OGH 1Ob604/94

OGH1Ob604/9423.11.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Pimmer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei T***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. August Rogler, Rechtsanwalt in Vöcklabruck, wider die beklagte Partei Ferdinand A*****, Deutschland, *****, vertreten durch Dr. Helmut Valenta und Dr. Gerhard Gfrerer, Rechtsanwälte in Linz, wegen DM 13.428,80 sA (= öS 95.344,48 sA), infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Wels als Berufungsgerichtes vom 18. Mai 1994, GZ R 293/94-26, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Vöcklabruck vom 28. Jänner 1994, GZ 2 C 1536/92p-21, aufgehoben und die Klage zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß die erstinstanzliche Entscheidung wiederhergestellt, die von der beklagten Partei erhobene Unzuständigkeitseinrede also verworfen wird; im übrigen wird der angefochtene Beschluß aufgehoben und dem Berufungsgericht eine Entscheidung über die von der beklagten Partei erhobene Berufung unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Prozeßkosten.

Text

Begründung

Die Klägerin begehrt vom Beklagten die Bezahlung von DM 13.428,80 sA. Der Beklagte habe von der Klägerin einen Eisroboter zum Kaufpreis von DM 33.572,-- erworben. Er habe dieses Gerät in der Saison 1991 benützt und gebraucht. Der Eisroboter habe ordnungsgemäß funktioniert. Dennoch habe der Beklagte nach Abschluß der Saison Mängel reklamiert, um die Rücknahme des Eisroboters durch die Klägerin zu erreichen. Die Klägerin sei berechtigt, im Stornierungsfalle 40 % des Kaufpreises als Stornogebühr zu verlangen. Obwohl der Beklagte nicht berechtigt sei, vom Vertrag zurückzutreten, begehre die Klägerin vorläufig lediglich 40 % des Kaufpreisbetrages. Die Zuständigkeit des Erstgerichtes stützte die Klägerin darauf, daß zwischen den Parteien die ausschließliche örtliche und sachliche Zuständigkeit des Erstgerichtes gemäß § 104 JN vereinbart worden sei.

Der Beklagte beantragte Klagsabweisung, weil die Eiserzeugungsmaschine wesentliche Mängel aufgewiesen habe, deren Behebung der Klägerin nicht gelungen sei. Im übrigen wendete er die örtliche und sachliche Unzuständigkeit des Erstgerichtes ein, weil dessen Zuständigkeit nie vereinbart worden sei. Die auf der Rückseite des Auftrags zur Anlieferung der Eiserzeugungsmaschine aufscheinenden Geschäftsbedingungen seien nicht Gegenstand der Vereinbarung geworden.

Das Erstgericht verwarf die vom Beklagten erhobene Unzuständigkeitseinrede und erkannte ihn schuldig, der Klägerin S 95.344,48 sA zu bezahlen. Hinsichtlich der Zuständigkeitsfrage ging es davon aus, daß auf dem Auftrag und auch auf dem Lieferschein, die beide vom Beklagten unterfertigt worden seien, als Gerichtsstand „Österreich“ angegeben sei. Auch auf dem Kopf der Firmenpost sei auf den Sitz der Klägerin in Österreich hingewiesen worden. Hätte der Beklagte Auftrag und Lieferschein vor deren Unterfertigung überprüft, hätte ihm die Vereinbarung des inländischen Gerichtsstandes auffallen müssen. Die im Auftrag angeführten Geschäftsbedingungen seien Inhalt des zwischen den Streitteilen abgeschlossenen Kaufvertrags geworden. Damit sei aber die örtliche und sachliche Zuständigkeit des Erstgerichtes vereinbart worden.

Das Berufungsgericht stellte aufgrund der Einsichtnahme in den Auftrag (Beilage A) ergänzend fest, daß der Beklagte am 1.8.1991 schriftlich einen Eisroboter um DM 29.900,-- zuzüglich 14 % USt bestellt habe, die Bestellung am Sitz des Betriebes des Beklagten in G*****, Deutschland, erfolgt sei, und die Klägerin ihren Sitz in dem in Österreich gelegenen F***** habe. Die Bestellung sei aufgrund eines Besuches eines selbständigen Handelsvertreters der Klägerin, der an deren Niederlassung in I***** tätig sei, erfolgt. Der schriftliche Auftrag, den der Beklagte unterfertigt habe, enthalte augenfällig im Kopf die Firmenbezeichnung der Klägerin, darunter deren Anschrift in Österreich, sowie daneben zusätzlich den - größer aufgedruckten - Hinweis „Zweigstelle BRD D-***** I*****“. Oberhalb der Unterschrift des Auftraggebers werde auf die umseits abgedruckten Geschäftsbedingungen verwiesen, und werde der Kunde um Kenntnisnahme zum Zweck der Erklärung seines Einverständnisses gebeten. Auf der Rückseite der Urkunde sei der Hinweis enthalten, daß für sämtliche Streitigkeiten aus dem abgeschlossenen Vertrag ausschließlich die örtliche und sachliche Zuständigkeit des Erstgerichtes vereinbart werde. In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht aus, daß eine Gerichtsstandsvereinbarung nicht vorliege. Der Beklagte habe mit einer Gerichtsstandsklausel, die ihn auf den Sitz der Klägerin im Ausland verwies, nicht zu rechnen brauchen; eine solche Klausel sei unter den gegebenen Umständen objektiv ungewöhnlich, weil der Beklagte mit einem Vertreter der Klägerin, der in einer in Deutschland gelegenen Zweigstelle der Klägerin tätig sei, Kontakt aufgenommen habe. Es sei nicht schlechthin verkehrs- und branchenüblich, daß der Partner eines im Inland abgeschlossenen Vertrages sein Gegenüber auf seinen Sitz im Ausland verweise. Selbst wenn sich der Beklagte von der auf der Rückseite des Auftragsformulars enthaltenen Gerichtsstandsklausel Kenntnis hätte verschaffen können, könne ihm eine grobe Fahrlässigkeit nicht angelastet werden. Demnach sei der Unzuständigkeitseinrede des Beklagten stattzugeben, das Urteil des Erstgerichtes und das diesem vorangegangene Verfahren aufzuheben und die Klage zurückzuweisen.

