Spruch:
Der Antrag auf Delegierung der Rechtssache an das Bezirksgericht Innere Stadt Wien wird abgewiesen.
Text
Begründung
Die klagende Versicherung, die ihren allgemeinen Gerichtsstand in Wien hat, ist Eigentümerin eines Hauses in der Innenstadt von Salzburg. In diesem Haus hat sie der beklagten Partei ein Geschäftslokal vermietet; im Mietvertrag wurde eine Gerichtsstandvereinbarung dahin getroffen, daß "für alle Streitigkeiten das sachlich zuständige Gericht in Wien zuständig ist".
Mit der vorliegenden Klage brachte die klagende Partei beim Bezirksgericht Salzburg eine Klage wegen rückständigen Mietzinses ein. Die von der beklagten Partei erhobene Einrede der örtlichen Unzuständigkeit wurde mit der Begründung rechtskräftig verworfen, daß die Zuständigkeitsvereinbarung in der Regel keine ausschließliche sei; auch hier sei von keiner ausschließlichen auszugehen; vielmehr habe die Zuständigkeitsvereinbarung erst eine Wahlmöglichkeit zu dem ausschließlichen Gerichtsstand des § 83 JN geschaffen. Damit bleibe das von der klagenden Partei angerufene Bezirksgericht Salzburg nach § 83 JN für diese Bestandstreitigkeit zuständig (Beschluß des Erstgerichts ON 6; bestätigt vom Rekursgericht mit ON 10).
Mit dem vorliegenden Antrag begehrt die beklagte Partei, die Rechtssache gemäß § 31 JN an das Bezirksgericht Innere Stadt Wien zu delegieren und begründet diesen Antrag damit, daß sie ihrerseits auf Grund der Zuständigkeitsvereinbarung gegen die hier klagende Partei beim Bezirksgericht Innere Stadt Wien zu 30 C 268/93 eine Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit des Mietvertrages eingebracht habe, das Bezirksgericht Innere Stadt Wien seine örtliche Zuständigkeit bejaht habe und die Verbindung beider Verfahren zweckmäßig sei, weil die Entscheidung in beiden Verfahren im wesentlichen von derselben Rechtsfrage, nämlich der Wirksamkeit bzw Anfechtbarkeit des Mietvertrages abhänge. Sie habe dem von ihrer Gegnerin dort eingebrachten Delegierungsantrag an das Bezirksgericht Salzburg widersprochen, dessen Abweisung zu erwarten sei, weil der Gerichtsstand auf Grund der Zuständigkeitsvereinbarung bestehe. Es sei zweckmäßig, dieses Verfahren in Wien zu führen, weil die klagende Partei ihren Sitz in Wien habe und die beklagte Partei und ihr Vertreter in Linz ansässig seien und Gerichtstermine in Wien leichter als in Salzburg wahrnehmen könnte. Für eine eventuelle Befundaufnahme durch einen Sachverständigen sei es gleichgültig, ob das Verfahren in Wien oder in Salzburg anhängig sei.
Die klagende Partei sprach sich gegen den Delegierungsantrag aus und verwies darauf, daß das Verfahren in Salzburg zweckmäßiger geführt werden könnte. Die bisher geführten Zeugen seien in Salzburg wohnhaft; gleiches gelte auch für allenfalls weiter namhaft zu machende Zeugen, insbesondere die zuständigen Beamten des Altstadtamtes der Baubehörde Salzburg, weil es nach den Behauptungen der beklagten Partei im Verfahren unter anderem wesentlich auf die Bewilligungsfähigkeit von Geschäftsschildern nach dem Salzburger Altstadterhaltungsgesetz ankomme. Auch ein allenfalls zu beantragender Lokalaugenschein müßte in Salzburg vorgenommen werden.
Das Erstgericht nahm trotz Aufforderung durch den Obersten Gerichtshof zum Delegierungsantrag inhaltlich nicht Stellung, weil es meinte, die Zweckmäßigkeit des Delegierungsantrages mangels ausreichender Kenntnis des Verfahrens 30 C 368/93 des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien nicht beurteilen zu können.
Rechtliche Beurteilung
Der Delegierungsantrag ist nicht berechtigt.
Aus Gründen der Zweckmäßigkeit kann gemäß § 31 Abs 1 JN eine Rechtssache an ein anderes Gericht überwiesen werden. Zweckmäßigkeit ist dann gegeben, wenn zu jenem anderen Gericht die offenbar engste Beziehung besteht und die Delegierung zu einer wesentlichen Verkürzung des Verfahrens, zur Erleichterung des Gerichtszuganges oder der Amtstätigkeit oder zu einer wesentlichen Verbilligung des Verfahrens beitragen kann. Dies wird insbesondere dann der Fall sein, wenn beide Parteien oder zumindest eine von ihnen oder die überwiegende Anzahl der Zeugen im Sprengel des begehrten Gerichtes wohnen, aber auch dann, wenn ein Lokalaugenschein zweckmäßig erscheint, der im Sprengel des begehrten Gerichtes durchzuführen sein wird (Fasching Komm I 232; ders Lehrbuch2 Rz 209).
Im vorliegenden Fall wohnt der Großteil der bisher beantragten Zeugen in Salzburg, einer wohnt in Oberösterreich, jedoch kein einziger in Wien oder Umgebung. Nach dem bisherigen Vorbringen der Streitteile ist es wahrscheinlich, daß ein Ortsaugenschein in Salzburg durchzuführen und gegebenenfalls weitere dort ansässige Zeugen (Beamte der Baubehörde) zu vernehmen sein werden. Hingegen spricht nach der bisherigen Aktenlage nichts für die Zweckmäßigkeit einer Delegierung nach Wien. Daher hat es mangels übereinstimmenden Parteiwillens in Zweifelsfall bei der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung zu bleiben (vgl EvBl 1966/380 uva; zuletzt etwa 8 Nd 502/89 und 8 Nd 1/90).
Daß bei einem anderem Gericht ein Verfahren anhängig ist, in welchem eine für das gegenständliche Verfahren präjudizielle Vorfrage zu entscheiden oder eine im wesentlichen gleiche Rechtsfrage zu klären ist, ist kein Zweckmäßigkeitsgrund im Sinn des § 31 JN (4 Nd 3/90; 9 Nd A 1/91). Wenn die beklagte Partei die Verbindung dieses Verfahrens mit dem Verfahren 30 C 268/93 des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien wegen des inneren Zusammenhanges für zweckmäßig erachtet, steht es ihr frei, dem Delegierungsantrag ihrer Prozeßgegnerin im dortigen Verfahren beizutreten bzw. können die Streitteile einen übereinstimmenden neuen Parteienantrag auf Delegierung an das Bezirksgericht Salzburg stellen.
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