OGH 9ObA197/94

OGH9ObA197/9416.11.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Steinbauer sowie die fachkundigen Laienrichter Mag.Eva-Maria Sand und Winfried Kmenta als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Josef B*****, ***** vertreten durch Dr.Georg Griesser und Dr.Roland Gerlach, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei *****kasse reg.Gen.m.b.H., ***** vertreten durch Dr.Giger, Dr.Ruggenthaler und Dr.Simon Partnerschaft, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung (Streitwert S 500.000), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27.Juni 1994, GZ 34 Ra 67/93-17, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 11.Jänner 1993, GZ 8 Cga 2013/91-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S

21.375 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 3.562,50 Umsatzsteuer) binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war seit 1.8.1961 Angestellter der Beklagten. 1966 wurde er zum Prokuristen bestellt und 1968 in den Vorstand berufen. Während seiner Vorstandstätigkeit schlossen die Streitteile mit Wirkung vom 1.1.1972 einen neuen Dienstvertrag ab. Punkt 10 desselben sieht unter anderem vor, daß der Kläger nach seinem Ausscheiden aus den Diensten der Beklagten einen Zuschuß zu der ihm seitens der gesetzlichen Pensionsversicherung gewährten Alterspension erhält. Die Gewährung des Zuschusses ist an die Vorlage des Pensionsbescheides des Versicherungsträgers gebunden. Die Grundsätze dieser Vertragsbestimmung haben auch Geltung, wenn das Dienstverhältnis vor Erreichung der Altersgrenze durch Kündigung seitens der Beklagten oder gemäß § 26 AngG aufgelöst wird. Die Höhe des Zuschusses richtet sich nach den letzten durch die Beklagte ausbezahlten Aktivitätsbezügen. Bei Eingehen eines anderen Dienstverhältnisses erlischt der Anspruch auf den Zuschuß. Des weiteren entfällt der Anspruch, wenn der Kläger das Dienstverhältnis selbst aufkündigt oder die Beklagte dasselbe durch Entlassung gemäß § 27 AngG oder wegen längerer Krankheit beendet. Im April 1976 wurde der Kläger schriftlich verständigt, daß er infolge Ablaufes der Funktionsperiode aus dem Vorstand ausscheide und von seiner Wiederwahl Abstand genommen werde. Er solle aber weiterhin als leitender Direktor im Bereich Außenorganisation und Werbung tätig sein und bleibe der mit ihm abgeschlossene Dienstvertrag unberührt. Mit Schreiben vom 27.6.1977 wurde das Dienstverhältnis des Klägers per 31.12.1977 von der Beklagten aufgekündigt. Es wurde im Kündigungsschreiben ausdrücklich darauf verwiesen, daß die Kündigung unter besonderer Beachtung des zwischen den Streitteilen am 1.1.1972 errichteten Dienstvertrages erfolge. Der am 7.11.1926 geborene Kläger ging dann ein neues Dienstverhältnis ein. Mit Bescheid vom 26.Jänner 1987 wurde dem Kläger die vorzeitige Alterspension wegen langer Versicherungsdauer nach Erreichung des 60.Lebensjahres gewährt. Ein schriftliches Ersuchen des Klägers um Gewährung des Pensionszuschusses vom 22.12.1989 wurde von der Beklagten unter Hinweis auf Punkt 10 des Dienstvertrages, wonach der Anspruch nach Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis durch Eingehen eines anderen Dienstverhältnisses erlösche, abschlägig beantwortet. Erst mit Erreichung des 65.Lebensjahres forderte der Kläger mit Schreiben vom 4.11.1991 die Beklagte zur Gewährung des Pensionszuschusses neuerlich auf.

Der Kläger begehrt die Feststellung, daß die Beklagte schuldig sei, ihm ab 31.12.1991 einen Pensionszuschuß in der Höhe des Unterschiedsbetrages, der sich aus der ihm nach dem ASVG gewährten Alterspension einerseits und 66 % des letzten monatlichen Aktivbruttobezuges, den er bei der Beklagten bezog, aufgewertet gemäß den Bestimmungen des Dienstvertrages vom 1.1.1972 mit Stichtag 31.12.1977 errechnet, monatlich im Vorhinein zu bezahlen.

