeßhandlung ist (so Fasching in seinem Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen, I. Bd., zu § 104 JN., Anm. 6, S. 500, vgl. auch SZ. XXVI 112). Wie Sperl in seinem Lehrbuch der bürgerlichen Rechtspflege, S. 140, und, mit ihm übereinstimmend, Petschek - Stagel (Zivilprozeß, S. 127) sagen, ist sie nur die Setzung eines nach prozeßrechtlichen, nicht aber nach privatrechtlichen Normen zu beurteilenden Kompetenztatbestandes. Schon in seiner Entscheidung SZ. X 162 hat der Oberste Gerichtshof darauf hingewiesen, daß durch die Vereinbarung nach § 104 JN. kein Rechtsgeschäft abgeschlossen wird, d. h. es werden durch diesen Vertrag keine Rechtsverhältnisse begrundet, bestärkt oder aufgehoben, sondern es soll durch die übereinstimmende Erklärung der Parteien nur der im § 104 normierte Tatbestand für die Zuständigkeit eines bestimmten Gerichtes geschaffen werden. Damit hat sich der Oberste Gerichtshof bereits in dieser Entscheidung die von Sperl und Petschek vertretene Lehrmeinung zu eigen gemacht. Von ihr abzuweichen, bietet der vorliegende Fall keinen Anlaß.

Mit Recht kommt Fasching (a. a. O.) zu dem Ergebnis, daß zur Auslegung der Zuständigkeitsvereinbarung des § 104 JN. nur das Prozeßrecht und nur der Wortlaut der Urkunde heranzuziehen sind. Die in den von der Klägerin abgefaßten und von den Beklagten unterfertigten, dem Kostenvoranschlag angeschlossenen Verkaufs- und Lieferbedingungen aufgenommene Zuständigkeitsvereinbarung ist daher ohne Rücksicht auf die Gültigkeit der privatrechtlichen Vereinbarungen der Streitteile nach ihrem Wortlaut wirksam, sofern ihr nicht Gründe des Prozeßrechtes entgegenstehen.

Nach dem Inhalte der zum Nachweis der Gerichtstandsvereinbarung vorgelegten Urkunde wurde die Gültigkeit des Vertrages von der Beschaffung eines Kredites durch die Verkäuferin (Klägerin) abhängig gemacht. Daß sich diese Bedingung nach dem Wortlaut der Urkunde nicht auch auf die Zuständigkeitsvereinbarung, sondern bloß auf die anderen Vertragspunkte bezieht, ist zumindest zweifelhaft. Nur eindeutige und unbedingte Gerichtsstandsvereinbarungen können aber die Grundlage für die auf dem vereinbarten Gerichtsstand beruhende Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes bilden. Denn auch für den nach Prozeßrecht zu beurteilenden, von den Parteien einvernehmlich gesetzten Kompetenztatbestand nach § 104 JN. gilt das gleiche wie für die Prozeßhandlungen der Parteien überhaupt, nämlich, daß sie, um wirksam zu sein, unbedingt gesetzt werden müssen (vgl. JBl. 1957, S. 213). Da die zur Dartuung der Gerichtsstandsvereinbarung vorgelegte Urkunde zumindest Zweifel an der Unbedingtheit der Gerichtsstandsvereinbarung offen läßt, somit der Nachweis einer wirksamen Zuständigkeitsvereinbarung durch die vorgelegte Urkunde nicht erbracht ist, war schon aus diesem Gründe die Entscheidung des Erstrichters wiederherzustellen, ohne daß zu untersuchen war, ob und inwieweit auch die Bestimmungen des Ratengesetzes der Wirksamkeit der getroffenen Zuständigkeitsvereinbarung entgegenstunden.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte