OGH 2Ob538/93

OGH2Ob538/9317.6.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner, Dr.Graf, Dr.Schinko und Dr.Tittel als weitere Richter in der Pflegschaftssache des am 2.Mai 1977 geborenen mj.Manfred L*****, vertreten durch den Unterhaltssachwalter Bezirkshauptmannschaft G***** infolge Rekurses des Unterhaltssachwalters gegen den Beschluß des Landesgerichtes Wels als Rekursgericht vom 17.März 1993, GZ R 251/93-14, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Bad Ischl vom 8.Februar 1993, GZ P 58/92-11, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß die Entscheidung insgesamt wie folgt zu lauten hat:

Franz L***** ist als Vater des am 2.5.1977 geborenen Kindes Manfred L***** schuldig, in Änderung der bisherigen Unterhaltsbemessung auf Grund des Vergleiches vor dem Bezirksgericht Bad Ischl vom 18.5.1992, AZ 1 C 36/92y zum Unterhalt des Kindes ab 1.11.1992 monatlich S 1.840,- und ab 1.1.1993 monatlich S 2.000,- bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit des Kindes bei Zwangsvollstreckung zu zahlen.

Die bisher fällig gewordenen Beträge sind (abzüglich bereits geleisteter Unterhaltsbeträge) binnen 14 Tagen, die weiteren Beträge wenigstens auf ein Monat vorauszuzahlen und zwar jeweils zum Ersten eines Monats.

Text

Begründung

Die Ehe der Eltern des Minderjährigen Manfred L***** wurde gemäß § 55 a EheG geschieden. Am 18.5.1992 schlossen die Eltern einen Vergleich, dessen Punkt 2 unter anderem wie folgt lautet:

"Der Erstantragsteller Franz L***** verpflichtet sich bei Exekution beginnend mit dem der Scheidung folgenden Monatsersten für seine minderjährigen Kinder einen monatlichen Unterhaltsbeitrag in der Höhe des Regelbedarfes, und zwar

an den mj.Erwin einen Beitrag von S 3.120,-

und an den mj.Manfred einen Betrag von S 3.690,-

zu Handen der Zweitantragstellerin (Mutter) zu bezahlen, welche in Hinkunft wie bisher auch die Familienbeihilfe beziehen wird.

Im Innenverhältnis vereinbaren aber die Antragsteller ausdrücklich, daß die Unterhaltsverpflichtung an seine minderjährigen Kinder auf derzeit monatlich S 4.000,-, d.s. 58,74 % des Regelbedarfes, beschränkt wird, d.h., daß sich die Zweitantragstellerin verpflichtet, den Differenzbetrag von derzeit monatlich S 2.810,-

selbst zu leisten und diesbezüglich den Erstantragsteller für darüber hinausgehende Ansprüche der beiden minderjährigen Kinder schad- und klaglos hält.

Im Falle künftiger Unterhaltserhöhungen wird dieser Schlüssel aufrechterhalten, d.h., daß im Falle von Unterhaltserhöhungen für die beiden minderjährigen Kinder oder eines derselben der Erstantragsteller nur 58,74 % der Erhöhung zu tragen hat, während der Differenzbetrag von der Zweitantragstellerin in ihre Zahlungsverpflichtung übernommen wird."

Mit Beschluß vom 18.11.1992 wurde diesem Punkt des Vergleiches die pflegschaftsbehördliche Genehmigung erteilt.

Im Hinblick darauf, daß der mj.Manfred bei einem Steuerberater S 3.500,- im Monat verdiene, beantragt der Vater des Minderjährigen, den Unterhaltsbeitrag auf S 1.167,- ab 1.11.1992 herabzusetzen.

Die Mutter sprach sich gegen diesen Antrag mit Begründung aus, der minderjährige Manfred verdiene nur S 3.332,- im Monat, er sei auf den monatlichen Unterhaltsbeitrag des Vaters in der derzeitigen Höhe angewiesen.

Das Erstgericht setzte antragsgemäß den vom Vater zu leistenden monatlichen Unterhaltsbeitrag auf S 1.167,- ab 1.11.1992 herab.

Das von der Mutter namens des Minderjährigen angerufene Rekursgericht

bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig.

