OGH 2Ob599/90

OGH2Ob599/905.9.1990

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel, Dr. Melber, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj Kinder Patrik Alexander H*****, und Carina Romana H*****, vertreten durch den Kollisionskurator Leopold P*****, dieser vertreten durch Dr. Reinhard Ratschiller, Rechtsanwalt in Salzburg, infolge Revisionsrekurses des Kollisionskurators gegen den Beschluss des Kreisgerichts Wels als Rekursgericht vom 4. Juli 1990, GZ R 586/90‑23, womit dessen Rekurs gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Frankenmarkt vom 18. Mai 1990, GZ P 21/87‑7, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1990:0020OB00599.900.0905.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

 

Begründung:

Die beiden Minderjährigen sind die ehelichen Kinder des Franz H***** und der Angela Anna H*****, deren Ehe am 4. 5. 1987 einvernehmlich geschieden wurde. Anlässlich der Ehescheidung schlossen die Eheleute einen Vergleich, der einen wechselseitigen Unterhaltsverzicht der Ehegatten, die Übertragung der Elternrechte hinsichtlich der beiden mj Kinder an die Mutter (Punkt 2.), die Verpflichtung des Vaters zur Bezahlung von Unterhalt an die beiden Kinder (2.400 S für den Sohn und 1.890 S für die Tochter) und - abgesehen von der Übertragung von Liegenschaftsanteilen des Ehemannes an die Ehefrau und anderen vermögensrechtlichen Vereinbarungen, unter Punkt 5.) die Erklärung der Ehegattin enthält, "im Hinblick auf die Übereignung der Liegenschaftshälften des Mannes an sie diesen für jede Inanspruchnahme aus dem Kindesunterhalt schad- und klaglos zu halten und somit für den Unterhalt der Kinder zur Gänze selbst aufzukommen. Angela Anna H***** hat somit ihrem geschiedenen Mann, soweit er aus dem Titel des Kindesunterhaltes in Anspruch genommen wird, die Unterhaltsbeträge, die Franz H***** tatsächlich für die Kinder leistet, zu refundieren". Mit Beschluss vom 18. 5. 1987 (ON 7 dA) wurde dieser Vergleich "in Ansehung der mj Kinder Patrik Alexander und Carina Romana H*****" pflegschaftsbehördlich genehmigt. Mit Beschluß vom 27. 4. 1987 bestellte das Erstgericht auf Antrag der ehelichen Mutter der Minderjährigen den (richtig) mütterlichen Großvater Leopold P***** zum Kollisionskurator für die beiden Kinder, und zwar mit dem Wirkungsbereich auf "alle rechtlichen Schritte, die die Anfechtung von Punkt 5.) des am 4. Mai 1987 zwischen den Kindeseltern .... abgeschlossenen Scheidungsvergleiches und die Geltendmachung und Durchsetzung der Unterhaltsansprüche der beiden mj Kinder zum Ziel haben" (ON 10 dA). Dieser Beschluss erwuchs in Rechtskraft. Nach Zustellung des Beschlusses ON 7 dA an den Kollisionskurator erhob der Kollisionskurator gegen diesen Beschluss rechtzeitig insoweit Rekurs, als er auch die pflegschaftsbehördliche Genehmigung des Punktes 5.) des Scheidungsvergleiches ausspricht. Das Gericht zweiter Instanz wies diesen Rekurs mangels eines Rechtsschutzinteresses der Kinder an der Anfechtung der Genehmigung dieses Vergleichspunktes zurück, wobei es den ordentlichen Revisionsrekurs nach § 14 Abs 1 AußStrG zulässig erklärte, weil zur Frage, ob eine zwischen den Eltern abgeschlossene Vereinbarung über die Schad- und Klagloshaltung des primär unterhaltspflichtigen Elternteiles der pflegschaftsbehördlichen Genehmigung oder der Beiziehung eines Kollisionskurators bedürfe, eine oberstgerichtliche Rechtsprechung fehle.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diese rekursgerichtliche Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs des Kollisionskurators, der nicht berechtigt ist. In seinem Revisionsrekurs wiederholt der Kollisionskurator die bisher schon vertretene Ansicht, für den Abschluss der strittigen Vereinbarung wäre iS des § 271 ABGB die Beiziehung eines Kollisionskurators und im Stadium der pflegschaftsbehördlichen Genehmigung die Durchführung von Erhebungen darüber erforderlich gewesen, inwieweit eine derartige Schad- und Klagloshaltung den Unterhalt der Kinder zu gefährden geeignet gewesen sei. Dem Revisionsrekurswerber ist wohl beizupflichten, dass die Bestimmung des § 271 ABGB, wenngleich sie ihrem Wortlaut nach nur auf Geschäfte zwischen gesetzlichen Vertretern und den durch diesen vertretenen Minderjährigen abstellt, nach Lehre und Rechtsprechung auch auf andere Kollisionsfälle analog anzuwenden und der Ausdruck "Geschäft" iS dieser Norm weit auszulegen ist (SZ 53/136 samt Hinweis auf Lehre und Rechtsprechung). Voraussetzung ist aber jedenfalls, dass im konkreten Fall ein Widerstreit zwischen den Interessen des Pflegebefohlenen und seines gesetzlichen Vertreters besteht. Die Judikatur fordert das Vorliegen eines objektiven Tatbestandes, bei dem die Interessen auch eines pflichtbewußten gesetzlichen Vertreters den Interessen des von ihm vertretenen zuwiderlaufen könnten (EvBl 1962/331; 6 Ob 707/78; SZ 53/136).

