OGH 3Ob93/94

OGH3Ob93/9428.6.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst, Dr.Graf, Dr.Gerstenecker und Dr.Pimmer als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei N*****gesellschaft mbH & Co KG, ***** vertreten durch Dr.Gerald Ganzger, Rechtsanwalt in Wien, wider die verpflichteten Parteien 1.) R***** GmbH & Co KG, 2.) R***** GmbH, ***** beide vertreten durch Dr.Giger, Dr.Ruggenthaler, Dr.Simon, Partnerschaft, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert S 150.000,--), infolge Rekurses der betreibenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 20.Jänner 1994, GZ 1 R 217/93-19, womit der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 31. August 1993, GZ 39 Cg 81/93t-6, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben; der Beschluß des Erstgerichtes wird wieder hergestellt.

Die verpflichteten Parteien haben die Kosten des Rekurses selbst zu tragen und sind schuldig, der betreibenden Partei die mit S 8.218,98 (darin enthalten S 1.369,83 USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekurses je zur Hälfte binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Mit einstweiliger Verfügung des Handelsgerichtes Wien vom 13.8.1993, GZ 39 Cg 81/93-5, wurde den Beklagten verboten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs

1.) in öffentlichen Bekanntmachungen oder anderen Mitteilungen, insbesondere in der Zeitschrift "B*****", anzukündigen, daß sie den Käufern von Zeitungen oder Zeitschriften, deren Verleger sie sind, insbesondere der Zeitschrift "B*****", unentgeltliche Zugaben gewähren, insbesondere wenn die angekündigten Zugabe in der Gewährung eines Trinkwasser-Teststreifens besteht, und

2.) Käufern von Zeitungen oder Zeitschriften, deren Verleger sie sind, insbesondere der Zeitschrift "B*****", unentgeltliche Zugaben zu gewähren, insbesondere wenn die gewährte Zugabe in einem Teststreifen für Trinkwasser besteht.

Diese einstweilige Verfügung wurde den Beklagten am 24.8.1993 zugestellt.

Am 31.8.1993 beantragte die Klägerin zur Erwirkung der Verpflichtung laut Punkt 2.) der einstweiligen Verfügung die Bewilligung der Exekution gemäß § 355 EO gegen die Beklagten, wobei die Verhängung der Geldstrafe unter Vollzug der Exekution dem Bezirksgericht Hernals als Exekutionsgericht vorbehalten bleibe. Der betreibende Gläubiger brachte vor, die Erstverpflichtete sei auch Verleger und Herausgeber der Zeitschrift "R*****", die 11 mal jährlich erscheine. Die Zweitverpflichtete sei persönlich haftende Gesellschafterin der Erstverpflichteten. Die Verpflichteten gewährten auf Seite 82 der Ausgabe Nr 9/93 der Zeitschrift "R*****" den Käufern eine unentgeltliche Zugabe, die in der Einräumung der Teilnahmemöglichkeit an einem Gewinnspiel bestehe, bei dem als erster Preis ein Portable Sega Game Gear und als 2. bis 7. Preis je eine Game-Boy-Spielkassette ausgespielt werde. Für die Teilnahme sei es erforderlich, einen Kupon (an einer strichlierten Linie mit Abbildung einer Schere) auszuschneiden und einzusenden. Dieses Gewinnspiel werde von den Verpflichteten veranstaltet. Den in der Ankündigung genannten "Club R*****" bzw "Club RE" gebe es nicht; "RE" sei das Logo der Zeitschrift "R*****". Die angekündigten Preise würden unter den eingesandten Kupons ausgespielt. Die Verpflichteten hätten durch österreichweiten Verkauf dieser Ausgabe am 27.8.1993, insbesondere in der Tabak-Trafik Walter B*****, am 28.8.1993 insbesondere in der Tabak-Trafik Eduard H*****, am 29.8.1993 insbesondere in der Tabak-Trafik Walter B*****, und am 30.8.1993 insbesondere in der Tabak-Trafik Kurt S*****, verstoßen.

Das Erstgericht bewilligte mit Beschluß vom 31.8.1993 (ON 6) die beantragte Exekution und behielt die Verhängung der Beugestrafe dem Exekutionsgericht vor.

