OGH 1Ob617/94

OGH1Ob617/9425.10.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schlosser, Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker und Dr. Rohrer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R. und H. H*****, vertreten durch Dr. Norbert Kosch ua, Rechtsanwälte in Wr. Neustadt, wider die beklagte Partei E***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr. Walter Brandt und Dr. Karl Wagner, Rechtsanwälte in Schärding, wegen S 398.016,-- sA, infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 17. Juni 1994, GZ 1 R 140/94-12, womit der Beschluß des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom 6. April 1994, GZ 22 Cg 418/93h-8, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Bezahlung von S 398.016,-- sA. Sie brachte vor, Eigentümerin eines Hauses in L*****, F*****gasse 3, zu sein, welches unter Denkmalschutz stehe. Sie habe am 19.8.1987 bei der Beklagten 356 Kunststoffenster unter der Bedingung bestellt, daß das Gebäudesanierungsvorhaben durch die staatlichen Behörden die hiefür vorgesehene Förderung erhalte. In der Folge habe sich herausgestellt, daß das Bundesdenkmalamt den Einbau von Kunststoffenstern nicht gestattet, sondern auf der Verwendung von Holz besteht. Aus finanziellen Gründen habe die Klägerin von dem geplanten Vorhaben Abstand genommen. Im Frühjahr 1988 sei die Beklagte neuerlich an die Klägerin herangetreten und habe ihr mitgeteilt, daß das Bundesdenkmalamt höchstwahrscheinlich gegen den Einbau von Kunststoffenstern keinen Einwand erheben werde, für den Fall, daß man auf die ursprünglich vorgesehene Förderung verzichte. Ein Vertreter der Beklagten habe die Klägerin dahingehend informiert, daß mit dem Bundesdenkmalamt Rücksprache gehalten worden sei und tatsächlich kein Einwand gegen den Einbau von Kunststoffenstern im Falle des Verzichtes auf Förderungsmittel bestehe. Aufgrund dieser Information habe die Klägerin den Auftrag zum Einbau der Kunststoffenster erteilt. Nachdem 12 dieser Fenster eingebaut worden waren, habe das Bundesdenkmalamt die unverzügliche Einstellung der Arbeiten gemäß § 7 Denkmalschutzgesetz angeordnet und die Beseitigung des konsenslosen Zustandes sowie die Wiederherstellung des früheren Zustandes von der Klägerin begehrt. Die ursprünglich eingebaut gewesenen Fenster seien von der Beklagten demontiert, verbracht und vernichtet worden. Die mit der Wiederherstellung des früheren Zustandes verbundenen Kosten würden S 398.016,-- betragen. Lediglich aufgrund des von der Beklagten veranlaßten Irrtums (der von der Beklagten erteilten Fehlinformation) habe die Klägerin den Einbau der Kunststoffenster angeordnet. Die Kosten für die Wiederherstellung des früheren Zustandes seien ausschließlich auf das Verhalten der Beklagten zurückzuführen.

Die Zuständigkeit des angerufenen Landesgerichtes Wiener Neustadt wurde auf die Bestimmungen der §§ 92a und 96 Abs 1 JN gestützt.

Die Beklagte wendete die örtliche Unzuständigkeit des angerufenen Gerichtes ein.

Das Erstgericht verhandelte über die Zuständigkeitsfrage und verwarf die Unzuständigkeitseinrede der Beklagten. Der Gerichtsstand gemäß § 96 Abs 1 JN sei nicht gegeben, da die Verfahren AZ 2 Cg 87/90 und 2 Cg 260/91 einander nie offen gegenübergestanden seien. Es sei aber der Gerichtsstand nach § 92a JN gegeben, weil die Klägerin Schadenersatz für Kosten begehre, die auf das Verhalten der Beklagten zurückzuführen seien.

Das Rekursgericht gab dem von der Beklagten wider diesen Beschluß erhobenen Rekurs Folge. Es verneinte auch das Vorliegen des Wahlgerichtsstandes des § 92a JN. Reine Vermögensschäden könnten diesen Wahlgerichtsstand nicht begründen. Voraussetzung für den Gerichtsstand des § 92a JN sei jedenfalls, daß der Schaden aus der „Beschädigung“ einer körperlichen Sache entstanden sei. Die Klägerin habe einen (reinen) Vermögensschaden geltend gemacht, der ihr aufgrund eines schuldhaften Verhaltens der Beklagten (Irreführung durch Falschinformation) entstanden sei und darin bestehe, daß sie aufgrund eines behördlichen Auftrags den früheren Zustand wiederherzustellen habe. Bei diesem Sachverhalt könne sie nicht den Gerichtsstand nach § 92a JN für sich in Anspruch nehmen.

Den ordentlichen Revisionsrekurs erklärte das Rekursgericht für unzulässig, weil es der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes gefolgt sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Klägerin ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Die Frage, ob rechtskundig vertretene Parteien auf die Möglichkeit eines Überweisungsantrages hingewiesen werden müssen, ist eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung für das zivilprozessuale Verfahrensrecht. Der erkennende Senat teilt die zu dieser Frage in zwei oberstgerichtlichen Entscheidungen vertretene Rechtsmeinung nicht.

Die Klägerin meint, nicht die Beklagte, sondern die E***** Gesellschaft mbH & Co KG habe Rekurs erhoben, nicht aber die Beklagte, also die E***** GesmbH. Der Rekurs hätte daher vom Rekursgericht zurückgewiesen werden müssen.

Dieser Ansicht ist nicht zu folgen.

Richtig ist, daß im Rubrum des Rekurses ON 9 als beklagte Partei die E***** Gesellschaft mbH & Co KG aufscheint, ebenso am Ende dieses Schriftsatzes auf dessen Seite 4 (= AS 38). Die Klägerin hat diesen offenkundigen Fehler allerdings auch in ihrer Rekursbeantwortung ON 10 in deren Rubrum übernommen (AS 39). Offensichtlich war der Klägerin völlig klar, daß die von ihr beklagte E***** Gesellschaft mbH den Rekurs erhoben hat, sonst hätte sie in ihrer Rekursbeantwortung bereits auf den nunmehr gerügten Umstand hingewiesen. Daß die E***** Gesellschaft mbH den Rekurs erhoben hat, war auch für das Rekursgericht nicht zweifelhaft, denn im Kopf der Rekursentscheidung wurde die tatsächlich beklagte Partei benannt und dargestellt, daß diese den Rekurs erhoben habe (AS 45). Die Klägerin wußte gewiß, wer ihr gegenüberstand, für sie konnte das schon aufgrund des zu AZ 2 Cg 266/91 des Landesgerichtes Wiener Neustadt abgeführten Verfahrens nicht zweifelhaft sein. Wenn die Beklagte auf S.2 des Rekurses (= AS 36) ausführte, „... erhebt die beklagte Partei....Rekurs“, dann hat die Beklagte damit deutlich zum Ausdruck gebracht, daß sie Rekurswerberin ist, und kann ihr der offensichtlich unterlaufene Schreibfehler nicht zum Nachteil gereichen.

Die Klägerin beharrt darauf, daß sie keinen „reinen Vermögensschaden“ geltend mache, sondern einen Schaden aus der rechtswidrigen Beschädigung (= Vernichtung) von Fenstern, damit sei der Gerichtsstand gemäß § 92a JN begründet.

Auch dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden.

