OGH 2Ob597/93

OGH2Ob597/9325.8.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*****, vertreten durch Dr.Othmar Taferner, Dr.Reinhold Gsöllpointner, Rechtsanwälte in Salzburg, wider die beklagte Partei Wolfgang S*****, vertreten durch Dr.Reinhard Ratschiller, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen S 1,432.675,30 s.A., infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 16. September 1993, GZ 1 R 124/93-40, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 25.März 1993, GZ 10 Cg 73/91-31, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 21.607,20 (darin enthalten S 3.601,20 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte war Geschäftsführer und Gesellschafter der F***** Gesellschaft mbH (in der Folge F***** GmbH). Bis zum Jahre 1981 erwirtschaftete das Unternehmen Verluste, die bis zu einer Überschuldung von S 1,900.000,- führten. Positive Betriebsergebnisse in den Folgejahren verbesserten die wirtschaftliche Situation nicht. Ende 1981 war die F***** GmbH zahlungsunfähig. Die Ursachen der Zahlungsunfähigkeit waren ein zu geringes Eigenkapital von Anfang an, unzureichende Fachkenntnisse des Beklagten sowie hohe Verluste in den ersten vier Jahren aufgrund einer nicht kostendeckenden Kalkulation. Spätestens in der zweiten Jahreshälfte 1982 war für den Beklagten die Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens erkennbar. Im Zeitraum März 1985 bis einschließlich November 1986 liefen für bei der klagenden Partei sozialversicherte Dienstnehmer der F***** GmbH Beitragsrückstände von insgesamt S 1,054.486,14 auf. Dazu kamen Mahngebühren und Exekutionskosten von S 4.510,-. Die Verzugszinsen betrugen unter Zugrundelegung eines Zinssatzes von 10,5 % p.a. für die Zeit bis zum 30. September 1990 S 500.843,21. Am 8.Oktober 1985 stellte die F***** GmbH, vertreten durch den Beklagten, beim Landesgericht Salzburg einen Ausgleichsantrag, der in der Folge angenommen und mit Beschluß vom 5.März 1986 bestätigt wurde. Nach dem Inhalt des Ausgleichs sollten die Gläubiger eine 40 %ige Quote, zahlbar zur Hälfte binnen 6 Monaten, zur weiteren Hälfte binnen einem Jahr ab Annahme des Ausgleichs erhalten. Im Zuge des Ausgleichs wurden an die beklagte Partei an Beitragsschulden insgesamt S 84.792,76 bezahlt. Da die F***** GmbH den Ausgleich nicht erfüllen konnte, wurde mit Beschluß des Landesgerichtes Salzburg vom 12.Dezember 1986 das Ausgleichsverfahren eingestellt und am 16.Dezember 1986 der Konkurs eröffnet.

Mit Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 16.März 1988 wurde der Beklagte des Vergehens der fahrlässigen Krida nach § 159 Abs 1 Z 1 und 2 StGB schuldig erkannt. In diesem Strafverfahren ist das das strafrechtlich relevante Verhalten des Beklagten aufzeigende Gutachten des Buchsachverständigen Dipl.Kfm.Dr.Josef Mayrl am 1. Dezember 1986 bei Gericht eingelangt. Mit Schreiben vom 8.März 1990 ersuchte die klagende Partei um Übersenung einer Kopie des rechtskräftigen Strafurteils.

