OGH 5Ob103/65

OGH5Ob103/6520.5.1965

Unter den Begriff der "durch den Vertrag einzelnen Gesellschaftern eingeräumten Rechte" im Sinne des § 50 (4) GesmbHG. fallen nur Individualrechte und der Anspruch auf gleichmäßige Behandlung mit den anderen Gesellschaftern. Zulässigkeit eines Vorkaufsrechtes zugunsten der anderen Gesellschafter für den Fall der Veräußerung eines Geschäftsanteils

 

Spruch:

Der Kläger ist seit Juli 1961 mit einer Stammeinlage von 12.500 S als Gesellschafter der beklagten Gesellschaft m. b. H. in deren Anteilsbuch eingetragen. Das Stammkapital der Gesellschaft im Betrag von 1.000.000 S ist voll eingezahlt. Bis zu der Generalversammlung vom 9. März 1964 hat der Punkt IX des Gesellschaftsvertrages wie folgt gelautet: "Die Übertragung von Geschäftsanteilen mittels Rechtsgeschäftes unter Lebenden bedarf der Zustimmung der Gesellschaft. Die Abtretung von Teilen eines Geschäftsanteiles ist gestattet, doch bedarf auch diese der Zustimmung der Gesellschaft". In der Generalversammlung vom 9. März 1964 wurde diesem Punkt der aus dem unten angeführten Klagebegehren ersichtliche Absatz gegen die Stimme des Klägers mit dem Stimmen der übrigen Gesellschafter hinzugefügt. Der Kläger erhob gegen diesen Beschluss sogleich Widerspruch. Der angefochtene Beschluss wurde am 18. März 1964 in das Anteilbuch der Gesellschaft eingetragen.

Der Kläger stellt das Klagebegehren, dass der in der ordentlichen Generalversammlung der Gesellschafter der beklagten Gesellschaft m. b. H. in Wien am 9. März 1964 mit Mehrheit der anwesenden Gesellschafter gefasste Beschluss:

"Überdies kann die entgeltliche Abtretung von Geschäftsanteilen oder Teilen von solchen unter Lebenden an Nichtgesellschafter erst erfolgen, wenn die übrigen Gesellschafter von dem ihnen hiemit vertraglich eingeräumten Aufgriffsrecht nicht fristgerecht Gebrauch gemacht haben.

Jeder Gesellschafter, der die entgeltliche Abtretung seines Geschäftsanteiles oder eines Teiles desselben an einen Nichtgesellschafter beabsichtigt, hat daher nach erfolgter Zustimmung der Gesellschaft zu dieser Übertragung den anderen Gesellschaftern den Namen und die Anschrift des Kaufwerbers sowie den vorgesehen Abtretungspreis mittels eingeschriebenen Briefes bekanntzugeben, und zwar mit dem Bemerken, dass es jedem Gesellschafter frei stehe, ihm innerhalb einer Frist von einem Monat mittels eingeschriebenen Briefes bekanntzugeben, dass er sein Aufgriffsrecht auszuüben beabsichtigt.

Gibt nun ein Gesellschafter die Absicht zur Ausübung des Aufgriffsrechtes bekannt, so hat der abtretungswillige Gesellschafter mit diesem den Abtretungsvertrag zu den Bedingungen abzuschließen, die von dem als Kaufwerber auftretenden Nichtgesellschafter geboten wurden.

Wollen mehrere Gesellschafter, das Aufgriffsrecht ausüben, so gilt die vorstehende Bestimmung mit der Maßgabe, dass die Abtretung an diese Gesellschafter im Verhältnis der von diesen bisher innegehabten Geschäftsanteile zu erfolgen hat.

Gibt keiner der Gesellschafter seine Absicht zur Ausübung des Aufgriffsrechtes bekannt, so kann der abtretungswillige Gesellschafter den Abtretungsvertrag mit dem als Kaufwerber auftretenden Nichtgesellschafter abschließen;"

a) als nichtig erklärt werde, da durch seinen Inhalt zwingende Vorschriften des Gesetzes über die Gesellschaft mit beschränkter Haftung vom 6. März 1906, BGBl. Nr. 58, verletzt werden,

b) in eventu, weil er gemäß § 41 Z. 1 des Gesetzes über die Gesellschaft mit beschränkter Haftung als nicht zustandegekommen anzusehen sei.

