OGH 6Ob786/82

OGH6Ob786/8226.5.1983

SZ 56/84

Normen

GmbHG §41
GmbHG §41

 

Spruch:

Angebliche Mängel eines Beschlusses der Generalversammlung einer GesmbH, die das Gesetz der Anfechtung nach § 41 GmbHG unterwirft, können einer Klage der Gesellschaft nicht einredeweise entgegengehalten werden

OGH 26. 5. 1983, 6 Ob 786/82 (OLG Wien 4 R 78/82; HG Wien 32 Cg 337/80)

Text

Die Klägerin, eine GesmbH, machte die Haftung der Beklagten als ihrer ehemaligen Gesellschafterin für die mit den Generalversammlungsbeschlüssen vom 8. 1. 1980 beschlossenen Nachschüsse geltend.

Die Beklagte wendete vor allem die Unwirksamkeit der am 8. 1. 1980 beschlossenen Satzungsänderung über die Zulässigkeit der Einforderung von Nachschüssen und der darauf beschlossenen Einforderung solcher Nachschüsse wegen Nichtigkeit der in der Generalversammlung vom 1. 10. 1979 beschlossenen Erhöhung des Stammkapitals unter Zulassung eines Dritten zur Übernahme der neuen Stammeinlagen ein.

Das Erstgericht verurteilte die Beklagte zur Zahlung des Betrages von 240 000 S samt 6% Zinsen seit 14. 4. 1980. Es stellte folgenden Sachverhalt fest: Die Beklagte hatte als Gründerin der mit einem Stammkapital von 100 000 S errichteten GesmbH eine Stammeinlage von 80 000 S übernommen, während ein Diplomkaufmann die Stammeinlage von 20 000 S übernommen hatte. Nach dem Gesellschaftsvertrag sind die Einberufung und Ankündigung der Tagsatzung einer Generalversammlung mittels eingeschriebenen Briefes bekanntzugeben, wobei zwischen dem Tag der Aufgabe der Sendung zur Post und dem Tag der Versammlung mindestens ein Zeitraum von 14 Tagen liegen muß. Nach dem Gesellschaftsvertrag bedarf es zu seiner Abänderung einer Mehrheit von 85% der abgegebenen Stimmen. Zu der für 1. 10. 1979 einberufenen außerordentlichen Generalversammlung wurde die Beklagte mittels eingeschriebenen Briefes vom 15. 9. 1979 unter Bekanntgabe der Tagesordnungspunkte: 1. Beschlußfassung über die erforderlichen Maßnahmen auf Grund der Besprechung vom 14. 9. 1979; 2. Beschlußfassung über die Regelung der Geschäftsführung; 3. Allfälliges eingeladen. Sie erhielt diese Einladung am 15. 9. 1979. Mit dem am 28. 9. 1979 zur Postaufgabe gebrachten eingeschriebenen Brief kundigte der gesellschaftsvertraglich zum Geschäftsführer bestellte Mitgesellschafter der Beklagten an, daß die Tagesordnung der außerordentlichen Generalversammlung um die Beschlußfassung über eine Erhöhung des Stammkapitals auf 600 000 S unter Zulassung einer VermögensverwertungsgesellschaftmbH zur Übernahme der neuen Stammeinlage von 500 000 S erweitert werde. Die Beklagte erhielt diese Ankündigung wieder am Tag ihrer Postaufgabe. Auf eine Belehrung des anwaltlichen Vertreters, in dessen Begleitung sie an der außerordentlichen Generalversammlung vom 24. 9. 1979 teilgenommen hatte, daß die Ladung zur außerordentlichen Generalversammlung vom 1. 10. 1979 verspätet erfolgt sei, ließ die Beklagte diese Versammlung unbesucht. Von den beiden Gesellschaftern erschien daher zur außerordentlichen Generalversammlung vom 1. 10. 1979 nur der Minderheitsgesellschafter. Mit seiner Stimme wurde die Kapitalerhöhung iS der Ankündigung vom 28. 9. 1979 beschlossen, notariell beurkundet und noch am 1. 10. 1979 in das Protokollbuch eingetragen. Der Geschäftsführer meldete den Beschluß auf Erhöhung des Stammkapitals zur Eintragung in das Handelsregister an. Gegen die entsprechende Eintragungsverfügung vom 17. 10. 1979 erhob die Beklagte Rekurs. Das Rekursgericht wies dieses Rechtsmittel zurück.

