OGH 11Os165/94

OGH11Os165/9413.12.1994

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. Dezember 1994 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Lachner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Hager, Dr. Schindler, Dr. Mayrhofer und Dr. Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Hobel als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Brahim Ben Ezzedine B* wegen des Verbrechens nach § 12 Abs 1 und Abs 2 SGG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 24. August 1994, GZ 4 a Vr 5365/94‑34, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1994:0110OS00165.9400000.1213.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

 

Gründe:

 

 

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Brahim Ben Ezzedine B* des Verbrechens nach § 12 Abs 1 und Abs 2 SGG schuldig erkannt, weil er in der Zeit von Anfang Dezember 1993 bis zum 13. Jänner 1994 in Wien im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit (der insoweit bereits rechtskräftig verurteilten) Elisabeth T* als Mittäterin den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in einer großen Menge, nämlich ca 80 Gramm Heroin, durch Verkauf gewerbsmäßig in Verkehr setzte.

Der vom Angeklagten dagegen erhobenen, auf Z 3, 5, 5 a und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu.

Entgegen der Beschwerdeargumentation liegt ein Nichtigkeit begründender Verstoß gegen § 252 StPO nicht vor. Die monierte Verlesung der gegen den Angeklagten und Elisabeth T* erhobenen, im wesentlichen auf deren geständiger, den Angeklagten belastenden Verantwortung basierenden Anklageschrift obwohl T* in der Hauptverhandlung am 6. Juli 1994 als Lebensgefährtin des Angeklagten nach § 152 Abs 1 Z 2 StPO die (Zeugen‑)Aussage berechtigt verweigerte, stellt ‑ der Beschwerde zuwider ‑ keine Umgehung von Verlesungsbeschränkungen dar. Der Beschwerdeführer übersieht nämlich, daß er in der Hauptverhandung am 16. März 1994 (vor Ausscheidung des ihn betreffenden Strafverfahrens) die Möglichkeit hatte, sich an der gerichtlichen Vernehmung der damals Mitbeschuldigten Elisabeth T* zu beteiligen und das Fragerecht auszuüben (§ 247 StPO ‑ ON 16). Demzufolge durfte das Erstgericht gerichtliche und sonstige amtliche Protokolle über eine frühere Vernehmung dieser Zeugin, gleichviel ob sie damals als "Mitbeschuldigte" (Verdächtige, Beschuldigte, Angeklagte) oder als Zeugin aussagte (14 Os 82/94) verlesen und nicht nur, wie das Oberlandesgericht in seiner Beschwerdeentscheidung vom 3.August 1994, AZ 23 Bs 318/94 (= 4 a Vr 5365/94‑30) ‑ insoweit unzutreffend ‑ ausführte, die Angaben T*s vom 26. März 1994. Durch die in der Hauptverhandlung am 28. August 1994 (223) vorgenommene ‑ im übrigen unwidersprochen gebliebene ‑ Verlesung der Verantwortung T*s in der Hauptverhandlung am 6.März 1994 (ON 16) wurde deren (schon vor der Polizei und dem Untersuchungsrichter in den wesentlichen Punkten gleichlautend) den Beschwerdeführer im Sinne des Anklagevorwurfs belastendes Geständnis zur Erkenntnisgrundlage; die Verlesung der auf diesem Geständnis beruhenden Anklageschrift war zwar nicht geeignet ‑ in Verbindung mit der Feststellung des Vorsitzenden, daß T* anklagekonform verurteilt wurde (229) ‑, das durch die bisherigen Verfahrensergebnisse vermittelte Tatsachensubstrat zu verändern, aber zulässig. Hingegen erweist sich die (ersichtlich auf die zitierte Entscheidung des Oberlandesgerichtes gestützte) Abweisung des Antrages des öffentlichen Anklägers auf Verlesung (auch) der (im Vorverfahren) mit T* aufgenommenen Protokolle aus den dargelegten Gründen als verfehlt. Da sohin ein Verlesungsverbot nicht bestand, fehlt es an der Prämisse für dessen behauptete Umgehung (§ 252 Abs 4 StPO).

Soweit der Beschwerdeführer bemängelt, daß infolge Neudurchführung des Verfahrens die Zeugin T* neuerlich geladen und über ihre Bereitschaft zur Aussage hätte befragt werden müssen, fehlt ihm für eine solcherart der Sache nach erhobene Verfahrensrüge (Z 4) die formelle Legitimation, weil er einen derartigen Antrag in der Hauptverhandlung nicht gestellt hat.

Der undifferenziert mit der Tatsachen‑ und Subsumtionsrüge verbundenen Mängelrüge ist zu erwidern, daß sich die Verantwortung des Angeklagten, auf einer Baustelle und als Reklamemittelverteiler tätig gewesen zu sein, ersichtlich auf einen vor der Tatzeit liegenden Bereich seiner persönlichen Verhältnisse (165 iVm 117) bezieht und damit schon aus diesem Grunde nicht erörterungsbedürftig war. Inwieweit die "Bemerkung (des Zeugen U*), in der Arbeitergasse werde nur Heroin verkauft" von Relevanz sein könnte, vermag die Beschwerde, die die unmittelbar vorangehende, ausschließlich auf die Suchtgiftszene abstellende Aussagepassage übergeht, nicht einmal andeutungsweise darzutun. Soweit das Vorbringen Divergenzen in den Aussagen dieses Zeugen releviert, bleibt es unsubstantiiert und ist demzufolge einer sachbezogenen Erörterung nicht zugänglich.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285 d Abs 1 StPO bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen.

Daraus folgt, daß über die Berufung der Gerichtshof zweiter Instanz zu befinden haben wird (§ 285 i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390 a StPO.

 

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