OGH 1Ob586/93

OGH1Ob586/9325.8.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schlosser, Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker und Dr.Rohrer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ernst K*****, vertreten durch Dr.Franz Zimmermann, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei Aloisia K*****, vertreten durch Dr.Walter Brunner, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen Herabsetzung des Unterhaltsbeitrages um monatlich 1.000 S, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Berufungsgerichtes vom 7.Mai 1993, GZ 1 R 199/93-17, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 9.Februar 1993, GZ 1 C 106/92b-11, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben und die Entscheidung des Berufungsgerichtes dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 6.036,48 S bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin 1.006,08 S USt) und die mit 3.623,04 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 603,84 S USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Urteil des Erstgerichtes vom 5.Oktober 1990, AZ 1 C 70/90f, wurde der nunmehrige Kläger zur Leistung eines monatlichen Unterhaltsbeitrages von 4.000 S ab 1.Juli 1990 an die nunmehrige Beklagte als seine damalige Ehefrau verhalten. Die Ehe der Streitteile wurde mit Urteil des Erstgerichtes vom 10.April 1991, AZ 1 C 15/90p, aus dem alleinigen Verschulden des Klägers geschieden. Im Vorverfahren AZ 1 C 74/91w des Erstgerichtes, in dem der Kläger mit der Behauptung, die Beklagte verdiene monatlich mindestens 5.000 S, die Herabsetzung der ihm auferlegten monatlichen Unterhaltsverpflichtung auf 3.000 S begehrt hatte, verpflichtete sich der Kläger mit Vergleich vom 13.Jänner 1992 (ON 2 im Vorverfahren) zur Zahlung eines Unterhaltes an die Beklagte von monatlich 3.000 S ab 1.September 1991. Dabei gingen die - vermögenslosen - Streitteile davon aus, daß die Beklagte seit 2.September 1991 bei einem bestimmten Unternehmen als Raumpflegerin mit einem Monatsnettoeinkommen von 5.000 S beschäftigt sei. Tatsächlich betrug das Nettoeinkommen der Beklagten damals 4.987 S. Nun verdient die Beklagte (incl. Sonderzahlungen ohne Familienbeihilfe) im Monat durchschnittlich 5.380 S netto und der Kläger als Busfahrer der Stadtwerke Klagenfurt (incl. Haushalts-, Kinder- und Erschwerniszulage und Sonderzahlungen) im Monat durchschnittlich 18.397 S netto. Er leistet zum Unterhalt seiner beider Kinder im Alter von 16 und 18 Jahren aus der Ehe mit der Beklagten, die die Kinder in ihrem Haushalt betreut und für sie die Familienbeihilfe bezieht, an Unterhalt monatlich 6.100 S.

Der Kläger begehrt eine (weitere) Herabsetzung seiner monatlichen Unterhaltsverpflichtung von 3.000 S auf 2.000 S ab September 1992. Bei Abschluß des Vergleiches vom 13.Jänner 1992 sei von folgenden beiderseitigen Durchschnitts-Nettoeinkommen der Streitteile ausgegangen worden: Kläger 15.072 S, Beklagte 5.000 S. Seither hätten sich die Verhältnisse neuerlich geändert, weil die Beklagte nun mindestens monatlich 6.500 S verdiene; zum eigenen Einkommen machte der Kläger keine Angaben.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, weil sich die Verhältnisse seit Abschluß des Vergleiches am 13.Jänner 1992 nur unwesentlich zum Nachteil des Klägers (geringfügige Erhöhung des Einkommens der Beklagten von 5.000 S auf 5.380 S) verändert hätten, sodaß es beim vergleichsweise geregelten Unterhaltsbeitrag zu bleiben habe. Unbeachtlich sei der Einwand des Klägers, ihm sei das tatsächliche Einkommen der Beklagten zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses nicht bekannt gewesen, weil das von ihm mit 5.000 S angenommene Einkommen der Beklagten ihrer damaligen tatsächlichen Einkommenssituation entsprochen habe. Selbst bei geänderten Verhältnissen solle im übrigen bei der Neubemessung des Unterhalts im allgemeinen die einmal festgelegte Relation zwischen Einkommen und Unterhaltshöhe - somit etwa 40 % des gemeinsamen Einkommens - gewahrt bleiben. Die Unterhaltspflicht des Klägers für seine neue Ehefrau (§ 67 Abs 1 EheG) mindere nicht die Bemessungsgrundlage, weil die neue Ehefrau über ein Einkommen in ausreichender Höhe verfüge und somit als selbsterhaltungsfähig anzusehen sei.

Das Berufungsgericht gab dem Klagebegehren statt und sprach aus, daß die ordentliche Revision wegen der Einzelfallbezogenheit nicht zulässig sei. Es billigte die erstgerichtlichen Feststellungen und vertrat rechtlich im wesentlichen die Auffassung, daß eine Neubemessung des Unterhalts vorzunehmen und dabei auch die nunmehrige weitere Unterhaltspflicht des Klägers für seine zweite - nicht selbsterhaltungsfähige - Ehefrau entsprechend zu berücksichtigen sei.

Die außerordentliche Revision der Beklagten ist zulässig und berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der nach § 58 JN zu ermittelnde Streitwert des Klagebegehrens auf Herabsetzung der Unterhaltsleistung um monatlich 1.000 S übersteigt nicht 50.000 S. Gemäß § 502 Abs 3 Z 1 ZPO gilt indes die Wertgrenze des Abs 2 leg.cit. nicht für die im § 49 Abs 1 Z 1, 2, 2a, 2b und 2c JN bezeichneten familienrechtlichen Streitigkeiten. Trotz des Vergleiches vom 13.Jänner 1992 behielt der verglichene, sich im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen bewegende Anspruch der Beklagten den Charakter eines gesetzlichen Unterhaltes (SZ 55/54; EFSlg 31.765; EvBl 1962/215 uva; Fasching I 301; Schwind in Klang2 I/1 907).