Für 8. 1. 1980 berief der Geschäftsführer eine neuerliche Generalversammlung ein. Die Einladung an die Beklagte mit der Bekanntgabe der Tagesordnung erfolgte mittels eines am 24. 10. 1979 zur Postaufgabe gebrachten rekommandierten Schreibens. Der erste Punkt der bekanntgegebenen Tagesordnung sollte eine Abänderung des Gesellschaftsvertrages über die Zulässigkeit einer Einforderung von Nachschüssen bis zur dreifachen Höhe der Stammeinlage sein. An der Generalversammlung vom 8. 1. 1980 nahmen der eingangs erwähnte Diplomkaufmann in seiner Eigenschaft als Gesellschafter mit einer Stammeinlage von 20 000 S (3 1/3%) und als Geschäftsführer der Vermögensverwertungsgesellschaft, die die neue Stammeinlage von 500 000 S (83 1/3%) übernommen hatte, sowie ein Bevollmächtigter der Beklagten als einer Gesellschafterin mit einer Stammeinlage von 80 000 S (13 1/3%) teil. Der Machthaber der Beklagten kundigte an, daß die Beklagte die in der Versammlung vom 1. 10. 1979 gefaßten Beschlüsse anfechten werde und gegen die Eintragungsverfügung vom 17. 10. 1979 ein Rechtsmittel ergriffen habe. Gegen die Stimme der Beklagten und mit den Stimmen der beiden übrigen Gesellschafter wurde beschlossen, den Gesellschaftsvertrag durch folgende Bestimmung zu ergänzen: "Die Gesellschafter können - auch vor der vollständigen Einzahlung des Stammkapitals - die Einforderung von Nachschüssen bis zur dreifachen Höhe der Stammeinlagen beschließen."

Im selben Stimmenverhältnis wurde die Einforderung der Nachschüsse, die zu den von der Geschäftsführung bekanntzugebenden Fälligkeiten einzuzahlen waren, in der dreifachen Höhe der Stammeinlage beschlossen. Ein formeller Widerspruch gegen diese Beschlüsse wurde von der Beklagten nicht zu Protokoll gegeben. Die in der Versammlung vom 8. 1. 1980 gefaßten Beschlüsse wurden noch am selben Tag in das Protokollbuch eingetragen.

Mit dem Schreiben vom 4. 4. 1980 forderte die Klägerin von der Beklagten und den beiden übrigen Gesellschaftern die sofortige Einzahlung der auf sie entfallenden Nachschüsse. Dieser Aufforderung entsprach der eingangs erwähnte Diplomkaufmann durch Zahlung von 60 000 S am 20. 5. 1980 und die Mehrheitsgesellschafterin bis 10. 10. 1980 zu zwei Dritteln durch Teilzahlungen von insgesamt 1 Mill. S. Die Klägerin drohte der Beklagten mit eingeschriebenem Brief vom 14. 4. 1980 unter Bestimmung einer Nachfrist von einem Monat ab dem Empfang des Schreibens den Ausschluß aus der Gesellschaft an. Die Beklagte erklärte hierauf ihrerseits mit jeweils gleichlautenden Schreiben vom 5. 5. 1980 der Gesellschaft sowie ihren beiden anderen Gesellschaftern die Kündigung zum 31. 12. 1980 und bot den Mitgesellschaftern ihre Stammeinlage zur Ausübung des gesellschaftsvertraglich festgelegten Vorkaufsrechtes an. Die Klägerin erklärte mit rekommandiertem Brief vom 16. 5. 1980 wegen fruchtlosen Verstreichens der zur Einzahlung der Nachschüsse gesetzten Nachfrist den Ausschluß der Beklagten aus der Gesellschaft.

