OGH 6Ob31/94

OGH6Ob31/9410.11.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Redl, Dr.Kellner und Dr.Schiemer als weitere Richter in der Firmenbuchsache der K***** Gesellschaft mbH mit dem Sitz in K*****, infolge Revisionsrekurses der Gesellschaft, vertreten durch Dr.Alix Frank, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgericht vom 2.August 1994, GZ 1 R 150/94-8, womit der Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt als Handelsgericht vom 8.Juni 1994, GZ FN 94685v, 5 Fr 678/94h-5, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die Gesellschaft ist seit 26.11.1971 - nunmehr zu FN 94685v des Firmenbuches - registriert; ihr Stammkapital beträgt 500.000 S.

Gesellschafter mit nachstehenden Stammeinlagen waren zuletzt: 1) Helga J*****, geb.5.11.1945/5.000 S (zugleich die alleinige Geschäftsführerin); 2) Bernhard J*****, geb.23.10.1939/117.500 S; 3) Dr.Helfried J*****, geb.4.3.1937/64.150 S; 4) Dr.Helmut J*****, geb.11.7.1906/58.350 S; 5) L***** GmbH/255.000 S.

Aufgrund der in der außerordentlichen Generalversammlung vom 18.9.1993 einstimmig beschlossenen Neufassung des Gesellschaftsvertrages, eingetragen in das Firmenbuch am 29.10.1993, lautete der Punkt "Fünftens, Veräußerung und Übergang von Geschäftsanteilen" wie folgt:

"1.) Die Veräußerung, Abtretung, Teilung sowie jeder sonstige Übergang unter Lebenden oder von Todes wegen, die Verpfändung und die sonstige Belastung eines Geschäftsanteiles mit Rechten Dritter ist nur mit Zustimmung aller übrigen Gesellschafter zulässig.

2.) Einer Zustimmung zum Übergang von Geschäftsanteilen unter Lebenden oder von Todes wegen bedarf es nicht, sofern der Übergang nur an einen einzigen eigenberechtigten ehelichen männlichen Deszendenten oder Bruder, beim Fehlen eines solchen auch an eine einzige eigenberechtigte weibliche Deszendentin oder Schwester, oder an Altgesellschafter dieser Firma erfolgt. Soferne die Gesellschafter Dr.Herbert J***** bzw Dr.Helmut J***** aus der Gesellschaft ausscheiden und zu diesem Zeitpunkt Bernhard J***** bzw Dr.Helfried J***** Gesellschafter sind, könne ihre Anteile nur jeweils an diese ihre Söhne übertragen werden.

3.) Im Todesfall kann ein Geschäftsanteil auch an einen nicht eigenberechtigten Deszendenten dann übergehen, wenn keine der in Abs.2.) angeführten Deszendenten, Brüder oder Schwestern des Erblassers vorhanden sind; in diesem Fall beschließt die Versammlung der Altgesellschafter die Modalitäten (Bestellung eines Treuhänders, Verwalters oder ähnliches) für diesen Eintritt."

Am 2.12.1993 ist der Gesellschafter Bernhard J***** verstorben. Er hinterließ den am 5.7.1978 geborenen ehelichen Sohn Vinzenz J*****. Mit notariellem Testament vom 17.8.1993 hatte Bernhard J***** seinen Sohn Vinzenz zum Alleinerben eingesetzt, zugleich aber seiner Schwester Heide J***** den Geschäftsanteil an der Gesellschaft mit bestimmten Auflagen und der Verpflichtung vermacht, ihn an seinen Sohn nach dessen abgeschlossener Berufsausbildung, spätestens jedoch mit Vollendung seines 35.Lebensjahres unentgeltlich zu übereignen und ihn von Todes wegen an seinen Sohn zu übertragen.

Mit Beschluß der außerordentlichen Generalversammlung vom 23.4.1994 wurde von den übrigen Gesellschaftern gegen die Stimme des in der Verlassenschaftssache nach dem am 2.12.1993 verstorbenen Gesellschafter Bernhard J***** bestellten Verlassenschaftskurators nachstehende Abänderung des Punktes "Fünftens Abs 2 und 3" des Gesellschaftsvertrages beschlossen, wogegen der Verlassenschaftskurator auch einen Widerspruch zu Protokoll gegeben hat:

