OGH 2Ob595/94

OGH2Ob595/9424.11.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Pflegschaftssache der am 19.Dezember 1991,

geborenen Marlen G*****, vertreten durch Dr.Josef Lachmann, Rechtsanwalt in Wien infolge deren Revisionsrekurses gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 26.Mai 1994, GZ 43 R 389/94-75, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 8.April 1994, GZ 3 P 11/94-62, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß dem Antragsgegner und Gegner der gefährdeten Partei Dr.Ernst G*****, aufgetragen wird, einen Prozeßkostenvorschuß für das gegenständliche Verfahren von S 20.000,- binnen 14 Tagen ab Zustellung dieses Beschlusses an die Antragstellerin zu Handen ihrer Mutter Barbara G***** zu bezahlen.

Das Mehrbegehren auf Zahlung eines weiteren Prozeßkostenvorschusses von S 16.000,- wird abgewiesen.

Der Antrag des Antragsgegners auf Ersatz von Kosten seiner Revisionsrekursbeantwortung wird abgewiesen.

Text

Begründung

Mit dem am 25.5.1993 beim Erstgericht eingelangten Antrag begehrt die Minderjährige die Erlassung einer einstweiligen Verfügung gemäß § 382 Abs 1 Z 8 lit a EO, mit welcher ihr Vater für schuldig erkannt werden soll, ihr ab August 1992 einen monatlichen Unterhaltsbetrag von S 5.000,- sowie einen Prozeßkostenvorschuß von S 36.000,- zu bezahlen.

Das Erstgericht hat der Minderjährigen ab dem 25.5.1993 bis zur Festsetzung eines endgültigen Unterhaltes, längstens jedoch bis zur rechtskräftigen Erledigung des ebenfalls bei ihm anhängigen Scheidungsverfahrens die Leistung eines Provisorialunterhaltes von monatlich S 3.600,- auferlegt, das Mehrbegehren, den Antragsgegner zur Zahlung eines weiteren Provisorialunterhaltes von monatlich S 1.400,- zu verhalten, wurde abgewiesen. Fälligkeiten und Leistungsbefehle wurden hinsichtlich des Unterhaltes in der Vergangenheit und Zukunft nicht festgesetzt. Aus der Begründung dieser Entscheidung ergibt sich, daß der Antrag auf Leistung eines Prozeßkostenvorschusses abgewiesen werden sollte.

Dagegen erhoben beide Teile Rekurs.

Das Rekursgericht gab den Rekursen teilweise Folge und änderte die angefochtene Entscheidung dahingehend ab, daß der Antragsgegner und Gegner der gefährdeten Partei Dr.Ernst G*****, für schuldig erkannt wurde, der Antragstellerin zu Handen ihrer Mutter ab 25.5.1993 bis zur Festsetzung des endgültigen Unterhaltes in diesem Verfahren einen monatlichen Unterhalt von S 3.600,- zu bezahlen, und zwar die bis zur Rechtskraft dieser Entscheidung fällig werdenden Beträge binnen 14 Tagen abzüglich von Leistungen in der Gesamthöhe von S 23.500,- von Mai 1993 bis März 1994, und die in Zukunft fällig werdenden Beträge jeweils ab 1. eines jeden Monates im vorhinein.

Der Antrag auf Zuspruch eines Prozeßkostenvorschusses von S 36.000,-

wurde abgewiesen.

Der ordentliche Revisionsrekurs wurde nicht zugelassen.

Das Rekursgericht ging bei der Bemessung des monatlichen Unterhaltes von einer Bemessungsgrundlage von S 45.000,- pro Monat aus und vertrat zur Frage des Prozeßkostenvorschusses die Ansicht, daß im außerstreitigen Verfahren das Gericht für die unter dem besonderen Schutz der Gesetze stehenden Personen von Amts wegen zu sorgen habe (§ 2 Abs 1 AußStrG). Nach § 21 Abs 1 ABGB stünden Minderjährige unter dem besonderen Schutz der Gesetze. Zufolge § 2 Abs 1 Z 5 AußStrG habe das Gericht alle Umstände und Verhältnisse, welche auf die richterliche Verfügung Einfluß haben, von Amts wegen zu untersuchen. Das Gesetz gebe somit ausreichend Grundlage, um das Wohl des Kindes im Unterhaltsfestsetzungsverfahren nicht in Frage zu stellen. Es sei auch nicht hervorgekommen, daß das Erstgericht nicht in der Lage wäre, die ihm zur Wahrung des Wohles des Kindes zukommenden Aufgaben zu erfüllen und deshalb eine anwaltliche Vertretung des Kindes nötig wäre.

Der außerordentliche Revisionsrekurs des Antragsgegners wurde mit Beschluß des Obersten Gerichtshofes vom 27.10.1994 zurückgewiesen.

Gegen die Abweisung des Begehrens auf Zuspruch eines Prozeßkostenvorschusses richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerin.

Der Antragsgegner hat in der ihm freigestellten Revisionsrekursbeantwortung beantragt, dem Rechtsmittel der Antragstellerin nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Antragstellerin ist zulässig, weil es zur Frage, ob auch im außerstreitigen Verfahren ein Prozeßkostenaufwand als einstweiliger Unterhalt nach § 382 Abs 1 Z 8 lit a EO geltend gemacht werden kann, nicht gibt.

