OGH 5Ob556/93

OGH5Ob556/9323.11.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Jensik als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner, Dr.Klinger, Dr.Schwarz und Dr.Floßmann als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj.Oliver P*****, geboren am 10.März 1975, wohnhaft bei der Mutter, Helga P***** T***** Nr 270, infolge Revisionsrekurses des außerehelichen Vaters des Minderjährigen, Giovanni B*****, geboren am 13. Dezember 1916, ***** vertreten durch Dr.Saskia Leinschitz, Rechtsanwältin in Wien, hier wegen Unterhalts, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Salzburg als Rekursgericht vom 24.März 1993, GZ 22 a R 74/93-72, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Thalgau vom 20. Jänner 1993, GZ P 4/78-69, ersatzlos aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Der mj.Oliver P*****, geboren am 10.3.1975, ist der außereheliche Sohn der Helga Waltraud P***** und des italienischen Staatsangehörigen Giovanni B*****, dessen Vaterschaft mit Urteil des Bezirksgerichtes Salzburg vom 7.6.1984, 21 C 91/81-56, rechtskräftig festgestellt wurde. Die dem Vater gegenüber dem Minderjährigen obliegende monatliche Unterhaltsleistung wurde zuletzt mit S 8.000 festgesetzt (Beschluß des Bezirksgerichtes Thalgau vom 14.3.1990, ON 56), nachdem sie bis Ende 1988 S 3.000 und dann bis 26.9.1989 S 4.000 betragen hatte.

Am 12.1.1993 beantragte der Minderjährige, vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung als Unterhaltssachwalter, seinem Vater zur Deckung eines Sonderbedarfs die Zahlung eines zusätzlichen Unterhaltsbeitrages von S 224.956,15 aufzutragen. Es handle sich dabei um die Kosten, die der Minderjährige aufwenden mußte, um mit Hilfe eines österreichischen und eines italienischen Rechtsanwalts seine Rechte auf Feststellung der Vaterschaft und Leistung des Unterhalts durchzusetzen. Im nunmehr bezifferten Ausmaß hätten ihm die italienischen Gerichte keinen Kostenersatz gewährt. Der Minderjährige habe zur Deckung dieser Kosten ua einen - mittlerweile aus Unterhaltseingängen zurückgezahlten - Kredit beim Land Salzburg aufnehmen müssen. Dem Antrag sind Kostennoten der Anwälte sowie Urkunden zur Dartuung ihrer Leistungen angeschlossen.

Das Erstgericht wies dieses Begehren wegen Unzulässigkeit des außerstreitigen Verfahrens zurück und verwies den Antragsteller auf den streitigen Rechtsweg. Es gehe nämlich um ein Kostenersatzbegehren, dessen Rechtsgrund kein gesetzlicher Unterhaltsanspruch, sondern Schadenersatz oder Bereicherung sei.

Das Rekursgericht hob diesen Beschluß ersatzlos auf und ordnete die Erledigung des Rechtsschutzantrages im außerstreitigen Verfahren an.

Es führte aus:

"Nach einhelliger Rechtsprechung sind gesetzliche Unterhaltsansprüche minderjähriger Kinder im Verfahren Außerstreitsachen geltend zu machen (Stohanzl, JN - ZPO14, E 50, 51 zu Art I EGZPO). Das Begehren des Minderjährigen kann daher unter der Voraussetzung im Verfahren Außerstreitsachen geltend gemacht werden, daß es sich als Unterhaltsbegehren qualifizieren läßt.

Die Frage, ob Prozeßkosten dem Unterhaltsbegriff zuzuordnen sind, wurde bislang vor allem im Zusammenhang mit der zu § 382 Abs 1 Z 8 lit a EO ergangenen Judikatur erörtert und in diesem Zusammenhang grundsätzlich bejaht. Diese Regelung umfaßt sowohl die Bestimmung eines einstweiligen von einem Ehegatten oder einem geschiedenen Ehegatten dem anderen als auch den von einem Elternteil seinem Kind zu leistenden Unterhalt. So wurde in der Judikatur zu § 382 Abs 1 Z 8 lit a EO davon ausgegangen, daß ein Prozeßkostenvorschuß immer ein Teil einer Unterhaltsleistung sei, da nach der Definition des § 672 ABGB der Unterhaltsanspruch auch die Befriedigung der "sonstigen Bedürfnisse" umfasse (EFSlg 28.010). Ganz allgemein wurde in diesem Zusammenhang die Verpflichtung des Ehemannes zur Leistung eines Prozeßkostenvorschusses als Ausfluß seiner Unterhaltspflicht erachtet (EFSlg 30.193, 32.240, 61.047, 61.048, Dullinger in RZ 1989, 6 ff). In diesem Zusammenhang wurde weiters ausgesprochen, daß ein Prozeßkostenvorschuß nur im Rahmen der Unterhaltspflicht auferlegt werden könne (EFSlg 32.241, 61.054, 61.056).

