OGH 7Ob621/94

OGH7Ob621/9419.10.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Sophie G*****, 2.) Sophie F*****, 3.) Christa G*****,

4.) Hubert G*****, und 5.) Franz G*****, alle ***** vertreten durch Dr.Klaus Hirtler, Rechtsanwalt in Leoben, wider die beklagte Partei Gemeinde E*****, ***** wegen 1.) Leistung (S 92.268,00), 2.) Feststellung (Streitwert S 5.000), infolge außerordentlichen Rekurses der klagenden Parteien gegen den Beschluß des Landesgerichtes Steyr als Rekursgerichtes vom 6.Juni 1994, GZ 5 R 14/94-15, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Parteien wird Folge gegeben. Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird die Einleitung des Verfahrens über die Klage unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Kläger begehren von der beklagten Partei den Ersatz von nach ihrer Behauptung zu Unrecht bezahlten Kanalanschlußgebühren sowie die Feststellung, daß die beklagte Partei ihnen auf Grund der Vereinbarung vom 10.2.1976 für die Rückzahlung von in Zukunft öffentlich-rechtlich abverlangten Kanalanschlußgebühren zu haften habe. Sie seien Eigentümer der Liegenschaft EZ ***** GB E***** mit dem darauf befindlichen Hotel "S*****". Im Zuge der Errichtung einer öffentlichen Kanalisationsanlage habe sich für den Gastgewerbebetrieb der Kläger und einen weiteren in diesem Ortsteil liegenden Betrieb die Notwendigkeit ergeben, einen etwa 1,3 km langen Kanal zu errichten. Da die Kosten für die beklagte Partei beträchtlich gewesen wären und sich der Betrieb der Kläger die Kanalanschlußgebühren ersparen bzw mindern habe wollen, sei der beklagten Partei der Vorschlag gemacht worden, den Kanal in Eigenregie durch den Betrieb der Kläger und den weiteren Betrieb durchführen zu lassen. In der Gemeinderatssitzung vom 10.2.1976 habe der Gemeinderat der beklagten Partei einstimmig beschlossen, die Errichtung des Kanalstranges durch die Kläger (und den weiteren Betrieb) durchführen zu lassen. Dabei sei festgehalten worden, daß mit dieser Leistung "die Kanalanschlußgebühren der beiden Betriebe abgegolten seien". Diese Vereinbarung sei von der beklagten Partei als rechtswirksame privatrechtliche Vereinbarung anerkannt worden. Lediglich der Umfang dieser Vereinbarung - inwieweit nämlich die Kanalanschlußgebühren tatsächlich mit der Erbringung der Eigenleistung abgegolten sein sollten - sei strittig. Die beklagte Partei habe nach Erlassung einer Kanalgebührenordnung die Anschlußpflicht für weitere Teile des Hotelgebäudes der Kläger (Dachgeschoß, Hallenbad und Spielraum) ausgesprochen und eine Kanalanschlußgebühr in Höhe des Klagsbetrages vorgeschrieben, obwohl der beklagten Partei das Vorhandensein dieser Baulichkeiten bei Abschluß der privatrechtlichen Vereinbarung bereits bekannt gewesen sei. Der diesbezügliche Bescheid sei zwar vom Verwaltungsgerichtshof aufgehoben worden, doch sei abzusehen, daß die beklagte Partei die Kanalanschlußgebühr neuerlich vorschreiben werde. Weil einem Rechtsmittel gegen den ergangenen Bescheid aufschiebende Wirkung nicht zukomme, sei die vorgeschriebene Gebühr in Höhe des Klagsbetrages bezahlt worden. Das Feststellungsbegehren sei deshalb berechtigt, weil anzunehmen sei, daß die beklagte Partei bei jeder Erweiterung des den Klägern gehörenden Gebäudes eine weitere Kanalanschlußgebühr vorschreiben werde.

Das Erstgericht hat die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurückgewiesen. Der Anspruch auf Rückerstattung zu Unrecht bezahlter Steuern, Abgaben und Gebühren könne nicht im Rechtsweg verfolgt werden. Eine Entscheidung sei dem Verwaltungsverfahren vorbehalten.