Die Klägerin leitet mit der vorliegenden Klage Schadenersatzansprüche gegen die Beklagte nicht aus der Beschädigung ihres Hauses (Vernichtung der Fenster) ab, sondern daraus, daß sie der Beklagten einen Auftrag zur Demontage (und damit verbundenen Zerstörung) der Fenster nicht erteilt hätte, wäre sie nicht von der Beklagten über die Tatsache, daß das Denkmalamt dem Einbau von Kunststoffenstern nicht zustimmen werde, in Irrtum geführt worden. Der begehrte Schadenersatzbetrag (für die Wiederherstellung des vorigen Zustandes) geht daher nicht auf die Beschädigung der Fenster durch die Beklagte zurück. In einem solchen Fall kann die Klägerin zwar ihren Anspruch auf Schadenersatz stützen, nicht aber den Gerichtsstand nach § 92a JN für sich in Anspruch nehmen, weil sie einen reinen Vermögensschaden geltend macht (SZ 64/123; SZ 63/105; ZfRV 1994, 72; 7 Ob 608/93; 1 Ob 641/92).

Daß der Gerichtsstand gemäß § 96 Abs 1 JN vorläge, wurde von der Klägerin schon in ihrem wider den erstinstanzlichen Beschluß gerichteten Rekurs nicht mehr releviert, diese Frage wird auch im Revisionsrekurs nicht mehr angeschnitten, sodaß auf die zutreffenden Ausführungen des Erstgerichtes verwiesen werden kann.

Die Klägerin meint, der Umstand, daß sie auf die Möglichkeit zur Stellung eines Überweisungsantrags gemäß § 261 Abs 6 ZPO nicht hingewiesen worden sei, bewirke eine Verletzung des § 182 Abs 2 ZPO und damit einen Verfahrensmangel.

Das Erstgericht hat über die von der Beklagten erhobene Einrede der örtlichen Unzuständigkeit verhandelt. Die anwaltlich vertretene Klägerin wurde dabei nicht auf die Möglichkeit der Stellung eines Überweisungsantrags nach § 261 Abs 6 ZPO hingewiesen. Die Klägerin darf diesen von ihr behaupteten Verfahrensmangel im Revisionsrekurs geltend machen, weil sie in erster Instanz zur Gänze siegreich geblieben war, in zweiter Instanz aber unterlegen ist (SZ 48/9; SZ 26/262; 1 Ob 586/93; 5 Ob 518/89; MietSlg 35.801, 34.773, 30.764; 5 Ob 511/92 uva).

Der gerügte Verfahrensmangel liegt aber nicht vor.

Der Oberste Gerichtshof hat in JBl 1986, 529 ausgesprochen, daß die Vorschrift des § 182 Abs 2 letzter Satz ZPO eine Erweiterung der Prozeßleitungspflicht des Richters beinhalte, auch im Gerichtshofverfahren gelte und auch dann anzuwenden sei, wenn der Kläger rechtsanwaltlich vertreten ist. Die genannte Vorschrift führe dazu, daß der Richter auch rechtskundig vertretene Parteien auf die Möglichkeit eines Überweisungsantrages hinzuweisen habe. Im damals zur Entscheidung stehenden Fall ergab sich aus dem Protokoll - wie auch hier - nicht, daß der Erstrichter die Klägerin auf die Möglichkeit eines Überweisungsantrages nach § 261 Abs 6 ZPO hingewiesen und ihr damit Gelegenheit zur Stellung eines derartigen Überweisungsantrages gegeben habe. Die Verletzung der Vorschrift des § 182 Abs 2 letzter Satz ZPO durch den Erstrichter begründe einen Verfahrensverstoß, der im Rekurs gegen einen Beschluß, mit dem die Klage zurückgewiesen wurde, geltend gemacht werden könne und zur Aufhebung der klagszurückweisenden Entscheidung durch das Rekursgericht führen müsse. Eine ähnliche Ansicht wurde vom Obersten Gerichtshof auch in der Entscheidung EvBl 1993/100 vertreten. Auch dort wurde ausgeführt, es sei die Pflicht des Richters, die Zuständigkeitsfrage zu erörtern und auf die Möglichkeit eines Überweisungsantrages hinzuweisen. Dies gelte auch nach Erhebung der Unzuständigkeitseinrede, sei auch im Gerichtshofverfahren und gegenüber dem rechtsfreundlich vertretenen Kläger wahrzunehmen. Der dort behandelte Fall war aber insoweit etwas anders gelagert, als das Gericht nach Erhebung einer Unzuständigkeitseinrede die Tagsatzung allein zur Fassung eines Beweisbeschlusses erstreckte und dann überraschend seine sachliche Unzuständigkeit aussprach.