Das Erstgericht erkannte im Sinne des Klagebegehrens. Rechtlich vertrat es die Ansicht, daß der im Dienstvertrag enthaltene Erlöschenstatbestand durch Eingehen eines neuen Dienstverhältnisses gemäß § 879 ABGB sittenwidrig sei. Eine Verjährung des Gesamtrechtsanspruches auf Pensionszuschuß sei gemäß § 1480 ABGB nicht eingetreten.

Das Gericht der zweiten Instanz gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge. Es führte rechtlich aus, daß es der beklagten Partei gemäß dem analog anzuwendenden § 37 Abs 2 AngG verwehrt sei die Rechte aus dem eine faktische Treuepflichtklausel bildenden Auflösungstatbestand gegen den Kläger geltend zu machen. Es sei zu berücksichtigen, daß der Kläger zur Sicherung seines Lebensunterhaltes nach Kündigung des Dienstverhältnisses durch die beklagte Partei gezwungen gewesen wäre ein neues Dienstverhältnis einzugehen um seinen Lebensunterhalt zu sichern. Das vertraglich zuerkannte Recht auf Pensionsbezug verjähre erst durch Nichtgebrauch innerhalb von dreißig Jahren. Lediglich für rückständige laufende Leistungen gelte die kurze Verjährungszeit von drei Jahren.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Klageabweisung abzuändern.

Die klagende Partei stellt den Antrag, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Wie das Berufungsgericht richtig erkannte, ist gemäß § 1480 ABGB zwischen der Verjährung des Gesamtrechtes auf Zuschußpension und der dreijährigen Verjährungszeit der Forderungen auf die wiederkehrenden monatlichen Zuschußzahlungen, die aus dem Gesamtrecht erfließen, zu unterscheiden (Klang in Klang2 VI 610, Schubert in Rummel ABGB2 Rz 1 zu § 1480). Ob die rückständigen Pensionszuschußzahlungen nun als Renten im Sinne des § 1480 erster Satz ABGB oder als Entgelt - auf Grund des Pensions(=Dienst)vertrags - zu entrichtende Leistungen (Schubert aaO Rz 4) angesehen werden können, macht keinen Unterschied, weil in beiden Fällen die Verjährungszeit für die einzelnen Leistungen drei Jahre ab Fälligkeit beträgt. Der Dienstnehmer, der einzelne Zuschußzahlungen verspätet geltend macht, verliert aber dadurch den Gesamtrechtsanspruch nicht, weil die Verjährungszeit für das Pensionsbezugsrecht als solches nach § 1480 ABGB dreißig Jahre und nur für die einzelnen Pensionsraten nach § 1480 1.Satz ABGB oder § 1486 Z 5 ABGB drei Jahre beträgt (Schubert aaO Rz 1; 3 Ob 536/77; 9 ObA 366/93; 9 ObA 343/93).

Anspruchsvoraussetzung für die Gewährung des Pensionszuschusses ist auf Grund des Dienstvertrages zwar die Vorlage des Pensionsbescheides, jedoch übersieht die Revisionswerberin die Feststellung, daß dem Kläger mit Bescheid vom 26.1.1987 die vorzeitige Alterspension gewährt wurde. Damit ist aber die Anspruchsvoraussetzung der Pensionsgewährung für den Grund des Anspruches, soweit dies für dieses Feststellungsverfahren von Bedeutung ist, bis zum Schluß der Verhandlung erster Instanz nachgewiesen worden, wenn auch die mangelnde Vorlage des Pensionsbescheides für die Frage der Fälligkeit und Höhe der einzelnen Zuschußraten von Bedeutung ist, was aber hier nicht zu untersuchen ist.

