OGH 1Ob628/82

OGH1Ob628/8216.6.1982

SZ 55/89

Normen

JN §41
JN §49
ZPO §577
ZPO §595
JN §41
JN §49
ZPO §577
ZPO §595

 

Spruch:

Eine Klage, die sich auf die Behauptung der einverständlichen Aufhebung eines Vertrages samt der darin enthaltenen Schiedsklausel stützt, kann vor dem ordentlichen Gericht erhoben werden

OGH 16. Juni 1982, 1 Ob 628/82 (OLG Wien 3 R 80/82; HG Wien 18 Cg 133/81)

Text

Die Streitteile schlossen am 11. 1. 1980 einen sogenannten "Franchisevertrag". Mit diesem gewährte die beklagte Partei der klagenden Partei das "Franchiserecht" gemäß Punkt 1 des Vertrages, der folgenden Wortlaut hat: "Der Franchisegeber gewährt dem Franchisenehmer das Recht, das gesamte, ihm mitgeteilte technische Erfahrungswissen des Franchisegebers zur Errichtung und zum Betrieb eines Baumarktes in Salzburg und angrenzendem westlichen Oberösterreich (siehe beiliegende Karte) zu verwerten, sowie diesen insgesamt nach Vorbild des Franchisegebers und unter Verwendung der registrierten Marke B zu führen. In diesem Baumarkt wird der Franchisenehmer Waren vertreiben, die ihm vom Franchisegeber im Sortiment genannt bzw. geliefert werden. Das Werbe-, Ausstattungs- und Vertriebs- sowie Verrechnungssystem stellt der Franchisegeber bei, und zwar in Art und Umfang, wie in der Folge näher umschrieben; der Franchisenehmer wird all dies seiner Organisation zugrunde legen." Art. X des Vertrages sieht eine Schiedsklausel vor, deren Punkt 1 lautet: "Alle Streitigkeiten aus oder im Zusammenhang mit diesem Vertrag und seiner Durchführung sollen unter Ausschluß der ordentlichen Gerichte durch einen Einzelschiedsrichter entschieden werden."

Auf Grund dieses Vertrages betrieb die klagende Partei in Salzburg einen "B-Markt". Am 5. 3. 1981 wurden die Gebäude, in denen die klagende Partei diesen Markt betrieb, durch einen Brand völlig zerstört.

Die klagende Partei begehrt die Feststellung, daß das von den Streitteilen mit dem Franchisevertrag vom 11. 1. 1980 begrundete Rechtsverhältnis infolge Unterganges des Betriebsgebäudes, also durch den auch von der beklagten Partei anerkannten Wegfall der Geschäftsgrundlage in vollem Umfang, also einschließlich der im Punkt X des Franchisevertrages festgelegten Schiedsklausel einverständlich beendet wurde, und die Rückzahlung der bei Vertragsabschluß geleisteten einmaligen Franchisegebühr von 578 200 S in der anteiligen Höhe von 501 106.67 S samt Anhang. Die klagende Partei behauptet, den Franchisevertrag mit Schreiben vom 6. 4. 1981 wegen Untergangs ihres Betriebsgebäudes gekundigt zu haben. Die beklagte Partei habe der Beendigung des Vertragsverhältnisses zugestimmt. Ein Gesellschafter der beklagten Partei sei schon am 7. 4. 1981 bei der klagenden Partei erschienen und habe alle noch vorhandenen Kennzeichen, Werbe- und sonstigen Unterlagen der B-Organisation abgeholt. Der Franchisevertrag sei daher durch Parteienvereinbarung beendet, womit auch die Schiedsklausel ihre Wirksamkeit verloren habe.

Die beklagte Partei erhob die Einrede der sachlichen Unzuständigkeit des angerufenen ordentlichen Gerichtes und beantragte Abweisung des Klagebegehrens. Sie bestritt, der Auflösung des Vertragsverhältnisses zugestimmt zu haben.