Die Antragstellerin macht in ihrem Rechtsmittel geltend, die Rechtsauffassung des Rekursgerichtes führe im Ergebnis zu einem reduzierten Rechtsschutz des Minderjährigen, da diesem die Möglichkeit der Wahrung seiner rechtlichen Interessen auch durch anwaltliche Vertretung erheblich erschwert werde. Die Ansicht, anwaltliche Vertretung sei immer dann überflüssig, wenn eine Behörde die Verpflichtung zur amtswegigen Wahrheitsfindung treffe, sei unrichtig. Auch in einem gerichtlichen Strafverfahren sei der Einsatz eines Verteidigers nicht unzweckmäßig und überflüssig, obwohl das Gericht die Verpflichtung zur amtswegigen Wahrheitsfindung treffe und auch der Staatsanwalt zur Objektivität verpflichtet sei.

Gerade im vorliegenden Fall sei eine anwaltliche Vertretung besonders notwendig, weil der Antrag auf erstmalige Festsetzung des Unterhaltes bereits am 27.10.1992 gestellt worden sei; die Stellungnahme des Antragsgegners habe umfangreiches Vorbringen erfordert; der Antrag auf einstweiligen Unterhalt sei bereits am 19.5.1993 gestellt worden; der Beschluß des Erstgerichtes sei auf Grund seiner Formulierung nicht vollziehbar gewesen und sei erst nach einem Fristsetzungsantrag ergangen.

Hinsichtlich des laufenden Unterhaltes wird im Revisionsrekurs der Antragstellerin geltend gemacht, das Rekursgericht habe offenbar irrtümlich ausgesprochen, daß die aus der Vergangenheit ausständigen Unterhaltsbeiträge erst mit Rechtskraft der Entscheidung im Provisorialverfahren fällig werden sollten; richtigerweise wären die ausständigen Beträge spätestens 14 Tage nach Zustellung der Rekursentscheidung an den Unterhaltspflichtigen fällig gewesen.

Diese Ausführungen sind zum Teil zutreffend:

Die Deckung notwendiger Prozeß- und Anwaltskosten zählt zum Unterhalt; derartige Kosten sind daher aus dem Unterhaltsanspruch nach § 94 ABGB zu decken und nicht als gesonderter Vorschuß außerhalb des einstweiligen Unterhaltes zuzusprechen. Wenn sich allerdings aus der Prozeßgefahr ein besonderer Unterhaltsbedarf ergibt, den der Unterhaltsberechtigte aus diesen laufenden Unterhaltsbeiträgen nicht decken kann, ist ein Prozeßkostenvorschuß zuzusprechen, sofern dies dem Unterhaltspflichtigen neben der Unterhaltsleistung zumutbar ist (Pfurtscheller/Salzmann, Unterhaltsbemessung Rz 333). Dies gilt auch für ein gemäß § 140 ABGB unterhaltsberechtigtes Kind (NRsp 1994/211; 5 Ob 556/93). Ein derartiger Anspruch kann auch im Provisorialverfahren nach § 382 Abs 1 Z 8 lit a EO geltend gemacht werden (EvBl 1994/148; König, Einstweilige Verfügungen im Zivilverfahren, Rz 128). Wenngleich das außerstreitige Verfahren vom Untersuchungsgrundsatz beherrscht ist, kann - entgegen der Ansicht des Rekursgerichtes - nicht gesagt werden, die Antragstellerin bedürfte keiner anwaltlichen Vertretung. So, wie im außerstreitigen Verfahren auch die Möglichkeit besteht, im Wege der Verfahrenshilfe einen Rechtsanwalt beizugeben - die §§ 63-73 ZPO gelten sinngemäß für das Verfahren außer Streitsachen (Art VIII § 3 Abs 1 VerfahrenshilfeG) - kann auch im Einzelfall die Notwendigkeit bestehen, zur ausreichenden Wahrung der Interessen des Antragstellers einen Rechtsanwalt zu bevollmächtigen. Eine derartige Vorgangsweise erscheint im vorliegenden Fall geboten, ist doch der Antrag auf Unterhalt bereits seit 28.10.1992 und der Antrag auf Gewährung eines einstweiligen Unterhaltes seit 25.5.1993 beim Erstgericht anhängig; zu bedenken ist auch, daß der Antragsgegner Rechtsanwalt ist.

Was die Höhe des Prozeßkostenvorschusses betrifft, ist einerseits zu bedenken, daß Bemessungsgrundlage für die Kosten im Hauptverfahren das Dreifache der begehrten Jahresleistung oder der Gesamtbetrag der künftigen Bezüge ist (§ 58 Abs 1 JN) und im Sicherungsverfahren das Einfache der Jahresleistung (§ 9 Abs 3 RAT), andererseits aber auch, daß der der Antragstellerin zugesprochene vorläufige Unterhalt das Doppelte des sogenannten Regelbedarfes ausmacht. Bei einer derartigen Situation erscheint ein Prozeßkostenvorschuß von S 20.000,- als angemessen; dieser Betrag übersteigt auch nicht die Leistungsfähigkeit des Antragsgegners.

Was den im Revisionsrekurs der Antragstellerin gerügten Ausspruch über die Fälligkeit der ausständigen Unterhaltsbeiträge betrifft, ist auf diese Frage nicht mehr einzugehen, weil inzwischen mit Beschluß vom 27.10.1993 der außerordentliche Revisionsrekurs des Antragsgegners zurückgewiesen wurde und daher insoweit auch Rechtskraft eingetreten ist.

Der Antrag des Antragsgegners auf Zuspruch von Kosten der Revisionsrekursbeantwortung war abzuweisen, weil im außerstreitigen Hauptverfahren ein Kostenersatz nicht stattfindet (SZ 61/219).

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