Der gegen diesen Beschluß erhobene Rekurs der Klägerin ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Unstrittig ist, daß der Beklagte den Auftrag zur Lieferung eines Eisroboters zum Kaufpreis von DM 33.572,-- unterfertigt hat und daß unmittelbar oberhalb der vom Beklagten gesetzten Unterschrift auf die „umseitig angeführten Geschäftsbedingungen“ hingewiesen wurde, wobei der Passus aufscheint, daß der Beklagte diese Geschäftsbedingungen lesen und zum Zeichen seines Einverständnisses unterfertigen möge (Beilage A). Es ist weiters unstrittig, daß der letzte Satz der umseits abgedruckten Geschäftsbedingungen dahin lautet, daß die Vertragsteile für sämtliche Streitigkeiten aus diesem Vertrag österreichisches Recht sowie die ausschließliche örtliche und sachliche Zuständigkeit des Bezirksgerichtes Vöcklabruck vereinbaren. Aufgrund dieses Sachverhalts ist die Zuständigkeit des Erstgerichtes zu bejahen.

Eine Zuständigkeitsvereinbarung ist eine (vorprozessuale) Prozeßhandlung, die in ihrer Wirksamkeit nach den Regeln des Prozeßrechts zu beurteilen ist (SZ 63/188; WBl 1987, 17). Das internationale Privatrecht (kurz IPR) ist grundsätzlich auf die Regelung von Privatrechtsfragen beschränkt; Regelungen über die Zuständigkeit der österreichischen Gerichte sind dem IPR nicht zu entnehmen, sie ergeben sich vielmehr aus den entsprechenden Verfahrensgesetzen, hier der Jurisdiktionsnorm. Erst wenn ein österreichisches Gericht zur Entscheidung berufen ist, stellt sich die nach dem IPR zu beurteilende Frage nach dem anzuwendenden Recht. Gegenstand der Entscheidung ist also eine verfahrensrechtliche Frage, die nach österreichischem Recht zu beurteilen ist (EvBl 1993/84).

Gemäß § 104 Abs. 1 JN können sich Parteien einem oder mehreren Gerichten erster Instanz namentlich angeführter Orte durch ausdrückliche Vereinbarung unterwerfen. Diese Vereinbarung muß urkundlich nachgewiesen werden. Nun hat im vorliegenden Fall die Klägerin den Auftrag Beilage A vorgelegt, in welchem eine Zuständigkeitsvereinbarung, nämlich daß das Erstgericht örtlich und sachlich zuständig sein sollte, enthalten ist. Hiezu ist vorweg klarzustellen, daß es ohne weiteres möglich ist, die ausschließliche Zuständigkeit eines ausländischen Gerichtes - von der Warte des Beklagten aus gesehen - zu vereinbaren (SZ 26/13; EvBl 1968/160; EvBl 1960/259). Liegt - wie hier - der urkundliche Nachweis einer Gerichtsstandsvereinbarung vor, trifft die die Richtigkeit des Urkundeninhaltes bestreitende Partei die Beweislast, daß die sich aus der Urkunde ergebende Unterwerfung unter die Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes tatsächlich nicht erfolgt sei (SZ 60/52; WBl 1987, 17 uva). Dieser Beweis ist dem Beklagten nicht gelungen.

