Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Die außerehelich geborene Lisa P***** steht in der Obsorge ihrer Mutter; diese ist verheiratet, hat für ein weiteres Kind zu sorgen und führt den Haushalt, in dem sie die mj. Lisa betreut.
Der Vater der mj. Lisa P*****, Franz W*****, wurde mit Beschluß des Bezirksgerichtes Bad Ischl vom 2.12.1986 zu einer Geldunterhaltsleistung von S 800,-- monatlich an das Kind verpflichtet. Er hat noch für drei weitere Kinder aus seiner geschiedenen Ehe zu sorgen, für die er insgesamt S 3.770,-- monatlich an Unterhalt zu leisten hat. Der Vater ist gelernter Maurer, geht jedoch keiner regelmäßigen Beschäftigung nach, sondern verrichtet Gelegenheitsarbeiten. Da er der Unterhaltspflicht für die mj. Lisa P***** nicht regelmäßig nachkam und auch eine Exekutionsführung gegen ihn nicht möglich war, werden seit dem 1.12.1986 Unterhaltsvorschüsse nach den §§ 3, 4 Z 1 UVG in der Höhe von S 800,-- monatlich gewährt (letzte Beschlußfassung am 14.7.1993 für die Zeit vom 1.5.1993 bis 30.4.1996).
Der Sachwalter der Minderjährigen beantragte am 17.6.1993, den Vater vom 1.6.1993 an zu monatlichen Unterhaltsleistungen von S 2.830,-- zu verhalten; später wurde dieses Begehren auf S 2.000,-- eingeschränkt.
Der Vater erklärte sich mit einer Unterhaltserhöhung auf S 1.200,-- monatlich ab 1.10.1993 einverstanden, beantragte jedoch die Abweisung des Mehrbegehrens. Er habe mit der Mutter und deren Ehemann, dessen Familienname das Kind mittlerweile führe, vereinbart, daß keine Unterhaltserhöhung verlangt und er im Gegenzug sein Besuchsrecht nicht wahrnehmen würde. Für den durch seine Unterhaltsleistung bzw den Unterhaltsvorschuß nicht gedeckten Geldbedarf des Kindes komme der Stiefvater freiwillig auf, sodaß der Unterhalt des Kindes nicht gefährdet sei. Sowohl die Mutter als auch deren Ehemann hätten mehrfach erklärt, eine Unterhaltserhöhung nicht anzustreben und mit dem Antrag des Sachwalters nicht einverstanden zu sein. Im übrigen brachte der Vater vor, gar nicht in der Lage zu sein, mehr als den angebotenen Unterhalt zu leisten. Wegen seiner Vorstrafen könne er keine geregelte Arbeit finden; mit den Einkünften aus Gelegenheitsarbeiten seien gerade die bestehenden Unterhaltsverpflichtungen zu decken.
In einem an das Erstgericht adressierten Schreiben sprach sich der Ehemann der Mutter mit folgender Begründung gegen den Erhöhungsantrag der BH W***** aus:
"Der mj. Lisa P***** mangelt es an nichts. Ich komme schon seit Jahren für den restlichen angemessenen Unterhalt freiwillig auf und verpflichte mich hiermit, gegen jederzeitigen Widerruf, für den restlichen angemessenen Unterhalt der mj. Lisa P***** aufzukommen."
Das Erstgericht nahm an, daß der unterhaltspflichtige Vater als gelernter Maurer ein monatliches Einkommen von S 14.000,-- erzielen könnte, und gab dem Unterhaltserhöhungsbegehren des Kindes dahingehend statt, daß der ab 1.6.1993 zu leistende Unterhaltsbeitrag mit insgesamt S 1.500,-- festgesetzt wurde. Die zwischen dem unterhaltspflichtigen Vater und der Mutter bzw deren Ehemann abgeschlossene Vereinbarung berühre den Unterhaltsanspruch des Kindes nicht.
Das vom unterhaltspflichtigen Vater angerufene Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Es führte aus:
Es entspreche ständiger Rechtsprechung, daß Eltern mit pflegschaftsgerichtlicher Zustimmung eine Vereinbarung treffen könnten, wie sie in Kenntnis der beiderseitigen Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu dem der Höhe nach nicht geschmälerten Gesamtunterhalt des Kindes beitragen wollen. Den Eltern bleibe also im Rahmen der gesetzlichen Regelung des § 140 ABGB in der Frage ihrer jeweiligen Beitragsleistung eine gewisse Dispositionsfreiheit gewahrt; sie könnten eine von § 140 ABGB abweichende Unterhaltsvereinbarung treffen. Auch ein Kind sei an eine pflegschaftsbehördlich genehmigte, im Wissen der beiderseitigen Einkommens- und Vermögensverhältnisse getroffene Vereinbarung seiner Eltern über den vom Vater zu leistenden Unterhaltsbetrag so lange gebunden, als dadurch sein Gesamtunterhalt nicht geschmälert werde (ÖA 1992, 146 mwN).