Im vorliegenden Fall nahmen die Eltern der beiden mj Kinder aus Anlass der einvernehmlichen Scheidung ihrer Ehe eine allein sie selbst betreffende Vermögensauseinandersetzung vor, zu der auch der den Anlass zu dem vorliegenden Rechtsmittelverfahren bildende Vergleichspunkt Nr. 5.) gehört. Dabei ist die Mutter der Kinder im eigenen Namen aufgetreten. Ein Eingriff in Rechte der Kinder erfolgte nicht. Denn die Übernahme der Verpflichtung zur Klag- und Schadloshaltung ihres geschiedenen Ehegatten in Ansehung der von ihm den Kindern zu erbringenden Unterhaltsleistungen durch die Mutter - offenbar ua zum Ausgleich für die ihr von ihrem Mann übertragenen Werte - lässt den Unterhaltsanspruch der Kinder dem Vater gegenüber unberührt. Damit wurde aber auch nicht in deren Alimentationsanspruch der Mutter gegenüber eingegriffen, zumal die Kinder nach der getroffenen Vereinbarung bei der Mutter blieben und diese durch deren Betreuung in ihrem Haushalt ihren Beitrag leistet (§ 140 Abs 2 ABGB). Ob der Scheidungsvergleich in Ansehung der Vermögensauseinandersetzung für die Ehegattin wirtschaftlich günstig ist oder ihr finanziell zum Nachteil gereicht, stellt kein Kriterium für die Frage der Interessenbeeinträchtigung der Kinder dar, zumal es nur auf rechtlich geschützte Interessen der Kinder ankommt und nicht darauf, ob allenfalls durch finanzielle Transaktionen beruflicher Art - hier ging es auch um die Übertragung eines Betriebes vom Ehegatten auf die Ehefrau - die wirtschaftliche Stellung eines Elternteiles verschlechtert wird. Wollte man auch Rechtsgeschäfte des gesetzlichen Vertreters, die geeignet wären, dessen wirtschaftliche Position zu schwächen und damit eine für die Unterhaltsbemessung eines Kindes mit bedeutsame Komponente zu dessen Ungunsten zu verändern, in die durch § 271 ABGB geschützten Interessenssphäre des Minderjährigen einbeziehen, so würde dies über den Zweck der genannten Bestimmung weit hinausgehen und einen nicht zu rechtfertigenden Eingriff in die wirtschaftliche Dispositionsberechtigung der Unterhaltspflichtigen darstellen. Bedurfte es aber zur Vornahme der Vermögensauseinandersetzung und damit auch zum Abschluss des Punktes 5.) des Scheidungsvergleiches der Beiziehung eines Kollisionskurators nicht, so wurde durch den Beschluss des Pflegschaftsgerichtes, mit dem der Scheidungsvergleich in Ansehung der beiden mj Kinder pflegschaftsbehördlich genehmigt wurde (ON 7 dA), auch nicht in rechtliche geschützte Interessen der Minderjährigen eingegriffen. Damit fehlt aber auch die für die Zulässigkeit jedes Rechtsmittels erforderliche Beschwer der nun durch den Kollisionskurator vertretenen Kinder. Die Zurückweisung des unzulässigen Rekurses des Kollisionskurators durch das Rekursgericht entspricht daher der Sach- und Rechtslage.

Dem Revisionsrekurs konnte somit kein Erfolg beschieden sein.

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