Spruch:
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Rekurskosten sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Der Kläger begehrte von der Beklagten, die ihren Sitz in Dänemark hat, Zahlung einer Entschädigung gemäß § 25 HVG (1921) und brachte vor, die Beklagte habe mit Schreiben vom 11.5.1993 den mit ihm am 1.10.1992 abgeschlossenen Handelsvertretervertrag per 30.6.1993 aufgekündigt und nutze den von ihm in Österreich aufgebauten Kundenstock weiter. Das angerufene Gericht sei örtlich zuständig, weil die Beklagte im Sprengel des angerufenen Gerichtes Vermögen, nämlich Forderungen auf Grund von Bestellungen der Firma L***** über insgesamt etwa S 174.950 habe. Über Auftrag des Erstgerichtes legte der Kläger eine Kopie des Handelsvertretervertrages vor, dessen § 12 lautet: "Sollten sich aus diesem Vertragsverhältnis Streitigkeiten ergeben, so kann die Entscheidung nur vor einem dänischen Schiedsgericht geschehen."
Das Erstgericht wies die Klage mangels inländischer Gerichtsbarkeit a limine zurück. Es führte aus, die inländische Gerichtsbarkeit sei nicht gegeben, da nach dem Handelsvertretervertrag Streitigkeiten aus dem Vertragsverhältnis nur vor einem dänischen Schiedsgericht entschieden werden sollen.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Klägers nicht Folge und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig. Es führte folgendes aus:
Der Kläger gehe - gestützt auf JBl 1976, 377 - davon aus, daß die Schiedsgerichtsvereinbarung mit der Aufkündigung des Handelsvertretervertrages vom 3.10.1992 ihre Gültigkeit verloren habe. Da der Schiedsvertrag bei einer gemäß § 577 Abs 2 ZPO für künftige Streitigkeiten aus einem bestimmten Rechtsverhältnis vereinbarten Schiedsklausel erlösche, wenn dieses Rechtsverhältnis einverständlich aufgelöst worden sei oder wenn beide Parteien übereinstimmend das Rechtsverhältnis für gegenstandslos, aufgelöst, wirkungslos oder nicht existent erklärt hätten (Fasching IV 739), sei die Frage wesentlich, ob im gegenständlichen Fall die Kündigung der Vereinbarung einer einverständlichen Auflösung gleichzusetzen sei. Dauerschuldverhältnisse fänden ihr Ende durch Ablauf der Zeit, wenn sie auf bestimmte Zeit befristet seien, sonst durch spätere Vereinbarung zwischen den Parteien (vgl Koziol-Welser I9 284 und 389) oder durch den einseitigen, rechtsgestaltenden Akt der Kündigung (Koziol-Welser I9 197). Im gegenständlichen Fall sei schon allein aus der Tatsache der Kündigung ersichtlich, daß die Parteien den Hauptvertrag nicht einverständlich außer Kraft gesetzt hätten. Die in das Vertragsverhältnis als Nebenabrede eingebaute Schiedsklausel habe demnach weiterhin Gültigkeit, denn die Kündigung eines Schiedsvertrages sei unzulässig (Fasching IV 740). Die schlüssige Auflösung des Schiedsvertrages durch prozeßrechtlich erhebliche Handlungen (Fasching I 503) habe der Kläger nicht behauptet. Der Gerichtsstand nach § 99 Abs 1 JN vermöge als rein örtliche Zuständigkeitsnorm die sachliche Zuständigkeit der erhobenen Ansprüche nicht zu ändern (Fasching I 447). § 914 ABGB lasse nur die Auslegung zu, daß die Parteien Streitigkeiten aus dem Vertragsverhältnis ausschließlich vor einem dänischen Schiedsgericht austragen wollten, weshalb es an der inländischen Gerichtsbarkeit mangle.
Der ordentliche Revisionsrekurs sei gemäß § 528 Abs 2 Z 2 iVm § 528 Abs 1 ZPO zulässig, weil durch die Rekursentscheidung der Rechtsschutz verweigert werde.