Eine solche pflegschaftsbehördlich genehmigte Vereinbarung der Eltern - unter Einschluß des Ehemannes der Mutter - liege jedoch hier gar nicht vor. Da mit der Gewährung von Unterhaltsvorschüssen die Bezirksverwaltungsbehörde besonderer Sachwalter des Kindes zur Durchsetzung der Unterhaltsansprüche nach § 9 Abs 2 UVG geworden sei, komme der Mutter seit diesem Zeitpunkt kein Vertretungsrecht in Unterhaltsbelangen zu. Eine Erklärung der Mutter, auf den Unterhaltsanspruch für das Kind ganz oder teilweise zu verzichten, wäre rechtlich unbeachtlich (EFSlg 61.968 f ua).
Bei der behaupteten Vereinbarung zwischen den Eltern und dem Ehemann der Mutter seien die beteiligten Personen im eigenen Namen aufgetreten. Diese Vereinbarung wirke nur im Innenverhältnis zwischen den beteiligten Personen und greife nicht in die Rechte des Kindes ein, weshalb sie auch keiner pflegschaftsbehördlichen Genehmigung bedürfe (vgl 2 Ob 538/93 = ÖA 1994, 64; 2 Ob 599/90 = RZ 1991, 201/64). Das Kind sei daher berechtigt, ungeachtet dieser Vereinbarung seinen Geldunterhaltsanspruch gegen den Vater durchzusetzen. Daß durch freiwillige Leistungen eines Dritten - hier des Ehemannes der Mutter - derzeit der Unterhalt des Kindes gesichert sei, stehe dem nicht entgegen. Dieses Kriterium habe der Oberste Gerichtshof - soweit überblickbar - nur in Fällen für wesentlich erachtet, in denen eine wirksame, pflegschaftbehördlich genehmigte, von § 140 ABGB abweichende Unterhaltsvereinbarung der Eltern vorlag. Daß durch Leistungen eines Dritten in Schenkungsabsicht der Unterhaltspflichtige im Umfang der erbrachten Leistung durch Erfüllung von seiner Unterhaltspflicht befreit sei, habe das Höchstgericht nur bei Unterhaltsanprüchen für die Vergangenheit angenommen (vgl JBl 1991, 309 mwN), was jedoch hier nicht geltend gemacht werde. Der dem Gericht vorliegenden Erklärung des Ehemannes der Mutter, freiwillig und gegen jederzeitigen Widerruf für den angemessenen Unterhalt des Kindes aufzukommen, sei im übrigen die im Rekurs behauptete Schenkungsabsicht - jedenfalls was die Zukunft betrifft - nicht zu entnehmen. Vielmehr werde in dieser Erklärung die Frage der Freiwilligkeit und Widerruflichkeit der Leistungen in den Vordergrund gestellt. Das Rekursgericht sehe sich daher nicht veranlaßt, von jener Rechtsprechung abzugehen, nach der Leistungen Dritter auf den Unterhaltsanspruch des Kindes gegenüber dem Unterhaltspflichtigen keinen Einfluß haben (EFSlg 47.555; EFSlg 47.556; EFSlg 56.037 ua), und zwar zumindest insoweit, als zukünftige Unterhaltsansprüche des Kindes zu beurteilen seien. Dies schließe auch die Qualifikation der von dritter Seite erbrachten Leistungen als Eigeneinkommen des Kindes iSd § 140 Abs 3 ABGB aus.
Die Entscheidung des Rekursgerichtes enthält den Ausspruch, daß der Revisionsrekurs zulässig sei. Es liege nämlich keine eindeutige höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage vor, ob die Erklärung eines Dritten, für den vom Unterhaltspflichtigen nicht gedeckten Teil der Geldunterhaltsansprüche eines Kindes aufzukommen, den laufenden (in der Zukunft zu erfüllenden) Unterhaltsanspruch des Kindes beeinflusse.