Die Zusage einer Leistung von betrieblichem Ruhegeld als entgeltliches Geschäft (ZAS 1989/20 [Binder]; DRdA 1990/33 [Resch]; DRdA 1993/58 [Eichinger]) kann unter anderem auf der Ebene des Einzelvertrages, wie im vorliegenden Fall, erfolgen. Der Pensionsvertrag ist ein Schuldvertrag, für den grundsätzlich, - soweit nicht das hier nicht zur Anwendung gelangende Betriebspensionsgesetz Ausnahmen vorsieht - Vertragsfreiheit besteht und auf den die Regeln des Allgemeinen Vertragsrechtes anzuwenden sind (Binder, Das Zusammenspiel der arbeits- und sozialrechtlichen Leistungsansprüche 360; Schrammel BPG 63; Steindl in Runggaldier/Steindl, Handbuch zur betrieblichen Altersversorgung 384; ZAS 1973/16 [Holzer], DRdA 1993/24 [Schrammel]).

Dem Arbeitgeber ist es demnach nicht untersagt, Bedingungen für die Leistungszusage zu normieren, nach deren Erfüllung der Anspruch auf das betriebliche Ruhegeld besteht. Dazu gehören sowohl aufschiebende als auch auflösende Bedingungen. Bei letzteren ist zu beachten, daß keine unzulässige Umgehung zwingender betriebspensionsrechtlicher Vorschriften bewirkt wird (Schrammel, Resolutivbedingungen im Arbeitsverhältnis ZAS 1984, 221 f; Schrammel, BPG 218 f; Schima, Zulässigkeit von Treuepflichtklauseln in Pensionsverträgen JBl 1993, 430 [501]) bzw sie nach allgemeinem Vertragsrecht nicht gegen die guten Sitten verstoßen (§ 879 Abs 1 ABGB).

Gemäß Art V Abs 3 BPG wäre das Betriebspensionsgesetz bei der vorliegenden Leistungszusage, die vor Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes gemacht wurde, nur auf die nach seinem Inkrafttreten erworbenen Anwartschaften anzuwenden. Die aus der Pensionsvereinbarung entspringende Anwartschaft des Klägers wurde aber vor Inkrafttreten des Betriebspensionsgesetzes erworben. Die alte Anwartschaft des Klägers unterliegt daher nicht dem Betriebspensionsgesetz (Schrammel BPG 125, 242; DRdA 1993/11 [Schrammel]), sodaß auch die in der Bestimmung, daß bei Eingehen eines anderen Dienstverhältnisses der Anspruch auf Zuschuß erlischt, zu erblickende auflösende Bedingung nach der vor dem Betriebspensionsgesetz geltenden Rechtslage zu beurteilen ist.

Eine Treuepflichtklausel ist eine Regelung in betrieblichen Pensionsverträgen, die im Falle eines vom ehemaligen Dienstnehmer gesetzten in der Klausel näher umschriebenen und in irgendeiner Weise gegen die Interessen des ehemaligen Arbeitgebers verstoßenden Verhaltens den endgültigen Verfall der Pensionsleistungen oder der Anwartschaft, das Ruhen der Pensionsleistungen, die Aussetzung des Erwerbes von Anwartschaften bzw die Anrechnung anderweitiger Leistungen auf die Betriebspension vorsieht (Schima aaO 431). Eine solche ist im vorliegenden Fall nicht vereinbart worden, weil die zu beurteilende Vertragsbestimmung überhaupt keinen Bezug zu einem mit den betriebsbedingten Interessen des Arbeitgebers in erkennbarem Widerspruch stehenden Verhalten des Klägers herstellt. Die Verfallsklausel ist dagegen eine Vertragsbestimmung, die den ersatzlosen Untergang der Anwartschaft für den Fall des Eintrittes vereinbarter Bedingungen normiert. Anspruchsvoraussetzung ist sohin der Nichteintritt der im vorliegenden Fall auflösenden Bedingung.

Da die Möglichkeit besteht, unbeschadet des § 36 AngG im Falle besonderer Knebelung des Arbeitnehmers durch eine Vertragsbestimmung diese im Rahmen des § 879 ABGB zu prüfen (Martinek-M. und W.Schwarz AngG7 701; Arb 9.385), braucht im vorliegenden Fall nicht auf die von der Lehre kritisierte Anwendbarkeit der §§ 36, 37 AngG auf derartige Verfallsklauseln eingegangen zu werden (Schima aaO, 431 ff mwN; Arb

10.742 = DRdA 1990/33 [Resch] = ZAS 1989/20 [Binder]).