Nach ständiger Rechtsprechung unterliegen auch Verfahrensfehler der zweiten Instanz von erheblicher Bedeutung der Prüfung durch den Obersten Gerichtshof (§ 502 Abs 1 ZPO). Eine solche erhebliche Bedeutung kommt der Entscheidung jedenfalls dann zu, wenn tragende Grundsätze des Verfahrensrechtes auf dem Spiel stehen (ÖBl 1987, 102 = MR 1986, Heft 5, 26; SZ 59/87; 5 Ob 511/92 ua). Dazu gehört auch, daß das Gericht die bei seiner Beweisaufnahme hervorkommenden Umstände nur insoweit berücksichtigen darf, als sie im Parteivorbringen Deckung finden (JBl 1987, 659 = MietSlg 38/39). Solche sogenannten "überschießenden" Feststellungen dürfen nur dann berücksichtigt werden, wenn sie sich im Rahmen des geltend gemachten Klagsgrundes oder der erhobenen Einwendungen halten (WoBl 1992/141, 208; SZ 61/135 = ÖBl 1989, 188; AnwBl 1988, 167; JBl 1986, 121 = MietSlg 37.760 ua; vgl auch Fasching, Lehrbuch2 Rz 661 und 899). Die zweite Instanz übernahm auch die erstgerichtliche Feststellung, daß der Kläger wieder geheiratet habe und seine (zweite) Ehefrau im Monat durchschnittlich 6.183 S netto verdiene, und legte diese Feststellung seiner rechtlichen Beurteilung mit zu Grunde. Der Kläger hat indes im Verfahren erster Instanz nicht vorgebracht, daß er wieder geheiratet habe und deshalb eine neue Unterhaltsbemessung nach Billigkeit (§ 67 Abs 1 letzter Satz EheG) angestrebt werde, sondern in tatsächlicher Hinsicht sein Klagebegehren ausschließlich mit einer Verschiebung der Einkommensrelationen der Streitteile und mit keinem Wort mit einer weiteren Unterhaltsverpflichtung begründet. Auf diesen durch ein Vorbringen des Klägers nicht gedeckten und deshalb unerheblichen Umstand darf daher bei Beurteilung der Frage, ob geänderte Verhältnisse vorliegen, nicht Bedacht genommen werden, weil der Beibringungsgrundsatz die Berücksichtigung dieses Klagegrundes verwehrt.

Daß nunmehr in der außerordentlichen Revision die Beklagte behauptet, der Kläger wäre seit 8.Juni 1991 - zeitlich somit bereits vor Abschluß seines Vergleiches vom 13.Jänner 1992 - wiederverheiratet, ist als Neuerung unbeachtlich. Der Hinweis in der Revisionsbeantwortung, die Beklagte hätte die sie beschwerende Feststellung betreffend die neuerliche Verehelichung des Klägers rügen müssen, geht schon deshalb fehl, weil die in erster Instanz siegreich gebliebene Beklagte nicht gehalten war, in zweiter Instanz ihr ungünstige Tatsachenfeststellungen abzuwehren (MietSlg 42/13; SZ 59/101; MietSlg 44.121 uva).

Unterhaltsvergleichen wohnt als einer im redlichen Verkehr geltenden Gewohnheit die Umstandsklausel inne (EFSlg 66.465; JBl 1989, 724 unter ausdrücklicher Ablehnung der Ansicht von Rummel; EFSlg 53.728 uva; nunmehr Rummel in Rummel2, Rz 8a zu § 901 ABGB; Binder in Schwimann, Rz 39 zu § 936 ABGB; Zankl in Schwimann, Rz 43 zu § 66 EheG; Purtscheller-Salzmann, Unterhaltsbemessung Rz 294, 302). Der Unterhaltsvergleich steht allerdings bis zu einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse einer neuerlichen Unterhaltsfestsetzung - iS eines materiellrechtlichen Hindernisses - entgegen (EFSlg 65.755;

ÖA 1985, 48; EFSlg 35.237 ua; Binder aaO Rz 40 mwN; Zankl aaO Rz 45;

Purtscheller-Salzmann aaO Rz 302). Die vom Kläger allein behauptete wesentliche Änderung der Verhältnisse (Einkommenssteigerung bei der unterhaltsberechtigten Beklagten von 5.000 S auf 6.500 S) blieb unbewiesen; denn die Beklagte verdient nur um 380 S, somit weit weniger als 10 % mehr als bei Vergleichsabschluß. Von einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse kann daher insoweit keine Rede sein (Purtscheller-Salzmann aaO Rz 302, 304, jeweils mwN). Zwar haben sich nach den Feststellungen die Relationen der Einkommen der Streitteile seit dem Vergleichsabschluß am 13.Jänner 1992 geändert, jedoch zu Gunsten des Klägers (statt 5.000 : 15.000 S jetzt 5.380 S zu 18.397 S). Schon deshalb ist das Klagebegehren abzuweisen. Es erübrigt sich daher ein Eingehen auf die Frage, unter welchen Voraussetzungen bei der Neufestsetzung von Ehegattenunterhalt infolge einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse die Vergleichs-Relationen aufrecht zu erhalten sind (vgl dazu Purtscheller-Salzmann aaO Rz 308 f mwN).

Der außerordentlichen Revision der Beklagten ist Folge zu geben und in Abänderung des angefochtenen Urteils die Entscheidung des Erstgerichtes wiederherzustellen. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

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