In rechtlicher Würdigung folgerte das Erstgericht, daß die Generalversammlungsbeschlüsse vom 1. 10. 1979 und vom 8. 1. 1980 mangels urteilsmäßiger Nichtigerklärung für die Beklagte verbindlich seien. Eine absolute Nichtigkeit, die nach einer in der Lehre vertretenen Auffassung auch außerhalb der fristgebundenen Klage nach § 41 GmbHG geltend gemacht werden könnte, liege keinesfalls vor, sodaß sich die Frage nach der Beachtlichkeit solcher Mängel von Generalversammlungsbeschlüssen außerhalb eines Verfahrens nach § 41 GmbHG nicht stelle.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Es billigte die Beurteilung durch das Erstgericht und hob hervor, daß sämtliche Umstände, die nach dem erstinstanzlichen Einwendungsvorbringen der Rechtsmittelwerberin eine Fehlerhaftigkeit der Beschlüsse zur Kapitalerhöhung und zur Einforderung von Nachschüssen hätten aufzeigen sollen, Tatbestände des § 41 Abs. 1 GmbHG erfüllten und deshalb - selbst wenn man unterstellte, es gäbe Mängel von Generalversammlungsbeschlüssen, die auch außerhalb des im § 41 GmbHG geregelten Verfahrens und daher unbefristet geltend gemacht werden könnten - jedenfalls nur mit der fristgebundenen Nichtigkeitsklage hätten geltend gemacht werden können.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Gesellschaft stützte ihre Klage auf Zahlung der Nachschüsse auf die in der Generalversammlung vom 8. 1. 1980 gefaßten Beschlüsse. Die Beklagte erachtete diese für sie nicht verbindlich. Die Wahrung der äußeren Erscheinungsform von Generalversammlungsbeschlüssen ist ebenso unbestritten wie der Umstand, daß die Beklagte eine Anfechtung der Beschlüsse mittels der in § 41 GmbHG vorgesehenen Klage unterlassen hat. Angebliche Mängel eines Gesellschafterbeschlusses, die das Gesetz der Anfechtung nach § 41 GmbHG unterwirft, können aber nicht mit Erfolg einredeweise geltend gemacht werden. Denn das über die Klage nach § 41 GmbHG ergehende Urteil ist rechtsgestaltend, ein mit der Klage nach § 41 GmbHG angefochtener Beschluß äußert, solange er nicht urteilsmäßig aufgehoben wurde, die einem Gesellschafterbeschluß zukommende Rechtswirkung. Bis zum Eintritt der Rechtskraft des der Klage nach § 41 GmbHG stattgebenden Urteiles ist der Inhalt des Gesellschafterbeschlusses ein geschäftsintern aufrecht bestehender Wille der Gesellschaft anzusehen (vgl. Kastner, JBl. 1953, 313; GesRZ 1980, 92; RZ 1976/39; RZ 1958, 46 ua.).

Ein Gesellschafterbeschluß, dem ein im § 41 GmbHG genannter Mangel anhaftet, der aber nicht innerhalb der Fallfrist von einem Monat klageweise angefochten und in der Folge urteilsmäßig als nichtig erklärt wurde, gilt als Wille der Gesellschafterversammlung und damit als Wille der Gesellschaft. Eine solche nach außen formell als Gesellschafterbeschluß in Erscheinung getretene Willensbildung ist nur noch durch einen neuerlichen Gesellschafterbeschluß aus der Welt zu schaffen. Fraglich könnte daher nur die Verbindlichkeit des im Gesellschafterbeschluß festgelegten Gesellschaftswillens wegen seines auf ein strafgesetzwidriges oder sonst unzulässiges Verhalten abzielenden Inhaltes sein (etwa die gesellschaftsinterne Bindung des Geschäftsführers an einen Auftrag zu Steuerhinterziehungen und ähnliches). Nur unter diesem Gesichtspunkt könnte dem Einwand eines Gesellschafters Beachtlichkeit beigemessen werden, ein - hinsichtlich seines Zustandekommens nicht mehr überprüfbarer - Gesellschafterbeschluß sei wegen seines Inhaltes sittenwidrig, weil er nur die Verkürzung von Gesellschafterrechten zum Ziel habe, wobei zu prüfen bliebe, ob eine solche Absicht eines, einer zur Mehrheitsbildung erforderlichen Anzahl oder aller für den Gesellschafterbeschluß stimmenden Gesellschafter der Gesellschaft selbst zurechenbar wäre. Die Stimmrechtsausübung als solche ist nicht als Rechtsgeschäft zu behandeln, das nach § 879 ABGB anfechtbar sein könnte. Wohl aber wäre die Beurteilung von Rechtshandlungen zur Ausführung eines Gesellschaftsbeschlusses dieser Beurteilung zugänglich.