Das Klagebegehren wird darauf gestützt, dass durch die Zusatzbestimmung eine Verkürzung der den Gesellschaftern durch den Vertrag eingeräumten Rechte bewirkt worden sei sodass für den Beschluss die Zustimmung aller Gesellschafter, also auch die Zustimmung des Klägers, erforderlich gewesen wäre. Im übrigen verstoße der Beschluss gegen die Bestimmungen über die freie Übertragbarkeit der Geschäftsanteile.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es vertrat die Auffassung, dass die neu aufgenommene Verpflichtung über ein Vorkaufsrecht der bisherigen Gesellschafter weder eine Verkürzung der Rechte der Gesellschafter noch eine Vermehrung der ihnen nach dem Vertrag obliegenden Leistungen bewirke, weil die Rechtsgültigkeit des Verkaufes eines Geschäftsanteiles oder eines Teiles davon auch schon bisher an die Zustimmung der Gesellschaft geknüpft gewesen sei.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und sprach aus, dass der Wert des Streitgegenstandes 15.000 S übersteigt.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

In seiner Rechtsrüge wendet sich der Kläger gegen die Auffassung, dass zwingende Vorschriften des Gesetzes durch den Generalversammlungsbeschluss vom 9. März 1964 nicht verletzt worden seien. Unter den Begriff der Verkürzung der einzelnen Gesellschaftern durch den Vertrag eingeräumten Rechte im Sinne des § 50 (4) GesmbHG. falle nicht nur eine Verkürzung der einzelnen Gesellschaftern zustehenden Sonderrechte, sondern auch eine Verkürzung der Befugnisse, die den einzelnen Gesellschaftern gemeinsam mit den anderen Gesellschaftern zustehen. Der Beschluss vom 9. März 1964 wäre daher nur gültig, wenn ihm der Kläger zugestimmt hätte.

Damit vermag der Revisionswerber nicht durchzudringen. Schon auf Grund des Gesetzestextes des § 50 (4) GesmbHG: "eine Verkürzung der einzelnen Gesellschaftern durch den Vertrag eingeräumten Rechte kann nur unter Zustimmung sämtlicher von der Verkürzung betroffenen Gesellschafter beschlossen werden", ergibt sich, dass nach der angeführten Gesetzesstelle die sogenannten Sonderrechte der Gesellschafter geschützt werden sollten. Auch auf Grund der Erläuternden Bemerkungen zu dem Entwurf eines Gesetzes über die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (236 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Herrenhauses, XVII. Session, S. 72, wiedergegeben auch bei Skerlj, Das Gesetz über Gesellschaften mit beschränkter Haftung, S. 72 ff.) gelangt man zum gleichen Ergebnis. Danach erschien es angesichts der verschiedenartigen Auslegung, die der entsprechenden Vorschrift des deutschen Gesetzes zuteil wurde, notwendig, ausdrücklich hervorzuheben, dass nicht bloß die Leistungspflicht im strengeren Sinn des Wortes nicht erhöht, sondern auch vertragsmäßig zugestandene Rechte einzelner Gesellschafter (im Gegensatz zu den der Gesamtheit zustehenden) ohne Zustimmung der beteiligten Gesellschafter nicht verkürzt werden dürften. Solche Rechte wären besondere Vergütungen, eine das Verhältnis der Stammeinlage zum Stammkapital übersteigende Beteiligung, das Recht auf Geschäftsführung, soweit sie im Vertrag eingeräumt sind. Als ein Sonderrecht jedes einzelnen Gesellschafters ist auch der mangels anderweitiger Vertragsbestimmungen bestehende Anspruch auf gleichmäßige Behandlung mit den vorhandenen Gesellschaftern anzusehen.

Auch das Schrifttum (Kastner, Kapitalerhöhung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung gegen den Willen eines Minderheitsgesellschafters, NotZ. 1951 S. 26, Kornfeld - Scheu, Gesetz über Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Wien 1906, S. 78, 79) und die Rechtsprechung (SZ. VI 263, EvBl. 1958 Nr. 322 S. 547) teilen die Auffassung, dass zu den den einzelnen Gesellschaftern durch den Vertrag eingeräumten Rechten im Sinne des § 50 (4) GesmbHG. nur Individualrechte und der Anspruch auf gleichmäßige Behandlung mit den anderen Gesellschaftern zählen.