Das Erstgericht wies die Klage wegen sachlicher Unzuständigkeit zurück. Es war der Ansicht, daß eine nachträgliche Auflösung des Vertrages auf die darin enthaltene Schiedsklausel nur dann von Einfluß sei, wenn die Parteien den Vertrag einverständlich aufgelöst hätten oder übereinstimmend das Rechtsverhältnis für gegenstandslos, aufgelöst, wirkungslos oder nicht existent erklärt hätten. Diese Voraussetzungen lägen nicht vor, da die Auflösung des Vertrages von der beklagten Partei bestritten werde. Da der Vertrag ursprünglich gültig gewesen sei, fielen auch Streitigkeiten über die Auflösung des Vertrages, dessen Kündigung oder fristlose Auflösung oder über die aus dessen Beendigung abgeleiteten Ansprüche unter die "Streitigkeiten aus dem Vertrage" umfassende Schiedsklausel. Darüber hinaus bestimme die Schiedsklausel, daß auch alle Streitigkeiten "im Zusammenhang mit diesem Vertrag" unter Ausschluß der ordentlichen Gerichte durch einen Einzelschiedsrichter entschieden werden sollten.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der klagenden Partei Folge und änderte den angefochtenen Beschluß dahin ab, daß es die von der beklagten Partei erhobene Einrede der sachlichen Unzuständigkeit verwarf. Die klagende Partei habe sowohl das Feststellungs- als auch das Zahlungsbegehren auf die einvernehmliche Vertragsauflösung gestützt. Die im Vertrag enthaltene Schiedsklausel sei als Nebenabrede zu beurteilen, die das rechtliche Schicksal des Hauptvertrages teile und damit ihre Wirksamkeit verliere, wenn die Parteien den Hauptvertrag einverständlich außer Kraft setzten. Die Klägerin habe mit der Behauptung der einvernehmlichen Auflösung des eine Schiedsklausel enthaltenden Vertrages den Zuständigkeitstatbestand begrundet. Dagegen gelte die Klausel auch für Streitigkeiten über die Aufhebung eines ursprünglich gültigen Vertrages und dessen Kündigung oder fristlose Auflösung oder über die aus dessen Beendigung abgeleiteten Ansprüche. Da im gegenständlichen Fall die zuständigkeitsbegrundenden und die anspruchsbegrundenden Tatsachen zusammenfielen, sei die Zuständigkeit auf Grund der Tatsachenbehauptungen der klagenden Partei ohne weitere Überprüfung anzunehmen. Im Rahmen der Erledigung der Unzuständigkeitseinrede sei daher davon auszugehen, daß die Parteien den die Schiedsklausel enthaltenden Vertrag einvernehmlich aufgelöst hätten, was den Wegfall der Schiedsklausel bewirke. Die Parteien hätten eine besondere übereinstimmende Willenserklärung dahin abgeben müssen, daß die Schiedsklausel für Streitigkeiten aus der Beendigung des Vertrages weitergelten solle. Das sei aber nicht geschehen.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Gemäß § 577 Abs. 2 ZPO kann in einem Schiedsvertrage auch wirksam vereinbart werden, daß aus einem bestimmten Rechtsverhältnisse künftig entstehende Streitigkeiten durch einen oder mehrere Schiedsrichter entschieden werden sollen. Welche Streitigkeiten danach von der Schiedsvereinbarung umfaßt sind, ist auf Grund ihres - nach dem Parteiwillen auszulegenden - Inhaltes zu ermitteln. Die Einrede des Vorliegens einer Schiedsgerichtsvereinbarung ist nicht mit der Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges, sondern mit jener der (heilbaren) sachlichen Unzuständigkeit geltend zu machen (JBl. 1976, 377; EvBl. 1958/103; SZ 6/122; Fasching I 54, III 167 f., IV 736; derselbe, Schiedsgericht und Schiedsverfahren im österreichischen und internationalen Recht 34; vgl. auch Matscher, Probleme der Schiedsgerichtsbarkeit im österreichischen Recht, JBl. 1975, 418). Kommt es bei Vorliegen einer mit einem Hauptvertrag verbundenen Schiedsklausel zu Streitigkeiten über die Unwirksamkeit oder Beendigung des Vertrages, muß unterschieden werden: War der Hauptvertrag ursprünglich gültig und entstehen Streitigkeiten über die (einseitige) Aufhebung des Vertrages, dessen Kündigung oder fristlose Auflösung oder die aus dessen Beendigung abgeleiteten Ansprüche, dann wirkt eine "alle Streitigkeiten aus dem Vertrage" umfassende Schiedsklausel auch auf sie. Auch wenn die ursprüngliche Unwirksamkeit (Nichtigkeit) des Vertrages behauptet wird, gilt - sofern nur die Schiedsvereinbarung formgültig und inhaltlich bestimmt ist und nicht ohnehin diesen Fall ausdrücklich regelt - die Schiedsgerichtsbarkeit im Zweifel auch für solche Streitigkeiten (Fasching IV 729; derselbe, Schiedsgericht und Schiedsverfahren im österreichischen internationalen Recht 37; ähnlich Wünsch, Schiedsgerichtsbarkeit in Handelssachen 41 ff. mwN). Anders ist jedoch der Fall zu beurteilen, wenn der Kläger behauptet, daß die Parteien den Hauptvertrag samt eingebauter Schiedsklausel einverständlich aufgelöst haben, was auch stillschweigend geschehen kann (Baumbach - Schwab, Schiedsgerichtsbarkeit[2] 83), oder wenn die Parteien einverständlich von der Unwirksamkeit des Hauptvertrages (bzw. der Schiedsklausel) ausgehen. Es geht dann nicht um den Inhalt (Wirkungsbereich) der Schiedsvereinbarung, sondern um ihren Weiterbestand.