In der Lehre vertritt Fasching eine diesen Entscheidungen entsprechende Ansicht, wenn er ausführt, daß die Prozeßleitungspflicht des Richters auch im Gerichtshofverfahren gelte und selbst dann Platz greife, wenn die Partei rechtsanwaltlich vertreten sei (Fasching in JBl 1982, 77; derselbe, Lehrbuch2, Rz 226 und 782). Ballon nimmt in FS Fasching 1988, 59 einen kritischeren Standpunkt zur hier relevanten Frage ein, wenn er die Auffassung vertritt, mit dem oberstgerichtlichen Ausspruch, die richterliche Anleitungs- und Belehrungspflicht bestehe auch gegenüber anwaltlich vertretenen Personen - zumindest im Hinblick auf die Möglichkeit, einen Überweisungsantrag in der Verhandlung zu stellen -, nehme das Höchstgericht eine sehr weite Auslegung des § 182 Abs 2 ZPO vor.

Der erkennende Senat hat hiezu erwogen:

Vorauszuschicken ist, daß der Klägerin im Hinblick auf ihre Ausführungen im Revisionsrekurs unterstellt werden muß, daß sie einen Überweisungsantrag - nach erfolgter Anleitung durch das Erstgericht - tatsächlich gestellt hätte, obwohl sie dies nicht ausdrücklich zum Ausdruck bringt.

Die Möglichkeit zur Stellung eines Überweisungsantrags gemäß § 261 Abs 6 ZPO ist ein grundlegendes Instrumentarium der österreichischen Zivilprozeßordnung. Es muß unterstellt werden, daß dermaßen grundlegende Normen jedem Rechtsanwalt bekannt sind und diese Kenntnis ihn in die Lage versetzt, entsprechend zu handeln, nämlich im Fall der Erhebung der Einwendung der Unzuständigkeit einen entsprechenden Überweisungsantrag zu stellen. Es käme einer Bevormundung der zweifelsohne als rechtskundig zu bezeichnenden Rechtsanwaltschaft gleich, würde man für derartig grundlegende zivilprozessuale Vorgangsweisen eine Anleitungspflicht fordern, ja es würde einer Parteilichkeit nahekommen, vom Gericht zu verlangen, einen Rechtsanwalt gleichsam aufzufordern, einen - von ihm in vielen Fällen allenfalls gar nicht gewünschten - Überweisungsantrag gemäß § 261 Abs 6 ZPO zu stellen. Es mag eine Anleitungspflicht zum Tragen kommen, wenn über die Unzuständigkeitseinrede nicht verhandelt wird, der Klagevertreter eine diesbezügliche Einwendung also allenfalls übersieht. In den Fällen - wie hier -, wo die Verhandlung ausdrücklich auf die Frage der Zuständigkeit eingeschränkt wird (AS 17), in der daraufhin anberaumten Tatsatzung neuerlich der Beschluß gefaßt wird, daß die Verhandlung auf die Frage der Zuständigkeit eingeschränkt wird (AS 29), und daraufhin lediglich über die Zuständigkeitsfrage verhandelt wird, ist das Gericht nicht verpflichtet, den anwaltlich vertretenen Kläger zur Stellung eines Überweisungsantrages gemäß § 261 Abs 6 ZPO anzuleiten.

Dem Revisionsrekurs ist demnach nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 40, 50 ZPO.

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