Diesfalls ist eine Verkürzung der Rechte der Gesellschafter durch den Generalversammlungsbeschluss vom 9. März 1964 insofern eingetreten, als für die Übertragung eines Geschäftsanteiles oder eines Teiles davon an Nichtgesellschafter nicht nur die Zustimmung der Gesellschaft, sondern auch die Nichtausübung des den einzelnen Gesellschaftern eingeräumten Aufgriffs(Vorkaufs)rechtes erforderlich ist. Darin liegt aber keine Verletzung eines einem einzelnen Gesellschafter vertragsmäßig zugestandenen Individualrechtes. Aber auch von einer ungleichmäßigen Behandlung einzelner Gesellschafter gegenüber anderen kann nicht gesprochen werden, denn die beschlossene Änderung bei der Übertragung von Geschäftsanteilen an Nichtgesellschafter betrifft alle Gesellschafter im gleichen Maße. Sie verletzt, wie das Berufungsgericht zutreffend hervorhebt, den sich aus verschiedenen Bestimmungen des Gesetzes über Gesellschaften mit beschränkter Haftung (§ 70 (1), 72 (2) und (3), 75 (1), 82 (2), 91 (3) GesmbHG.) ergebenden Gleichheitsgrundsatz nicht (vgl. hiezu Skerlj, Das Gesetz über Gesellschaften mit beschränkter Haftung[2], S. 72, Baumbach - Hueck, GmbH.-Gesetz[11], S. 56, 57). Das hat aber zur Folge, dass ein Verstoß gegen die Bestimmung des § 50 (4) GesmbHG. entgegen den Ausführungen des Revisionswerbers nicht gegeben ist und Einstimmigkeit zur Beschlussfassung nicht erforderlich war.

Sofern sich der Revisionswerber auf die Ausführungen Gellis, Komm. zum GmbH.-Gesetz, S. 169, 170, Punkt 11 - 15 beruft, führt dies für ihn zu keinem günstigeren Ergebnis. Denn auch dieser Kommentar unterscheidet zwischen "besonderen" und "allgemeinen" Gesellschaftsrechten. Der Verfasser erklärt eine Einstimmigkeit nur bei den besonderen Rechten, die ohne Zustimmung durch Mehrheitsbeschluss nicht affektiert werden können, für erforderlich. Obwohl auf S. 170 Punkt 15 unter den Rechten, deren Änderung Einstimmigkeit erfordert, "die Einführung der Zustimmung der Gesellschaft zur Übertragung der Geschäftsanteile" angeführt wird, wird im vorhergehenden Punkt 14 zugegeben, dass das Gesetz nicht sagt, "welche Rechte so geschützt sind". Es kann dadurch die Gesetzesauslegung, die sich auf den Text des § 50 (4) GesmbHG. stützt, wie sie oben vorgenommen wurde, nicht widerlegt werden.

Nicht beigetreten werden kann auch dem vom Revisionswerber eingenommenen Standpunkt, dass in der Festsetzung einer Anbotspflicht an die übrigen Gesellschafter und in der Einräumung eines Vorkaufsrechtes für die Gesellschafter im Falle der Veräußerung eines Geschäftsanteiles ein Verstoß gegen die in den Vorschriften der §§ 76 und 77 GesmbHG. verankerte Zulässigkeit der Übertragung von Geschäftsanteilen liegt. § 76 GesmbHG. lässt es zu, dass im Gesellschaftsvertrag die Übertragung von Geschäftsanteilen von weiteren Voraussetzungen abhängig gemacht wird. Es bestehen daher auch keine Bedenken dagegen, dass den anderen Gesellschaftern für den Fall der Veräußerung eines Geschäftsanteiles ein Vorkaufsrecht eingeräumt wurde. Die Gesellschaft m. b. H. kann mit Rücksicht auf ihre Zwecke ein berechtigtes Interesse haben, das Eindringen von anderen Personen als solchen, die den Gesellschaftsvertrag errichtet haben, oder deren Erben zu verhindern. Darauf beruht die Bestimmung des § 76 GesmbHG., die ganz allgemein gestattet, dass der Gesellschaftsvertrag die Übertragung von Geschäftsanteilen an weitere Voraussetzungen bindet. Den gleichen Standpunkt vertritt auch das Schrifttum (Skerlj, a. a. O., S. 115 Abs. 3, Gellis, Kommentar zum GmbH.-Gesetz, S. 232 und die dort angeführte Rechtsprechung; Graschopf, Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung, Manz 1956, S. 271, 272; RG. vom 28. Oktober 1901, Band 49, Nr. 35).

Der Revision war somit der Erfolg zu versagen.

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