Im nunmehr vorliegenden Revisionsrekurs vertritt der unterhaltspflichtige Vater den Standpunkt, daß das, was der Oberste Gerichtshof zum Erlöschen von Unterhaltsansprüchen durch Drittleistungen für die Vergangenheit judizierte (JBl 1991, 309 = SZ 63/202), bei Vorliegen eines seit Jahren anstandlos erfüllten Leistungsversprechens eines Dritten auch für den laufenden Unterhalt zu gelten habe. Bei Ausbleiben der versprochenen Leistungen bestehe nämlich seit der grundlegenden Entscheidung SZ 61/143 ohnehin die Möglichkeit, den entgangenen Unterhalt nachzufordern. Allenfalls wären die freiwilligen Leistungen des Ehemannes der Mutter als Eigeneinkommen des Kindes iSd § 140 Abs 3 ABGB zu veranschlagen, da an der Absicht des Stiefvaters, den Rechtsmittelwerber im Umfang der erbrachten Leistungen von seiner Unterhaltspflicht zu befreien, nicht gezweifelt werden könne. Der Revisionsrekursantrag geht dahin, die dem Kind zu erbringende monatliche Unterhaltsleistung ab 1.10.1993 auf insgesamt S 1.200,-- zu erhöhen und das Mehrbegehren abzuweisen; hilfsweise wurde ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Revisionsrekurs ist zulässig, jedoch nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Auszugehen ist davon, daß die Minderjährige gemäß § 140 ABGB iVm § 166 ABGB schon allein aufgrund des Umstandes, daß sie nicht im Haushalt ihres leiblichen Vaters lebt, einen Geldunterhaltsanspruch gegen den nunmehrigen Rechtsmittelwerber hat (EFSlg 67.693 f). Die Höhe dieses Anspruches ist - sieht man vom besonderen Problem der Anrechnung von Drittleistungen ab - kein Streitpunkt mehr.
Ebenso eindeutig ist die allein der BH W***** zukommende Vertretung der Minderjährigen in Unterhaltsangelegenheiten. Die auf § 9 Abs 2 UVG gegründete Sachwalterschaft des Jugenwohlfahrtsträgers bezieht sich nämlich auf alle Unterhaltsinteressen des pflegebefohlenen Kindes und schließt Vertretungshandlungen seines sonstigen gesetzlichen Vertreters aus (EvBl 1992/114). Was immer die Mutter, deren Ehemann und der Rechtsmittelwerber ohne Beteiligung der BH W***** vereinbart haben, ließ daher den Unterhaltsanspruch der Antragstellerin unberührt.
Schließlich entspricht es ständiger Judikatur, daß Vereinbarungen der Eltern über die Alimentierung ihres gemeinsamen Kindes der pflegschaftsbehördlichen Genehmigung bedürfen, um auch das Kind zu binden (EFSlg 65.130; EFSlg 67.823 ua). Da eine solche Genehmigung nicht vorliegt, hat also der vom Stiefvater der Antragstellerin erklärte Verzicht auf jegliche Unterhaltserhöhung nichts an der Verpflichtung des Rechtsmittelwerbers geändert, seiner Tochter den nach Maßgabe des § 140 ABGB geschuldeten Geldunterhalt zu leisten.
Aus all dem folgt, daß sich der Rechtsmittelwerber nicht auf eine (teilweise) Befreiung von seiner Unterhaltsverpflichtung, sondern im für ihn günstigsten Fall darauf berufen kann, durch (seine und) die vom Stiefvater der Antragstellerin in Aussicht gestellten Unterhaltsleistungen werde deren Unterhaltsanspruch zur Gänze erlöschen. Eine solche Konsequenz kann sich logischerweise immer nur für bereits abgelaufene Unterhaltsperioden ergeben. Es ist daher kein Zufall, sondern symptomatisch, daß sich die bisherige Judikatur zu Problemen der Drittzahlung im Unterhaltsrecht nur mit den Möglichkeiten einer Entlastung des Unterhaltspflichtigen von "vergangenen" und nicht auch "zukünftigen" Schulden befaßt hat (JBl 1991, 309; vgl auch RZ 1991, 124/35; ÖA 1992, 25 ua). Daß seit der in SZ 61/143 vollzogenen Judikaturwende Unterhalt auch für die Vergangenheit gefordert werden kann, rechtfertigt es nicht, dem Unterhaltsberechtigten erst dann einen exekutionsfähigen Titel für seine Ansprüche zu verschaffen, wenn die vom Dritten erwartete Unterhaltsleistung ausbleibt; die Anrufung des Gerichtes ist ihm vielmehr schon zur Sicherung seines laufenden Unterhaltsanspruches zuzubilligen, wenn sich - wie im gegenständlichen Fall - der primär Geldunterhaltspflichtige der Leistung des geschuldeten Betrages widersetzt.
Das vom Revisionsrekurswerber letztlich noch vorgebrachte Argument, die Unterhaltsleistungen des Stiefvaters seien als eigenes Einkommen der Antragstellerin zu veranschlagen, ist schon damit zu widerlegen, daß nach der Sachlage kein Rechtsanspruch auf diese "Zuwendungen" besteht und bei Unterhaltsleistungen, die ein naher Angehöriger aus moralischer Verantwortung für ein in seinem Haushalt lebendes Kind erbringt, nicht von frei verfügbaren "eigenen Einkünften" dieses Kindes iSd § 140 Abs 3 ABGB gesprochen werden kann.
Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.
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