Bis zur Wende in der Rechtsprechung, wonach Unterhaltsansprüche nunmehr auch für die Vergangenheit zuerkannt werden können (JBl 1988, 586), wurde bereits entstandener Kostenaufwand vor Stellung eines Unterhaltsbegehrens nicht ersetzt (Pichler in Rummel, ABGB2, Rz 8 a zu § 94; EFSlg 32.246). Auch Sonderbedarf muß jedoch nunmehr - soweit ein Anspruch auf dessen Bestreitung besteht - in Einklang mit der nun herrschenden Rechtsprechung für die Vergangenheit innerhalb der Verjährungsfrist geltend gemacht werden können (Reischauer in Rummel, ABGB2, Rz 4 zu § 1418). Diese Judikaturwende berücksichtigend, hat das Landesgericht für ZRS Wien zu 44 R 3042/90 bereits ausgesprochen, daß durch die Tatsache, daß Prozeßkosten zum Teil bereits aufgelaufen sind, die Bewilligung eines Prozeßkostenvorschusses grundsätzlich nicht gehindert werde, da Unterhalt eben auch für die Vergangenheit begehrt werden könne (EFSlg 64.319).

Notwendiger Prozeßkostenaufwand einschließlich Rechtsanwaltskosten ist daher als "übriges Bedürfnis" im Sinne des § 672 ABGB unter den Unterhaltsbegriff einzuordnen und daher auch nach allgemeinen Unterhaltsgrundsätzen, d.h. insbesondere auch für die Vergangenheit, zuzusprechen (Pichler in Rummel, ABGB2, Rz 8 a zu § 94 ABGB). Es besteht hier kein Anlaß zur Differenzierung zwischen Kindesunterhalt und Ehegattenunterhalt, zumal § 382 Abs 1 Z 8 lit a EO, zu welcher Bestimmung die zitierte Judikatur ergangen ist, sowohl die Regelung des einstweiligen Ehegatten- als auch des einstweiligen Kindesunterhaltes enthält und andererseits die Rechtsprechung Prozeßkosten unter den allgemeinen Unterhalsbegriff des § 672 ABGB einordnet, welcher zwischen Ehegatten- bzw Kindesunterhalt wiederum nicht differenziert.

Da unter Regelbedarf nur jener Bedarf zu verstehen ist, den jedes Kind einer bestimmten Altersstufe in Österreich, ohne Rücksicht auf die konkreten Lebensverhältnisse seiner Eltern, an Nahrung, Kleidung, Wohnung und zur Bestreitung der weiteren Bedürfnisse, wie etwa kulturelle und sportliche Betätigung, sonstige Freizeitgestaltung und Urlaub hat, ist das Begehren des minderjährigen Antragstellers unter den Begriff des Sonderbedarfes einzuordnen. Hierunter versteht man den den Regelbedarf übersteigenden Bedarf, der dem Unterhaltsberechtigten infolge Berücksichtigung der bei der Ermittlung des Regelbedarfs bewußt außer acht gelassenen Umstände erwächst (ÖA 1991, 100). Der Rekurssenat vertritt daher die Ansicht, daß der Minderjährige berechtigt ist, notwendige Vertretungskosten, die ihm im Zusammenhang mit der Durchsetzung seiner berechtigten Ansprüche gegen seinen Vater entstanden sind, im Rahmen seines Unterhaltsanspruches, konkret aus dem Titel des Sonderbedarfes, von seinem Vater zu verlangen."

Die weiteren Rechtsausführungen des Rekursgerichtes beschäftigen sich mit inzwischen ausgeräumten Problemen der pflegschaftsbehördlichen Genehmigung der Bevollmächtigung des österreichischen und des italienischen Rechtsanwaltes.

Der Beschluß des Rekursgerichtes enthält den Ausspruch, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Begründet wurde dies mit der Notwendigkeit einer Stellungnahme des OGH zur Rechtsfrage, ob die einem Minderjährigen bei der Durchsetzung seiner Unterhaltsansprüche erwachsenen Vertretungskosten als Unterhaltssonderbedarf anzuerkennen sind.