Ist das Begehren wie hier auf Feststellung der einverständlichen Aufhebung des Schiedsvertrages gerichtet, so fallen die die sachliche Zuständigkeit begrundenden Tatsachen und die anspruchsbegrundenden Tatsachen zusammen. In einem derartigen Fall sind, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannte, die vom Kläger aufgestellten Tatsachenbehauptungen für die Frage der sachlichen Zuständigkeit dem Verfahren ohne weitere Überprüfung auf ihre Richtigkeit zugrunde zu legen (vgl. EvBl. 1981/151 mwN; JBl. 1980, 430; JBl. 1979, 42; SZ 48/136 ua.). Bei behauptetem Erlöschen des Schiedsvertrages wegen einverständlicher Aufhebung kann daher die Klage vor dem staatlichen Gericht erhoben werden (Baumbach - Schwab aaO 83). In das Recht der beklagten Partei auf ein Verfahren vor dem vereinbarten Schiedsgericht würde auch durch eine unrichtige Behauptung der klagenden Partei, der Vertrag sei einverständlich aufgehoben worden, nicht eingegriffen, weil das ordentliche Gericht nur über den auf die Behauptung des Klägers gegrundeten Anspruch zu entscheiden hat. Erweist sich diese Tatsachenbehauptung im Verlaufe des Verfahrens als unrichtig, dann ist die Klage nicht zurückzuweisen, sondern das Klagebegehren abzuweisen. Ansprüche, die vom Aufrechtbestehen der Schiedsgerichtsklausel ausgehen, werden davon nicht berührt. Sie können auch während des Verfahrens vor dem ordentlichen Gericht vor dem Schiedsgericht geltend gemacht werden (vgl. zum umgekehrten Fall SZ 17/131).

Auch die Behauptung der einverständlichen Aufhebung des Hauptvertrages allein reicht zur Begründung der Zuständigkeit des ordentlichen Gerichtes aus. Die in ein Vertragsverhältnis eingebaute Schiedsklausel ist nach Lehre (Fasching IV 739; Sperl 779; aM, jedoch ohne nähere Begründung, anscheinend Pollak[2] 775) und Rechtsprechung (JBl. 1979, 42; JBl. 1976, 377) als Nebenabrede zu beurteilen, die im Zweifel das rechtliche Schicksal des Hauptvertrages teilt und daher wegfällt, wenn die Parteien den Hauptvertrag einverständlich außer Kraft setzen. Es bedürfte einer besonderen Erklärung der Vertragsparteien bei Aufhebung des Vertrages, um ein anderes Schicksal der darin enthaltenen Schiedsklausel annehmen zu können. Die von der Rekurswerberin zitierten Meinungen aus dem Schrifttum, wonach der Schiedsvertrag im Zweifel aufrecht bleibe, beziehen sich, ebenso wie die Entscheidung BGHZ 53, 315, auf die hier nicht vorliegenden Fälle der Unwirksamkeit oder der umstrittenen einseitigen Auflösung des Hauptvertrages. Die Revisionsrekurswerberin führt allerdings aus, daß sich auch die klagende Partei auf eine einseitige Kündigung des Franchisevertrages, der ein Dauerschuldverhältnis sei, berufen habe. Eine solche Auflösungserklärung würde das Vertragsverhältnis schon mit dem Zugang der Erklärung beenden, wenn tatsächlich ein wichtiger Grund hiefür vorgelegen wäre. Eine spätere "Zustimmung" der beklagten Partei habe nicht mehr zu der von der klagenden Partei - sohin fälschlich behaupteten - einverständlichen Auflösung führen können. Mit diesen Ausführungen übersieht die Revisionsrekurswerberin jedoch, daß bei einer einseitigen Auflösungserklärung über das Vorliegen berechtigter Gründe zur vorzeitigen Auflösung eines Vertrages häufig (und auch im vorliegenden Fall) Streit besteht, so daß eine Zustimmung zu einer einseitigen Auflösungserklärung zu dem Zweck abgegeben werden kann, nunmehr die Wirksamkeit der Erklärung anzuerkennen und damit Meinungsverschiedenheiten über die Auflösung beizulegen. Auf eine solche nunmehr zweiseitige Regelung kann sich ein Partner unabhängig von seinem vorherigen Verhalten berufen.

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