Gegen diesen Beschluß richtet sich der Revisionsrekurs des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und Mangelhaftigkeit des Verfahrens mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung (ersatzlos) aufzuheben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig und auch berechtigt.
Der Kläger macht geltend, die Vorinstanzen hätten nicht geprüft, ob der den die Schiedsklausel enthaltenden Handelsvertretervertrag unterfertigende Geschäftsführer der Beklagten einzel- oder nur gesamtvertretungsbefugt sei. Die Schiedsklausel sei wegen ihrer Undeutlichkeit unwirksam. Die Formulierung "dänisches Schiedsgericht" lasse völlig offen, ob das Schiedsgericht seinen Sitz in Dänemark haben solle oder ob dänische Staatsbürger zu Schiedsrichtern bestellt werden sollten oder ob beide Voraussetzungen erfüllt sein müßten, damit ein "dänisches Schiedsgericht" vorliege. Selbst wenn man die Schiedsklausel dahingehend auslege, daß das Schiedsgericht in Dänemark tagen müsse, sei der Sitz in keiner Weise festgelegt. Die Vorinstanzen hätten prüfen müssen, ob es auch im dänischen Recht eine den § 580 ZPO vergleichbare subsidiär anwendbare Bestimmung gebe; die Bestellung des Schiedsgerichtes sei nämlich - wenn man die Schiedsklausel als wirksam ansehe - nach dänischem Recht zu beurteilen. Wenn die Schiedsklausel dänischem Recht nicht genüge und die Bestellung eines Schiedsgerichtes auf der Grundlage der unbestimmten Schiedsklausel nicht möglich sei, wäre die Verneinung der inländischen Gerichtsbarkeit nicht gerechtfertigt. Die Schiedsklausel beziehe sich ihrem Wortlaut nach nur auf Streitigkeiten "aus diesem Vertragsverhältnis", setze also den aufrechten Bestand des Handelsvertretervertrages voraus und sei nicht auf Ansprüche aus der Beendigung dieses Vertrages zu beziehen. Durch die Kündigung des Handelsvertretervertrages seitens der Beklagten sei auch die Schiedsvereinbarung aufgehoben worden. Allenfalls sei die Kündigung der Schiedsvereinbarung aus wichtigem Grund zulässig, weil die Beklagte das Vertragsverhältnis einseitig aufgelöst habe und dem Kläger nach Kündigung des Handelsvertretervertrages durch den Geschäftsherrn die Austragung einer Rechtsstreitigkeit vor einem ausländischen Schiedsgericht nicht mehr zumutbar sei.
Hiezu wurde erwogen:
Für Erhebungen über die Art der Vertretungsbefugnis des Geschäftsführers der Beklagten, dessen Unterschrift auf dem Handelsvertretervertrag aufscheint, bestand kein Anlaß. Der diesbezüglich geltend gemachte Verfahrensmangel liegt nicht vor.
Der Kläger stützt sich auf den Vermögensgerichtsstand. Ein Vermögen im Sinne des § 99 Abs 1 JN begründet die inländische Gerichtsbarkeit nach der neueren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes aber nur unter der Voraussetzung einer zusätzlichen Inlandsbeziehung des Streitgegenstandes oder der Parteien (EvBl 1993/93; RdW 1993, 111). Eine derartige zusätzliche Nahebeziehung zum Inland wäre im vorliegenden Fall darin zu erblicken, daß der Kläger für die Beklagte als Handelsvertreter in Österreich tätig war und hier seinem Vorbringen nach den Kundenstock aufbaute, den die Beklagte weiterhin noch nütze. Allerdings würde dieser Inlandsbezug durch die Vereinbarung eines im Ausland durchzuführenden Schiedsgerichtsverfahrens wiederum derart abgeschwächt, daß die inländische Gerichtsbarkeit nicht gegeben wäre (2 Ob 530/91).