Mit der am 11.März 1991 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrt die klagende Partei vom Beklagten letztlich Zahlung von S 1,432.675,30 s.A. mit der Begründung, der Beklagte habe als Geschäftsführer der F***** GmbH fahrlässig deren Zahlungsunfähigkeit herbeigeführt und es verabsäumt, rechtzeitig die Eröffnung des Konkurses zu beantragen. In Kenntnis oder fahrlässiger Unkenntnis der Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens sei er neue Schulden eingegangen. Bei rechtzeitiger Einleitung des Insolvenzverfahrens wären die dem Klagsbetrag zugrundeliegenden Beitragsschulden gegenüber der klagenden Partei nicht mehr entstanden. Das fahrlässige Entstehenlassen weiterer Beitragsschulden gegenüber dem Sozialversicherungsträger durch Weiterbeschäftigung sei als Eingehen neuer Schulden im Sinne des § 159 Abs 1 Z 2 StGB zu werten. Die klagende Partei sei berechtigt, von den rückständigen Sozialversicherungsbeiträgen 10,5 % Zinsen zu begehren. Der vom Beklagten erhobene Verjährungseinwand gehe ins Leere. Der klagenden Partei seien erst mit der rechtskräftigen Verurteilung des Beklagten sämtliche für das Entstehen des Ersatzanspruchs maßgeblichen Umstände bekannt geworden, sodaß die Verjährungsfrist erst ab diesem Zeitpunkt zu laufen begonnen habe.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Er habe seine Pflichten als Geschäftsführer nicht schuldhaft verletzt. Der Ersatzanspruch sei verjährt. Das Ausgleichsverfahren sei bereits im Oktober 1985, das Konkursverfahren am 16.Dezember 1986 eröffnet worden. Die klagende Partei habe Kenntnis vom Inhalt des Konkurs- als auch des Strafaktes gehabt. Sie habe spätestens Ende 1986/Anfang 1987 nicht nur Kenntnis vom Schaden und der Person des Schädigers, sondern auch von allen anspruchsbegründenden Umständen gehabt. Der Wissensstand der klagenden Partei und ihre Prozeßaussichten seien im Jahre 1986/1987 nicht anders gewesen, als sie es nunmehr seien. Ein vernünftiger Grund für die extrem lange Untätigkeit der klagenden Partei sei nicht zu erkennen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren aufgrund des eingangs wiedergegebenen Sachverhalts mit einem Betrag von S 931.832,06 statt und wies das Mehrbegehren ab.

Es erörterte rechtlich, der Beklagte habe als Geschäftsführer der F***** GmbH fahrlässig deren Zahlungsunfähigkeit herbeigeführt und in Kenntnis oder zumindest fahrlässiger Unkenntnis der Zahlungsunfähigkeit die Befriedigung der klagenden Partei geschmälert, indem er neue Schulden eingegangen sei. Der der klagenden Partei zu ersetzende Schaden bestehe in der Höhe der offengebliebenen Sozialversicherungsbeiträge von S 1,054.486,14 sowie den Mahn- und Exekutionskosten von S 4.510,-. Diese Beträge abzüglich eines Betrages von S 127.164,08, um welchen die klagende Partei das Klagebegehren eingeschränkt habe, somit S 931.852,06 habe der Beklagte der klagenden Partei zu ersetzen. Die Zinsen habe der Beklagte nicht nach § 59 Abs 1 ASVG, sondern nur in der gesetzlichen Höhe von 4 % ab Einforderung, das sei die Zustellung der Klage, zu ersetzen. Das höhere (kapitalisierte) Zinsenbegehren sei abzuweisen. Die Forderung sei auch nicht verjährt, weil die klagende Partei erst mit der rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilung des Beklagten von sämtlichen, für die Begründung des Ersatzanspruches maßgeblichen Umständen Kenntnis erlangt habe und erst mit diesem Zeitpunkt die Verjährungsfrist zu laufen begonnen habe.

Das Berufungsgericht gab der gegen den klagsabweisenden Teil dieser Entscheidung gerichteten Berufung der klagenden Partei nicht Folge, hielt jedoch die Berufung des Beklagten gegen den klagsstattgebenden Teil dieses Urteils berechtigt.