Diesen Problemkreis behandelte Pisko unter dem Begriff der "wegen seines Inhaltes unheilbaren Nichtigkeit" eines Gesellschafterbeschlusses, schloß dabei aber alle Verstöße gegen Vorschriften zum Schutz von Gesellschafterrechten ausdrücklich aus (Lehrbuch des österreichischen Handelsrechtes 430). In der folgenden literarischen Diskussion wurde die Problemstellung unter dem Begriff der "absoluten Nichtigkeit" von Gesellschafterbeschlüssen erörtert (vgl. Kastner, lediglich auf die Fragestellung hinweisend, in JBl. 1953, 313 in Anm. 3; de lege ferenda in JBl. 1956, 113 ff., 118 in Z 31 und in JBl. 1973, 169 ff., 178 im Text zu Anm. 78; und die Diskussion darstellend im Grundriß des österreichischen Gesellschaftsrechtes[3] 277; ferner Plöchl, JBl. 1957, 305 ff.; Schönherr, JBl. 1960, 1 ff. und 39 ff.; Hämmerle - Wünsch, Handelsrecht[3] II 439; Feil - Igerz, Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung[3] 170; Gellis, Komm.[2] zu § 41 insbesondere in Anm. 3). In der jüngeren Rechtsprechung des OGH blieb die Frage unentschieden (JBl. 1981, 326; SZ 49/51 ua.).

Im vorliegenden Fall hat die Beklagte den am 8. 1. 1980 gefaßten Gesellschafterbeschlüssen die verbindliche Kraft vor allem wegen Verschiebung der Mehrheitsverhältnisse zu ihrem Nachteil durch die Auswirkungen der am 1. 10. 1979 beschlossenen Kapitalerhöhung abgesprochen. Die Kapitalerhöhung ist für die am 8. 1. 1980 gefaßten Beschlüsse aber nur insoweit von Bedeutung, als das Stimmrecht der in der Versammlung Anwesenden und das der Beschlußfassung zugrunde gelegte Stimmenverhältnis zu beurteilen sind. Zur Nachprüfung dieser Fragen des gesetz- und statutengemäßen Zustandekommens der Gesellschafterbeschlüsse steht einem Gesellschafter aber ausschließlich die Klage nach § 41 GmbHG und daher nicht die einredeweise Geltendmachung des behaupteten Mangels offen. Mängel, deren Geltendmachung des Gesetz der befristeten Anfechtung durch die im § 41 GmbHG ausgestaltete Klage unterwirft, können, wie bereits das Berufungsgericht zutreffend darlegte, nicht mit Erfolg außerhalb der erwähnten Klage geltend gemacht werden, weil sonst der Zweck der befristeten Geltendmachung in einer bestimmten prozessualen Form und mit bestimmten materiellrechtlichen Wirkungen vereitelt würde.

Die vorangegangene Kapitalerhöhung war für die dem Nachschußbegehren zugrundeliegenden Gesellschafterbeschlüsse im aufgezeigten Sinne nur mittelbar kausal und kann, weil sie sich nur über die nicht mehr nachprüfbare Mehrheitsbildung bei den Beschlußfassungen vom 8. 1. 1980 auf das Klagebegehren auswirkte, in diesem Rechtsstreit keinesfalls von Belang sein.

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