Im nunmehr vorliegenden Revisionsrekurs macht der Vater des Minderjährigen geltend, daß die Entscheidung über den verfahrensgegenständlichen Antrag nicht von unterhaltsrechtlichen Fragen abhänge. Da der Minderjährige nur solche Vertretungskosten geltend mache, für die ihm in den Hauptverfahren kein Ersatzanspruch zustehe und deshalb auch nicht gewährt wurde (so vor allem für außergerichtliche Leistungen seiner Anwälte), könne er sein jetziges Begehren nur auf den Titel des Schadenersatzes oder der Bereicherung stützen. Dabei werde vor allem die Frage der Notwendigkeit des Kostenaufwandes zu klären sein. Die damit zusammenhängenden schwierigen Beweis- und Rechtsprobleme ließen die Behandlung der Sache nur im streitigen Verfahren zu. Die unterhaltsrechtliche Sonderbeziehung zwischen den Streitteilen stehe dem nicht entgegen. Schließlich sei der Meinung des Rekursgerichtes entgegenzutreten, daß vom Unterhaltsberechtigten ein Sonderbedarf generell für die Vergangenheit geltend gemacht werden könne. Die Judikatur sehe das nur in besonderen Fällen und unter besonders strengen Anforderungen vor. Der Revisionsrekursantrag geht dahin, in Abänderung des angefochtenen Beschlusses die Entscheidung des Erstgerichtes wiederherzustellen oder den angefochtenen Beschluß aufzuheben und die Sache zur neuerlichen Entscheidung an eine der Vorinstanzen zurückzuverweisen.

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht angeführten Grund zulässig, er ist jedoch nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Angesichts der überzeugenden Argumentation des Rekursgerichtes, gegen die der Rechtsmittelwerber nichts Stichhältiges vorzubringen vermag, kann sich die Entscheidung auf eine kurze Zusatzbegründung beschränken (§ 16 Abs 3 AußStrG iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Sie hat damit zu beginnen, daß nach heute herrschender Ansicht zur Unterhaltspflicht auch die Übernahme der Kosten eines den Unterhaltsberechtigten treffenden Verfahrens gehört (Dullinger, Zur Prozeßfähigkeit minderjähriger und geistig behinderter Personen, RZ 1989, 9 mwN; Pichler in Rummel2, Rz 8 a zu § 94 ABGB). Die einem Minderjährigen im Rahmen der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung erwachsenden Verfahrenskosten begründen daher grundsätzlich einen vom Unterhaltspflichtigen abzudeckenden Sonderbedarf, wenn sie aus den laufenden Unterhaltsleistungen nicht bestritten werden können.

Die Mittel zur Deckung dieses Sonderbedarfs kann der Unterhaltsberechtigte vom Unterhaltspflichtigen auch dann verlangen, wenn er sie selbst vorgestreckt hat, der Grund für den Anspruch also bereits in der Vergangenheit liegt. Das wurde in den vom Rechtsmittelwerber zitierten Ausnahmsfällen bereits früher judiziert (vgl JBl 1986, 312) und gilt umso mehr jetzt, wo Unterhalt generell auch für die Vergangenheit beansprucht werden kann (SZ 61/143 ua). Für den durch einen Sonderbedarf ausgelösten Unterhaltsanspruch besteht insoweit keine Sonderregelung (vgl Reischauer in Rummel2, Rz 4 zu § 1418 ABGB; Schlemmer-Schwimann in Schwimann, Rz 31 zu § 140

ABGB).

Damit ist - wie das Rekursgericht zutreffend erkannte - die gegenständliche Angelegenheit ins außerstreitige Verfahren verwiesen, weil Unterhaltsansprüche Minderjähriger (von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen) im außerstreitigen Verfahren zu verfolgen sind (Purtscheller - Salzmann, Unterhaltsbemessung, Rz 58). Ob und inwieweit sie im konkreten Fall zu Recht bestehen, ist hier - anläßlich der Überprüfung der Rechtswegzulässigkeit - nicht zu entscheiden. Die im Revisionsrekurs angeschnittenen Fragen, ob der geltend gemachte Sonderbedarf den strengen Anforderungen der Judikatur genügt, insbesondere ob der Kostenaufwand notwendig war, inwieweit er aus dem laufenden Unterhalt bestritten werden konnte und ob er im Leistungsvermögen des Unterhaltspflichtigen Deckung findet (vgl Purtscheller - Salzmann aaO, Rz 12), bedürfen also keiner Erörterung.

Zu prüfen bleibt, ob nicht - wie vom Erstgericht vertreten - § 2 Abs 2 Z 7 AußStrG eine Verweisung des gegenständlichen Unterhaltsbegehrens auf den streitigen Rechtsweg ermöglicht. Eine Verweisung nach dieser Gesetzesstelle könnte jedoch nach heute herrschender Auffassung nur einzelne Vorfragen betreffen, die sich mit den Mitteln des Außerstreitverfahrens nicht lösen lassen (vgl Dolinar, Grundzüge des Außerstreitverfahrens, 85 ff mwN in FN 223). Ob solche auftauchen, läßt sich jetzt noch nicht sagen. An der prinzipiellen Zuständigkeit des Außerstreitgerichtes zur Entscheidung über den Unterhaltsanspruch bleibt jedenfalls festzuhalten, weshalb der angefochtene Beschluß vollinhaltlich zu bestätigen war.

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