Infolge der Vertragsfreiheit liegt kein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot vor. Es ist aber zu prüfen, ob die vereinbarte Bedingung gegen die guten Sitten verstößt. Diese sind dann verletzt, wenn ein offenbarer Verstoß gegen oberste Rechtsprinzipien, gegen grundlegende ethische Sollengesetze vorliegt und wenn die vom Richter vorzunehmende Interessenabwägung ein grobes Mißverhältnis zwischen den geförderten und den verletzten Interessen bzw grobe Äquivalenz störungen ergibt (Runggaldier in Runggaldier/Steindl, Handbuch zur betrieblichen Altersversorgung 165 [zum Widerrufsrecht]; ZAS 1991/9 mwN, ZAS 1992/15). Die guten Sitten sind der Inbegriff der zwar im Gesetz nicht ausdrücklich normierten, sich aber aus der Gesamtbetrachtung der rechtlichen Interessen und der zu beurteilenden Vereinbarung ergebenden Rechte. Die Wertentscheidungen und Grundprinzipien der Rechtsordnung sind für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit maßgeblich (Arb 9.385; MietSlg XXXVIII/22; ÖBA 1992, 1113; WBl 1992, 333).

Während eine Mobilitätsbeschränkung des Klägers bei Verwertung seiner Arbeitskraft im Rahmen einer die Interessen des Arbeitgebers beeinträchtigenden Weise seine Rechtfertigung im geschäftlichen Interesse des Dienstgebers im Sinne des § 36 AngG aufweisen würde, fehlt im vorliegenden Fall jeglicher Bezug der Beschränkung zu irgendwelchen betrieblichen Interessen des Dienstgebers am vereinbarten Verbot, ein anderes Dienstverhältnis einzugehen und daher jede Möglichkeit einer Verwertung der Arbeitskraft, auf die ein Arbeitnehmer aber zur Erhaltung seiner Existenz offenkundig angewiesen ist. Die Vertragsabrede zielt daher auf eine unzulässige einseitige durch nichts gerechtfertigte Knebelung des Arbeitnehmers nach Beendigung seines Dienstverhältnisses sogar auf Grund einer Kündigung durch den Dienstgeber und eine sich aufdrängende Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz des ehemaligen Dienstnehmers ab (Krejci in Rummel ABGB2 Rz 86 zu § 879). Berücksichtigt man, daß nicht einmal die durch eine zulässige Konkurrenzklausel begründeten Rechte bei Kündigung durch den Dienstgeber geltend gemacht werden können (§ 37 Abs 1 AngG), so erweist sich die die Erwerbstätigkeit ausschließende Bedingung von vornherein als sittenwidrig (vgl Martinek-M. und W.Schwarz aaO 703), zumal die Beklagte es nach dem Vertrag einseitig in der Hand hätte, durch eine Kündigung vor Erreichung des Pensionsalters den Kläger nach dem gewöhnlich zu erwartenden Lauf der Dinge zu einer anderen Beschäftigung zu zwingen und sie daher in der Lage wäre, den Ablauf der Ereignisse zu ihren Gunsten zu beeinflussen und den Eintritt der auflösenden Bedingung herbeizuführen. Es kommt nicht darauf an, daß der Kläger selbst keine Pensionsbeiträge leisten mußte. Dadurch, daß die Erfüllung der Bedingung nur scheinbar in der Ingerenz des Arbeitnehmers liegt und so gesehen zulässig wäre, in Wahrheit aber durch den Arbeitgeber durch seine seiner Willkür vorbehaltene Kündigung vor Erreichung des Pensionsalters und dem Wissenmüssen, daß ein 51jähriger Arbeitnehmer seine Arbeitskraft zur Existenzsicherung verwerten muß, zu seinem Vorteil herbeigeführt und von ihm beeinflußt werden kann und keineswegs dem wohlverstandenen Interesse des Arbeitnehmers dient (vgl DRdA 1992/29 [Mazal mwN], ZAS 1992/20 [Grassl-Palten] = Arb 10.925), liegt eine grobe Äquivalenzstörung zugunsten des Arbeitgebers vor, die Sittenwidrigkeit im Sinne des § 879 ABGB bedingt.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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