Der Beklagte habe sich zutreffend auf den Einwand der Verjährung berufen. Dem Sachbearbeiter der klagenden Partei sei seit dem Schreiben der Bundespolizeidirektion Salzburg vom 8.Jänner 1986 bekannt gewesen, daß gegen den Beklagten Erhebungen wegen des Verdachtes der fahrlässigen Krida geführt werden, doch habe sich die klagende Partei nicht mehr um den Fortgang des Strafverfahrens gekümmert. Im Strafverfahren sei das Gutachten des Buchsachverständigen am 1.Dezember 1986 bei Gericht eingelangt. In diesem Gutachten seien bereits alle die das Verschulden des Beklagten begründenden Tatsachen festgestellt worden. Daran habe sich weder im Verlaufe der Hauptverhandlung noch der Berufungsverfahren etwas geändert. Die Feststellungen stünden auch mit dem nunmehr als erwiesenen Sachverhalt überein. Der Strafantrag gegen den Beklagten wegen fahrlässiger Krida sei am 11.Dezember 1986 gestellt worden, nachdem die klagende Partei bereits am 22.September 1986 Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens gestellt hatte. Das Konkursverfahren sei am 16.Dezember 1986 eröffnet worden. Der klagenden Partei seien daher Ende des Jahres 1986 nicht nur der Schaden und der Schädiger bekannt geworden; es seien überdies bereits alle Umstände offen zutage gelegen, die das Verschulden des Beklagten begründeten, sodaß eine Klage mit Aussicht auf Erfolg hätte erhoben werden können. Für die klagende Partei, die über einen entsprechenden Verwaltungsapparat verfüge, hätte es keiner besonderen Mühe bedurft, sich Kenntnis vom Fortgang des Strafverfahrens und vom Inhalt des Strafaktes, insbesondere des Gutachtens zu verschaffen, wenn sie beabsichtigte, eine Schadenersatzklage gegen den Beklagten einzubringen. Es könne ihr nicht zugebilligt werden, bis zu einer rechtskräftigen Verurteilung des Schädigers zuzuwarten. Ein Zivilrichter habe nämlich auch im Falle eines Freispruches sämtliche Voraussetzungen für die Berechtigung eines Schadenersatzanspruches selbständig zu prüfen. Die strafgerichtliche Verurteilung könne auch nach Aufhebung des § 268 ZPO durch den Verfassungsgerichtshof nicht mehr maßgeblich für den Beginn der Verjährungsfrist sein. Die klagende Partei hätte sich bereits im Jahre 1987 Kenntnis vom Inhalt des Strafverfahrens verschaffen können. Die erst am 11.März 1991 eingelangte Klage sei daher verjährt.

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil der Frage des Beginns der Verjährungsfrist eine über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung zukomme.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der klagenden Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, sie im Sinne der Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird Aufhebungsantrag gestellt.

Der Beklagte beantragt die Revision als unzulässig zurückzuweisen, bzw. ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Unstrittig ist, daß die Schadenersatzforderung der klagenden Partei der Verjährungsfrist des § 1489 ABGB unterliegt. Die Verjährung nach dieser Gesetzesstelle beginnt zu laufen, wenn dem Geschädigten der Schaden und die Person des Schädigers bekannt geworden sind und dem Geschädigten der Sachverhalt soweit klar ist, daß er eine Schadenersatzklage mit Aussicht auf Erfolg einbringen könnte (Schubert in Rummel2 Rz 3 zu § 1489; SZ 52/167; SZ 56/36; SZ 60/204; SZ 63/133; SZ 64/23). Die Kenntnis des Geschädigten muß den ganzen anspruchsbegründenden Sachverhalt umfassen, in Fällen der Verschuldenshaftung auch jene Umstände, aus denen sich das Verschulden des Schädigers ergibt (WBl 1987, 66; JBl 1988, 321; JBl 1991, 654), doch darf der Beginn der Verjährungsfrist nicht bis zur völligen Gewißheit des Prozeßerfolges aufgeschoben werden (SZ 64/23). Zwar vermag die bloße Möglichkeit der Ermittlung einschlägiger Tatsachen ihr Bekanntsein nicht zu ersetzen, weil das Kennenmüssen des Geschädigten bezüglich jener Umstände, die ein Verschulden des Schädigers begründen können, nicht ausreicht (Koziol, Haftpflichtrecht2 I 317, JBl 1988, 321), doch genügt die Kenntnis solcher Umstände, die es dem Geschädigten ermöglichen, die für eine erfolgreiche Anspruchsverfolgung notwendigen Voraussetzungen in zumutbarer Weise ohne nennenswerte Mühe in Erfahrung zu bringen. In diesem Fall beginnt die Verjährungsfrist in dem Zeitpunkt zu laufen, in dem diese Kenntnis bei entsprechender Erkundigung zu erlangen gewesen wäre (Schubert aaO Rz 4, Koziol aaO 320, SZ 57/171; SZ 63/53). Dabei darf die Erkundigungspflicht des Geschädigten nicht überspannt werden (SZ 57/171) und ist auf die Umstände des konkreten Einzelfalls abzustellen.