"2.) Einer Zustimmung zum Übergang von Geschäftsanteilen unter Lebenden oder von Todes wegen bedarf es nicht, sofern der Übergang nur an einen einzigen ehelichen männlichen Deszendenten oder Bruder, beim Fehlen eines solchen auch an eine einzige weibliche Deszendentin oder Schwester, oder an Altgesellschafter dieser Firma erfolgt. Ein Übergang von Geschäftsanteilen im Wege einer Vorerbschaft, eines Vorlegates, eines Fruchtgenußrechtes bedarf jedenfalls der Zustimmung aller übrigen Gesellschafter. Soferne die Gesellschafter Dr.Helmut J***** und Bernhard J***** aus der Gesellschaft ausscheiden und zu diesem Zeitpunkt Dr.Helfried J***** Gesellschafter ist bzw Vinzenz J***** Gesellschafter durch Erbfall werden könnte, können ihre Anteile nur jeweils an diese ihre Söhne übertragen werden.

3.) Wenn durch Rechtsgeschäft unter Leben oder von Todes wegen ein Anteil an eine Person übergehen soll, die zwar aufgrund dieses Vertrages eintrittsberechtigt wäre, aber minderjährig ist oder ein Gesellschafter nach Eintritt in die Gesellschaft entmündigt wird, so ist durch ihn ein anderer Gesellschafter, in erster Linie aus demselben Stamm, zu bestimmen, der diesen Anteil gegen Überweisung von 90 % der auf den nicht Eigenberechtigten entfallenden Gewinnanteils an diesen bis zu seiner Großjährigkeit bzw Aufhebung der Entmündigung verwaltet. Danach tritt der bisher behinderte Teilnehmer in seine Rechte als Gesellschafter ein. Die im Punkt Fünftens Zif.2 und 3 getroffenen Regelungen gelten auch für jene Fälle, wo der Übertragungsfall unter Lebenden oder von Todes wegen vor der Beschlußfassung über diesbezügliche Änderungen des Punktes Fünftens Zif.2 und 3 dieses Gesellschaftsvertrages lag."

Die Geschäftsführerin der Gesellschaft meldet diese Änderung des Gesellschaftsvertrages zur Eintragung in das Firmenbuch an.

Das Erstgericht wies das Eintragungsgesuch ab. Die Abänderung betreffe Vertragspunkte, in denen dem verstorbenen Gesellschafter Sonderrechte im Sinne des § 50 Abs 4 GmbHG eingeräumt worden seien. Sie hätte daher nur unter Zustimmung des Verlassenschaftskurators beschlossen werden können. Außerdem widerspreche die beschlossene Rückwirkung der Vertragsänderung der Bestimmung des § 49 Abs 2 GmbHG.

Das Rekursgericht bestätigte den erstgerichtlichen Beschluß und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Die Frage, ob die vorliegende Änderung des Gesellschaftsvertrages ein Sonderrecht des verstorbenen Gesellschafters im Sinne des § 50 Abs 4 GmbHG betreffe, könne dahingestellt bleiben, weil eine rückwirkende Satzungsänderung - soferne sie überhaupt zulässig sei - jedenfalls der Zustimmung sämtlicher Gesellschafter bedurft hätte. Auch der das Gesellschaftsrecht beherrschende Grundsatz von Treu und Glauben gebiete für eine rückwirkende Satzungsänderung das Erfordernis der Einstimmigkeit, wenn damit - wie hier - in eine im Vertrauen auf die statutarische Gültigkeit des Gesellschaftsvertrages getroffene Verfügung eines Gesellschafters eingegriffen werde. Die rückwirkende Satzungsänderung sei wirkungslos, greife sie doch in die Rechte des ruhenden Nachlasses nach dem verstorbenen Gesellschafter ein, indem sie dessen Vermächtnis gegenstandslos mache.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Gesellschaft ist entgegen der Meinung des Rekursgerichtes schon deshalb zulässig, weil zur Frage der Zulässigkeit und der allfälligen Stimmrechtserfordernisse von rückwirkenden Satzungsänderungen eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehlt. Der Revisionsrekurs ist aber nicht berechtigt.