Das Rekursgericht hat diese Entscheidung im Ergebnis bestätigt. Der von den Klägern geltend gemachte Rückerstattungsanspruch für die geleistete Kanalanschlußgebühr habe öffentlich-rechtlichen Charakter und sei im Verwaltungswege zu entscheiden. Die Abgabenpflicht der Kläger habe ihren Rechtsgrund ausschließlich in der Erfüllung einer dem öffentlichen Recht angehörigen Verbindlichkeit gehabt. Dies ergebe sich aus dem § 1 des Interessentenbeiträge-Gesetzes 1958 (LGBl 1958/28 idF LGBl 1973/57), wonach die Gemeinden ermächtigt worden seien, eine Kanalanschlußgebühr zu erheben, zum anderen aus den Klagebehauptungen, wonach die beklagte Partei nach Erlassung einer Kanalgebührenordnung eine Kanalanschlußgebühr vorgeschrieben habe und die Kläger die Kanalanschlußgebühr hätten zahlen müssen. Die Rückforderung von zu Unrecht bezahlten öffentlichen Abgaben sei aber nach § 185 der oö Landesabgabenordnung (LGBl 1984/30) im Verwaltungswege geltend zu machen und dort zu entscheiden.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs der Kläger ist zulässig und berechtigt.

Für die Zulässigkeit des Rechtsweges ist nach ständiger Rechtsprechung in erster Linie der Wortlaut des Klagebegehrens und darüber hinaus der Klagesachverhalt maßgebend. Es kommt dabei auf die Natur, das Wesen des geltend gemachten Anspruchs an. Ist er privatrechtlicher Art, haben die Zivilgerichte zu entscheiden (SZ 61/88; SZ 62/108; SZ 63/94; SZ 64/57). Unerheblich ist, ob der behauptete Anspruch berechtigt ist, weil hierüber erst in der Sachentscheidung abzusprechen ist.

Im vorliegenden Fall behaupten die Kläger, mit der beklagten Partei eine privatrechtliche Vereinbarung getroffen zu haben, wonach mit den von den Klägern getragenen Kosten der Errichtung eines Kanals die Kanalanschlußgebühren abgegolten sein sollten. Geht aber eine Gemeinde bei Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben einen privatrechtlichen Vertrag ein, sind die daraus entspringenden Pflichten nach privatrechtlichen Grundsätzen zu beurteilen (vgl Fasching I, 108; SZ 23/39 = JBl 1960, 290). Der Oberste Gerichtshof hat auch bei einem durchaus vergleichbaren Sachverhalt bereits ausgesprochen, daß das auf die Verletzung einer privatrechtlichen Vereinbarung gegründete Rückzahlungsbegehren in Ansehung einer von der Gemeinde eingehobenen Stromabgabegebühr durch die Zivilgerichte zu entscheiden sei, gleichgültig, ob diese Gebühr im öffentlichen Recht begründet sei oder nicht (SZ 10/52).

Zwar ist die Rechtsmeinung des Rekursgerichtes zutreffend, die Vorschreibung einer Kanalanschlußgebühr sei dem öffentlichen Recht zuzurechnen, weil die Gemeinden nach dem Interessentenbeiträge-Gesetz 1958 oö LGBl 1958/28 idF LGBl 1973/57 ermächtigt werden, für den Anschluß an eine gemeindeeigene Kanalisationsanlage von den Grundstückseigentümern und Anrainern Beiträge einzuheben (§ 1 Abs 1 Z 1 lit a IBFG). Richtig ist auch, daß die österreichische Landesabgabenordnung LGBl 1984/30 idF LGBl 1992/22 vorsieht, daß zu Unrecht entrichtete, abgeführte oder zwangsweise eingebrachte Abgaben auf Antrag zurückzuzahlen sind (§ 185 oö LAO). Dies ist aber für den hier behaupteten Sachverhalt nicht wesentlich. Der Oberste Gerichtshof hat zwar wiederholt ausgesprochen, daß ein Rückforderungsanspruch dann nicht auf § 1431 ABGB gestützt werden kann, wenn die Prüfung des Rechtsbestandes der fraglichen Forderung der gerichtlichen Zuständigkeit entzogen ist, weil andernfalls auf diese Weise die ordentlichen Gerichte zur Überprüfung der Tätigkeit der Verwaltungsbehörden herangezogen werden könnten (SZ 43/3; SZ 14/178; SZ 12/296); er hat aber auch festgehalten, daß die Anrufung der Zivilgerichte im Verhältnis zwischen dem Zahlenden und einer öffentlichen Körperschaft, an welche die Abgabe zu entrichten war, bei Vorliegen eines Privatrechtstitels durchaus begründet sein kann (SZ 12/296).

Im vorliegenden Fall wird ein Schadenersatzanspruch aus der Verletzung einer zulässigen privatrechtlichen Vereinbarung geltend gemacht. Streitentscheidend ist die Auslegung des Inhalts und des Umfanges dieser Vereinbarung. Für die Beurteilung dieses Ersatzanspruches sind die ordentlichen Gerichte berufen, weil lediglich dieser Sachverhalt zu entscheiden und nicht eine nachfolgende Überprüfung der Tätigkeit der Verwaltungsbehörden vorzunehmen ist.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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