In rechtlicher Hinsicht führte das Rekursgericht aus, eine vertragliche Regelung der Eltern bezüglich des Unterhaltes ihres Kindes könne nicht zu dessen Lasten gehen und dürfe dessen Gesamtunterhalt nicht schmälern. Solange allerdings der Gesamtunterhalt des Kindes durch eine Vereinbarung nicht geschmälert sei, sei auch das Kind an eine pflegschaftsbehördlich genehmigte Vereinbarung seiner Eltern gebunden.

Die Vereinbarung der Eltern vom 18.5.1992 stelle keine Regelung dar, die lediglich im Innenverhältnis wirken sollte. Für eine derartige Auffassung spreche nämlich lediglich der 4.Absatz des Punktes 2 des Vergleiches, während der nachfolgende Absatz klar zum Ausdruck bringe, daß für den Fall künftiger Unterhaltserhöhungen der Vater immer nur 58,74 % der Erhöhung zu tragen habe. In dieser Situation zu verlangen, daß der Vater zunächst den gesamten Geldunterhalt der Kinder zu leisten habe und sich dann an der Mutter schadlos halten könne, hieße nicht nur das Risiko der Einbringlichmachung auf den Vater zu überwälzen, sondern auch die Bedeutung der pflegschaftsbehördlichen Genehmigung des Vergleiches zu relativieren, weil eine Regelung, die ausschließlich das Innenverhältnis der Eltern betreffe, einer solchen Genehmigung nicht bedürfe. Da im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte dafür bestünden, daß der Gesamtunterhalt des minderjährigen Manfred gefährdet wäre, sei davon auszugehen, daß Punkt 2 des Vergleiches auch gegenüber dem Minderjährigen seine Wirksamkeit habe.

Gemäß § 140 Abs 3 ABGB könne bei einfachen Lebensverhältnissen als Richtschnur für die Beurteilung der Selbsterhaltungsfähigkeit die Mindestpension nach § 293 Abs 1 lit a sublit bb und lit b ASVG dienen, welche 1992 monatlich S 6.500,- oder unter Berücksichtigung der 13. und 14.Pension etwa S 7.583,- betragen habe. Der Durchschnittsbedarf hingegen sei jener Bedarf, den jedes Kind einer bestimmten Altersstufe ohne Rücksicht auf die konkreten Lebensverhältnisse seiner Eltern an Nahrung, Kleidung, Wohnung sowie zur Bestreitung seiner weiteren Bedürfnisse habe. Nach der neueren Rechtsprechung des Obersten Gerichshofes sei das Eigeneinkommen des Minderjährigen auf die Leistungen des geldunterhaltspflichtigen und des betreuenden Elternteiles im Verhältnis zwischen dem Durchschnittbedarf der Altersgruppe, der der Minderjährige angehöre und dessen Differenz zur Mindestpensionshöhe anzurechnen.

Im konkreten Fall betrage der Durchschnittsbedarf des Minderjährigen Manfred für 1992 S 3.850,-, also annähernd die Hälfte der Mindestpension des Jahres 1992, sodaß die Anrechnung seines Einkommens auf die Unterhaltsleistungen beider Elternteile gerechtfertigt sei. Da Manfred im Monat durchschnittlich (unter Berücksichtigung der 13. und 14.Sonderzahlung) S 3.900,- verdiene, reduziere sich sein Unterhaltsanspruch für 1992 auf S 3.683,- (S 7.583,- minus S 3.900,-). Grundsätzlich würde sich der Unterhaltsanspruch des mj.Manfred gegenüber seinem Vater auf S 1.820,- (richtig: S 1.840,-) ermäßigen. Im Hinblick auf den Vergleich vom 18.5.1992 reduziere sich der Betrag aber etwa auf S 1.080,-.

Infolge der Erhöhung der Mindestpension ab 1.1.1993 auf S 7.000,-, im Monatsdurchschnitt, nach Abzug des Krankenversicherungsbeitrages und unter Berücksichtigung der 13. und 14.Zahlung auf S 7.921,-, würde sich der väterliche Unterhaltsbeitrag auf S 2.000,- erhöhen; im konkreten Fall unter Berücksichtigung der Relation des Vergleiches auf etwa S 1.170,-.

Die vom Erstgericht beschlossene Unterhaltsherabsetzung auf S 1.167,-

werde diesen Überlegungen gerecht.

Der ordentliche Revisionsrekurs wurde mit der Begründung zugelassen, daß der Vergleich vom 8.5.1992 keine ausdrückliche Regelung dafür treffe, welche Rechtsfolgen sich an die teilweise Selbsterhaltungsfähigkeit knüpfen und die Formulierung der Absätze 4 und 5 Anlaß zu Mißverständnissen sein könne.

Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs des Minderjährigen (nunmehr vertreten durch den Unterhaltssachwalter) in dem geltend gemacht wird, es könne nicht angehen, daß sein Eigeneinkommen zur Gänze vom bereits reduzierten Betrag der Mindestpension abgezogen werde und somit das Eigeneinkommen die ohnehin bereits herabgesetzten Unterhaltsbeiträge des Kindesvaters noch vermindere.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und im Ergebnis weitgehend berechtigt.

Zutreffend hat das Rekursgericht an sich dargelegt, daß auch ein Kind an eine pflegschaftsbehördlich genehmigte Vereinbarung seiner Eltern über den vom Vater zu leistenden Unterhaltsbeitrag solange gebunden ist, als dadurch sein Gesamtunterhalt nicht geschmälert wird (EFSlg 40.107, 47.661 ua). Entgegen der vom Rekursgericht vertretenen Ansicht bindet die im vorliegenden Fall zwischen den Eltern getroffene Vereinbarung, wonach der Vater nur 58,74 % des Regelbedarfes zu bezahlen hat, nicht den mj.Manfred. Wie sich vielmehr aus Abs 2 des Punktes 2 des Vergleiches vom 30.4.1992 ergibt, verpflichtete sich ihm gegenüber der Vater zur Zahlung des Regelbedarfes. Lediglich im Innenverhältnis zwischen den Eltern wurde vereinbart, daß der Vater nur 58,74 % des Regelbedarfes zu tragen habe. Die Auslegung des Rekursgerichtes läßt unberücksichtigt, daß der Punkt 2 der Vereinbarung einerseits eine Regelung gegenüber den beiden minderjährigen Kindern enthält, andererseits aber eine Vereinbarung zwischen den Eltern getroffen wird. Aus diesem Grunde wurde auch ausdrücklich festgelegt, daß die Verpflichtung zur Zahlung von 58,74 % des Regelbedarfes nur im Innenverhältnis gilt; es gab der Vater auch die Erklärung, die Mutter schad- und klaglos zu halten, ab. Wäre der Vater von vornherein nur verpflichtet, 58,74 % des Regelbedarfes zu tragen, so wäre eine Schad- und Klagloshaltung der Mutter gegenstandslos und wäre es auch nicht sinnvoll, zwischen der Unterhaltsverpflichtung gegenüber dem Minderjährigen und der Regelung im Innenverhältnis zu trennen.

Die Vereinbarung im Innenverhältnis zwischen den Eltern bedarf zwar sicherlich nicht der pflegschaftsbehördlichen Genehmigung, wohl aber der Punkt der Vereinbarung in der sich der Vater zur Unterhaltsleistung an die beiden minderjährigen Kinder verpflichtete.

Das bedeutet, daß die Festlegung der Quote von 58,74 % für den Unterhaltsanspruch des Minderjährigen ohne Bedeutung ist.

Wie das Rekursgericht zutreffend ausgeführt hat, ist auch die Lehrlingsentschädigung auf den Unterhalt anzurechnen; sie fällt unter die nach § 140 Abs 3 ABGB zu berücksichtigenden Einkünfte des Minderjährigen und ist daher, soweit sie nicht der Deckung berufsbedingter Mehraufwendungen dient, dessen eigenes Einkommen. Weiters trifft es zu, daß bei einfachen Lebensverhältnissen es angemessen ist, das Eigeneinkommen des Minderjährigen auf die Leistungen des geldunterhaltspflichtigen und des betreuenden Elternteiles im Verhältnis zwischen dem Durchschnittsbedarf der Altersgruppe, der der Minderjährige angehört, und dessen Differenz zur Mindestpensionshöhe anzurechnen (OGH verst.Senat 26.8.1992, 1 Ob 560/92 = JBl 1993, 238).

Der Höhe nach hat das Rekursgericht den Unterhaltsanspruch des mj. Manfred im Sinne der Entscheidung des verstärkten Senates vom 26.8.1992 1 Ob 560/92 berechnet, sodaß zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen des Rekursgerichtes verwiesen werden kann; lediglich hinsichtlich des Jahres 1992 errechnet sich der Unterhaltsanspruch rechnerisch richtig mit S 1.840,-.

Es war daher dem Revisionsrekurs teilweise Folge zu geben und spruchgemäß zu entscheiden.

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