Die Rechtsprechung hat zwar bereits ausgesprochen, daß die bloße Tatsache der Konkurseröffnung über das Vermögen einer Gesellschaft mbH noch nicht den sicheren Schluß auf ein fahrlässiges und schuldhaftes Verhalten des Geschäftsführers der in Konkurs verfallenen Gesellschaft zuläßt (JBl 1988, 321) und auch aus der Erstattung einer Anzeige nach § 114 ASVG durch den Geschädigten nicht geschlossen werden könne, daß diesem solche Tatumstände bekannt gewesen seien, die mit hinreichender Sicherheit einen Schädiger nach § 159 StGB erkennen ließen (2 Ob 566/88); im vorliegenden Fall ist aber für den anzunehmenden Beginn der Verjährungsfrist nicht alleine die Tatsache der Konkurseröffnung maßgeblich, sondern auch vor allem der Umstand, daß die klagende Partei seit dem 8.Jänner 1986 über konkrete Erhebungen durch die Sicherheitsbehörden gegen den Beklagten wegen des Verdachtes der fahrlässigen Krida Bescheid wußte, aber in der Folge bis zur Anfrage an das Landesgericht Salzburg am 8.März 1990 ihren eigenen Angaben nach untätig geblieben ist und sich um den Fortgang des Verfahrens überhaupt nicht gekümmert hat, obwohl sie von den Erhebungen gegen den Beklagten wegen des konkreten Vorwurfs nach § 159 StGB Kenntnis hatte. Eine Anzeigeerstattung nach § 114 ASVG mag daher zwar noch nicht den Vorwurf der fahrlässigen Krida des Schädigers nach § 159 StGB zu indizieren und verpflichtet daher auch nicht den Anzeiger, ein allfälliges Strafverfahren dahingehend zu beobachten, ob nicht auch allenfalls ein Verfahren wegen fahrlässiger Krida eingeleitet wird, doch ist im hier zu beurteilenden Fall ausschlaggebend, daß bereits im Jahre 1986 konkrete Anhaltspunkte für ein anspruchsbegründendes Verhalten des Beklagten vorlagen und konkrete Erhebungen geführt wurden. Bei diesem Sachverhalt durfte daher die klagende Partei nicht ohne weiteres untätig bleiben und den Beginn der Verjährungsfrist durch ihre Untätigkeit bis zum Verschaffen endgültiger Sicherheit über die Prozeßführung, nämlich durch die strafgerichtliche Verurteilung des Beklagten, hinausschieben. Der anspruchsbegründende Sachverhalt über die zum Eintritt der Zahlungsunfähigkeit führenden Umstände war bereits mit der Erstellung des Gutachtens im Strafverfahren im Dezember 1986 bekannt. An diesem wesentlichen Sachverhalt hat sich auch im Zivilverfahren nichts geändert. Im Hinblick auf die konkreten Umstände wäre es daher der klagenden Partei durchaus zumutbar gewesen, ohne nennenswerte Mühe durch einfache Akteneinsicht alle Voraussetzungen für die Anspruchsverfolgung spätestens Ende 1986 in Erfahrung zu bringen. Im konkreten Fall mußte auch nicht die strafgerichtliche Verurteilung des Beklagten abgewartet werden, weil auch das Zivilgericht - wie im vorliegenden Fall - den festgestellten Sachverhalt selbstständig prüfen muß. Dem Berufungsgericht ist daher zuzustimmen, daß nach den hier zu beurteilenden Umständen die Verjährungsfrist spätestens im Jahre 1987 zu laufen begonnen hat und daher die am 11.März 1991 eingelangte Klage verjährt ist.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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