Bei einer Schiedsgerichtsvereinbarung muß zwischen dem eigentlichen Schiedsvertrag und einer zusätzlich möglichen Vereinbarung über das schiedsrichterliche Verfahren unterschieden werden (SZ 60/171 = RdW 1988, 12). Die gegenständliche Schiedsklausel enthält zunächst die Vereinbarung der - ausschließlichen - Schiedsgerichtsbarkeit für Streitigkeiten, die sich aus dem Handelsvertretervertrag ergeben sollten. Eine derartige Schiedsklausel wirkt aber über die Geltungsdauer des materiellen Vertrages hinaus (SZ 58/60; RdW 1991, 327; vgl schon JBl 1930, 18; vgl auch Fasching, Lehrbuch2 Rz 2181; Schlosser, Das Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit2 Rz 392). Ein Fall der einverständlichen Auflösung des Hauptvertrages samt eingebauter Schiedsklausel, der rückwirkenden einvernehmlichen Vertragsaufhebung oder des Einvernehmens über die Nichtigkeit des Vertrages (vgl JBl 1976, 377; JBl 1979, 42; SZ 55/89; SZ 58/60; Fasching, Kommentar IV 739) liegt hier nicht vor. Im Hinblick auf den Zweck der Schiedsklausel besteht kein Zweifel daran, daß sie entgegen der Ansicht des Klägers auch Streitigkeiten über dessen Ansprüche, die sich aus der durch die Kündigung der Beklagten erfolgten Beendigung des Handelsvertretervertrages ergeben, erfaßt. Ein anderes Ergebnis kann auch nicht im Umweg der Zulassung einer Kündigung der Schiedsvereinbarung aus wichtigem Grund wegen Kündigung des Hauptvertrages herbeigeführt werden.
Über den eigentlichen Schiedsvertrag hinaus haben die Parteien im vorliegenden Fall auch eine Vereinbarung über das schiedsrichterliche Verfahren getroffen, nämlich "Entscheidung vor einem dänischen Schiedsgericht". Zu Recht hält der Kläger diese Formulierung für undeutlich. Es ist unklar, ob es sich hiebei um ein ad hoc, nach allenfalls vorhandenen dänischen Gesetzesbestimmungen zu bildendes Schiedsgericht oder um ein institutionelles Schiedsgericht handeln soll; auch ein bestimmter Ort wird als Sitz des Schiedsgerichtes nicht genannt. Mangels Anhaltspunkt kann hier (anders als in 3 Ob 58/88 und in den von Schlosser aaO Rz 422 genannten Beispielsfällen) nicht im Zweifel davon ausgegangen werden, daß ein bestimmtes typisches institutionalisiertes Schiedsgericht gemeint wäre. Hinreichend klar ist lediglich, daß ein "dänisches Schiedsgericht" seinen Sitz in Dänemark hat. Die Gültigkeit oder Ungültigkeit des Schiedsvertrages wegen Unbestimmtheit ist aber mangels einer anderweitigen Parteienvereinbarung nach dem Recht des Landes zu beurteilen, in welchem der Schiedsspruch zu fällen ist (vgl JBl 1974, 629). Somit ist die Frage, ob die vorliegende Schiedsklausel wegen der Wendung "vor einem dänischen Schiedsgericht" unbestimmt und damit ungültig ist, nach dänischem Recht zu lösen.
Hiezu haben die Vorinstanzen keine Ermittlungen angestellt. Vor Verweigerung des Rechtsschutzes in Österreich durch Zurückweisung der Klage a limine wäre aber zu klären gewesen, ob nach dänischem Recht auf Grund der verwendeten - undeutlichen - Klausel die Bestellung eines Schiedsgerichtes möglich ist, bei dem der Kläger sein Recht suchen könnte. In der Verletzung dieser Ermittlungspflicht ist nach ständiger Rechtsprechung (vgl die Nachweise bei Schwimann in Rummel2 § 4 IPRG Rz 3) ein Verfahrensmangel eigener Art zu erblicken, der zur Aufhebung der vorinstanzlichen Entscheidungen führt. Vor einer neuerlichen Zurückweisung a limine oder - im Falle der Klagszustellung - vor Entscheidung über eine allfällige diesbezügliche Prozeßeinrede der Beklagten wird das Erstgericht gemäß § 4 IPRG vorzugehen haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 ZPO.
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