Entgegen der Meinung der Rechtsmittelwerberin hat das Rekursgericht im Ergebnis zu Recht die Frage offengelassen, ob die in Rede stehende Beschlußfassung ein dem verstorbenen Gesellschafter eingeräumtes Sonderrecht im Sinne des § 50 Abs 4 GmbHG betrifft, weil in einem solchen Fall der Generalversammlungsbeschluß nicht etwa schwebend unwirksam, sondern nur mit Nichtigkeitsklage gemäß § 41 GmbHG anfechtbar wäre, weshalb das Firmenbuchgericht die Eintragung schon deshalb nicht ablehnen, sondern das Eintragungsverfahren allenfalls nur gemäß § 19 FBG unterbrechen dürfte (Koppensteiner, GmbH-Gesetz Kommentar Rz 23 und 57 zu § 41 mwN), weil der Verstoß mangels fristgerechter und erfolgreicher Geltendmachung mit einer Nichtigkeitsklage geheilt wäre (SZ 56/84; SZ 59/104; ecolex 1991, 782).

Demgegenüber hat aber das Firmenbuchgericht die Unwirksamkeit eines Generalversammlungsbeschlusses sehr wohl zu berücksichtigen (Koppensteiner aaO Rz 42 zu § 41). Da die in Rede stehende Änderung des Gesellschaftsvertrages die bisherige Regelung über die Übertragbarkeit und Vererblichkeit der Geschäftsanteile ausdrücklich mit rückwirkender Kraft ersetzen soll, hängt die Entscheidung von der Lösung der Frage ab, ob in einem solchen Fall der Generalversammlungsbeschluß erst mit Zustimmung aller von der Abänderung betroffenen Gesellschafter wirksam wird. Das wurde zwar für die ex nunc-Abänderung bzw -Einführung einer die freie Übertragbarkeit und Vererblichkeit der Geschäftsanteile (§ 76 Abs 1 GmbHG) beschränkenden Bestimmung des Gesellschaftsvertrages verneint (SZ 38/87), in der nur zwei Jahre später ergangenen, eine Aktiengesellschaft betreffenden Entscheidung SZ 40/73 aber bejaht (Koppensteiner aaO Rz 4 zu § 76 mwH). Ob der Standpunkt der älteren Entscheidung im Hinblick auf die überzeugende Begründung der jüngeren Entscheidung überhaupt noch aufrecht erhalten werden könnte, muß hier ebensowenig entschieden werden wie die Frage, ob rückwirkende Satzungsänderungen grundsätzlich unzulässig oder doch in bestimmten Ausnahmefällen wirksam sind (vgl die Zusammenfassung der hiezu in Lehre und Rechtsprechung der Gerichte zweiter Instanz vertretenen unterschiedlichen Standpunkte: Koppensteiner aaO Rz 12 zu § 49). Die rückwirkende Abänderung einer die Übertragbarkeit und Vererblichkeit der Geschäftsanteile betreffenden Bestimmung des Gesellschaftsvertrages bedarf nämlich jedenfalls der Zustimmung aller hievon betroffenen Gesellschafter: Eine derartige rückwirkende Satzungsänderung kann schon deshalb nicht mit Wirkung gegenüber Gesellschaftern eingeführt werden, die ihre Zustimmung verweigern, weil diese aufgrund der abgeänderten Regelung des Gesellschaftsvertrages bereits von der Gemeinschaft zugebilligte und daher wohlerworbene Rechte erworben hatten, die ihnen durch Majorisierung keinesfalls rückwirkend entzogen werden können (vgl Koppensteiner aaO Rz 43 zu § 41; SZ 40/73).

Im vorliegenden Fall hat der verstorbene Gesellschafter mit letztwilliger Verfügung Anordnungen über seinen Geschäftsanteil getroffen, die nach der Regelung des im Zeitpunkt seines Todes am 2.12.1993 in Kraft befindlichen Gesellschaftsvertrages einer Zustimmung der übrigen Gesellschafter nicht bedurften. Die rückwirkende Abänderung greift daher in seine wohlerworbenen Rechte bezüglich der freien Verfügbarkeit über den Geschäftsanteil ein, zielt sie doch nur darauf ab, der getroffenen letztwilligen Anordnung den Boden zu entziehen. Insoweit werden durch die beschlossene rückwirkende Satzungsänderung auch nicht alle Gesellschafter gleichmäßig betroffen, weshalb diese außerdem den Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt (Koppensteiner aaO Rz 4 zu § 76). Zur Wirksamkeit der rückwirkend beschlossenen Satzungsänderung wäre daher schon aus diesem Grund entgegen der Meinung der Gesellschaft die Zustimmung des von dieser Maßnahme betroffenen Gesellschafters, hier also des Nachlasses, vertreten durch den Verlassenschaftskurator (Koppensteiner aaO Rz 15 zu § 76), erforderlich gewesen.

Diese Erwägungen führen bereits zur Bestätigung des angefochtenen Beschlusses.

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