Eine ausdrückliche Vereinbarung im Sinne des § 104 Abs.1 JN kommt bereits dadurch zustande, daß eine Urkunde mit einer entsprechenden Vereinbarung unterfertigt wird, selbst wenn über die Vereinbarung des Gerichtsstandes vorher nicht mündlich verhandelt wurde. Wer eine Urkunde unterfertigt, ist verpflichtet, sich auch mit ihrem Inhalt bekanntzumachen. Die Unterfertigung einer Urkunde gilt grundsätzlich als Erklärung des Einverständnisses mit ihrem Inhalt und bildet eine rechtsverbindliche Willensäußerung. Gemäß § 864a ABGB werden aber Bestimmungen ungewöhnlichen Inhalts in allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Vertragsformblättern, die ein Vertragsteil verwendet, nicht Vertragsbestandteil, wenn sie dem anderen nachteilig sind und er mit ihnen auch nach den Umständen, vor allem nach dem äußeren Erscheinungsbild der Urkunde, nicht zu rechnen brauchte; es sei denn, der eine Vertragsteil hat den anderen besonders darauf hingewiesen. Als objektiv ungewöhnlich ist eine Klausel dann zu beurteilen, wenn sie von den Erwartungen des Vertragspartners deutlich abweicht, sodaß er nach den Umständen mit ihr vernünftigerweise nicht zu rechnen brauchte. Einer solchen Klausel muß somit in gewissem Sinn ein Überrumpelungs- oder Übertölpelungseffekt innewohnen (BankArch 1994, 239; SZ 64/31; SZ 62/99; EvBl 1992/109 uva). Die Vereinbarung, daß ein bestimmtes Gericht zuständig sein soll, ist bei Kaufverträgen erfahrungsgemäß durchaus üblich. Eine derartige, für die Art des Rechtsgeschäftes typische Klausel in den Geschäftsbedingungen des Vertragspartners ist daher schon grundsätzlich selbst für einen unerfahrenen Vertragspartner nicht überraschend (RZ 1980/63; vgl. EvBl 1992/109). Daß der Beklagte die Urkunde bzw. die Geschäftsbedingungen vor der Unterschrift allenfalls nicht las, fällt ihm selbst zur Last, zumal er nicht einmal behauptet hat, er sei von der Klägerin in zurechenbarer Weise vom Lesen abgehalten worden (SZ 64/31; RZ 1980/63, SZ 41/16 uva). Vertragsbedingungen, die nicht außerhalb der üblichen Linie liegen - wie die Gerichtsstandsvereinbarung - und auch nicht versteckt auf irgendeiner Urkunde angebracht sind, müssen vom Empfänger der Urkunde, der selbst Kaufmann ist, beachtet und abgelehnt werden, wenn er nicht als damit einverstanden angesehen werden will (SZ 53/128). Die hier maßgebliche Gerichtsstandsvereinbarung war zwar auf der Rückseite des Auftrags angebracht, doch wurde unmittelbar oberhalb der vom Beklagten zu leistenden und auch geleisteten Unterschrift auf die umseitig angeführten Geschäftsbedingungen ausdrücklich verwiesen und gefordert, diese Geschäftsbedingungen zu lesen und mit der Unterschrift das Einverständnis - auch zu den Geschäftsbedingungen und damit zur Gerichtsstandvereinbarung - zu erklären. In Anbetracht dessen ist von einer wirksamen Gerichtsstandsvereinbarung zwischen den Streitteilen, entsprechend Beilage A, auszugehen (siehe hiezu SZ 60/52; EvBl 1987/41; RZ 1981/63; EvBl 1936/470; RZ 1933, 25; JBl 1931, 334; 8 Ob 649/90; 7 Ob 680/89; 3 Ob 657/79; 1 Ob 706/76 uva).

Der Umstand, daß der Beklagte mit der Vereinbarung eines österreichischen Gerichtes nicht gerechnet hat, macht die Gerichtsstandsvereinbarung weder unüblich noch ungewöhnlich. Abgesehen davon kommt es auch nicht auf die Ungewöhnlichkeit oder Gewöhnlichkeit der Bestimmung an, sondern nur darauf, ob der Vertragspartner des Verwenders mit der Bestimmung nach den Umständen rechnen mußte, was aber nach den obigen Ausführungen zu bejahen ist (vgl. EvBl 1985/148; JBl 1986, 508; SZ 57/78). Eine Zuständigkeitsvereinbarung gemäß § 104 Abs. 1 JN ist nicht „geschäftsfremd“ (siehe hiezu Kramer in Straube, HGB, Rz 14 vor § 343).

Zu prüfen bleibt, ob trotz örtlicher Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes ein hinreichender Inlandsbezug gegeben, die inländische Gerichtsbarkeit also zu bejahen ist. Mit dem Sitz der Klägerin in F***** und mit der Parteienvereinbarung auf die Prozeßführung vor einem bestimmten inländischen Gericht, die urkundlich nachgewiesen wurde, weiters mit der Vereinbarung der Anwendung österreichischen Rechts (Blg./A) und mit dem Umstand, daß der streitgegenständliche Eisroboter aus Österreich angeliefert wurde (siehe Beilagen ./E, F und H) ist eine solche ausreichende Nahebeziehung zum Inland gegeben (siehe ZfRV 1994, 208; JBl 1994, 343; IPRE 3/179, 194; IPRE 2/201, 203; Schwimann in JBl 1984, 12; SZ 55/95).

Die Zuständigkeitseinrede des Beklagten ist sohin zu verwerfen, sodaß der diesbezügliche erstinstanzliche Beschluß wiederherzustellen ist. Das Berufungsgericht wird sich nunmehr unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund mit der vom Beklagten erhobenen Berufung zu befassen und neuerlich zu entscheiden haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 ZPO.

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