Das Rekursgericht änderte diesen Beschluß dahin ab, daß der Exekutionsantrag abgewiesen wurde; es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Das Rekursgericht vertrat die Rechtsansicht, das durch die einstweilige Verfügung verbotene Ankündigen und Gewähren einer Zugabe, die insbesondere in einem Trinkwasser-Teststreifen bestehe, könne der nun inkriminierten Handlungsweise des Gewährens der Teilnahme an einem Glücksspiel nicht gleichgehalten werden. Mit dem Wettbewerbs-DeregulierungsG BGBl 1992/147 sei die bisher 2. Alternative des § 28 UWG des akzessorischen glückspielartigen Warenvertriebs unter die neue Zugaberegelung des § 9a UWG gestellt werden. Auch nach der früheren Rechtsprechung seien die vom § 28 UWG erfaßten Formen glücksspielartigen Warenvertriebes wohl als Zugabe, jedoch als Sonderform einer Zugabe, angesehen worden. Durch diese Norm sollte insbesondere verhindert werden, daß in den Warenvertrieb ein unwirtschaftliches und dabei unsolides Moment hereingetragen werde, indem das Bestreben, durch Zufall zu gewinnen, zum Antrieb für die Deckung des Bedarfes gemacht werde. Damit werde aber auch zum Ausdruck gebracht, daß von dieser Sonderform der Zugaben ein anderer Anreiz als von solchen Zugaben ausgeht, die einen konkreten bestimmten oder bestimmbaren Wert darstellen. Es werde nicht ein rein materielles Interesse angesprochen; vielmehr stehe der Spieltrieb, verbunden mit einer unbestimmten Gewinnchance, im Vordergrund. Vom Verbot der Ankündigung und Gewährung von Zugaben, die insbesondere in einem Trinkwasser-Teststreifen bestehen, seien auch unterschiedlich interessierte Verkehrskreise erfaßt; dieses Verbot umfasse daher ein anderes Verhalten als bei der Gewährung der Teilnahmemöglichkeit an einem Gewinnspiel.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobene Revisionsrekurs der betreibenden Partei ist zulässig, weil zu der in ihrer Bedeutung über den Einzelfall hinausgehenden Frage, ob aufgrund eines Exekutionstitels nach § 9a UWG idF Wettbewerbs-DeregulierungsG 1992 BGBl 147 auch Exekution auf Unterlassung von Gewinnspielen geführt werden kann, eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehlt; der Revisionsrekurs ist auch berechtigt.

Bei der Beurteilung ist zugrunde zu legen, daß mit Beschluß des Obersten Gerichtshofes vom 31.5.1994, 4 Ob 63/94, der Exekutionstitel dahin abgeändert wurde, daß den Verpflichteten verboten wird, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Käufern von Zeitungen oder Zeitschriften, deren Verleger sie sind, insbesondere der Zeitschrift "B*****", unentgeltliche Zugaben zu gewähren, insbesondere wenn die gewährte Zugabe ein Gutschein für den Erwerb eines "Two-Days-Superpass" für die "Wheels National Tour 93" um S 100,-- ist. Damit wurde die vom Erstgericht erlassene einstweilige Verfügung in ihrem Kern, dem Verbot der Gewährung unentgeltlicher Zugaben, aufrechterhalten; die beispielsweise ("insbesondere") angeführte Zugabe ist nunmehr ein derartiger Gutschein, während das Erstgericht insbesondere die Gewährung eines Teststreifens für Trinkwasser untersagt hat.

Die Exekution nach § 355 EO darf nur dann bewilligt werden, wenn das behauptete konkrete Verhalten titelwidrig ist (ÖBl 1991, 280; ÖBl 1991, 38; WBl 1991, 204; ÖBl 1983, 149; ÖBl 1982, 51 ua). Es kommt nicht darauf an, was der Verpflichtete nach dem Gesetz, sondern was er nach dem Exekutionstitel zu unterlassen hat (WBl 1991, 204; ÖBl 1985, 49; ÖBl 1983, 149; ÖBl 1978, 75 ua).

Hier wurde den Verpflichteten mit einstweiliger Verfügung verboten, den Käufern von Zeitungen und Zeitschriften, deren Verleger sie sind, unentgeltliche Zugaben zu gewähren. Da der Exekutionstitel den Begriff "unentgeltliche Zugaben" ohne nähere Erklärung verwendet, kann zur Auslegung der bei Erlassung der einstweiligen Verfügung bereits in Kraft getretene § 9a UWG herangezogen werden, der die Regelung der Zugaben enthält (vgl 3 Ob 8/94). Unter diese Bestimmung fallen nicht nur Waren, sondern auch Gewinnspiele (§ 9a Abs 2 Z 8 UWG).

Für die vom Rekursgericht vorgenommene Differenzierung bietet § 9a UWG keine Grundlage. Zwar soll mit dem Verbot von Gewinnspiel verhindert werden, daß in den Warenvertrieb ein unwirtschaftliches und unsolides Element hineingetragen wird, indem das Bestreben, durch Zufall zu gewinnen, zum Antrieb für die Deckung des Bedarfes gemacht wird (ÖBl 1992, 174 mit Hinweis auf RV zu § 28 UWG; s weiters die RV zu § 9a UWG, abgedruckt bei Schönherr/Wiltschek, Wettbewerbsrecht5, Ergänzungsheft 1992, 27e). Der daraus vom Rekursgericht gezogenen Schlußfolgerung, das Gewähren der Teilnahme an einem Glücksspiel könne dem Ankündigen und Gewähren einer sonstigen Zugabe nicht gleichgehalten werden, steht die klare gesetzliche Bestimmung entgegen, der eine derartige Differenzierung nicht entnommen werden kann.

Unter das generelle Verbot des Gewährens von Zugaben fallen alle nach § 9a UWG unzulässigen Zugaben. Aus der Verbindung mit einem konkreten Einzelverbot ("insbesondere") ergibt sich keine Einschränkung, weil es sich hiebei nur um eine beispielshafte Aufzählung handelt (vgl ÖBl 1991, 105).

In jüngster Zeit ist allerdings Swoboda (in ÖJZ 1994, 311 ff) dafür eingetreten, daß ein allgemein formulierter Unterlassungstitel gebenenfalls auf die darin angeführten Beispiele und diesen ähnliche Fälle eingeschränkt werden müsse und die Exekution nur wegen Zuwiderhandlungen gegen das in diesem Sinn eingeschränkte Unterlassungsgebot bewilligt werden dürfe. Swoboda verkennt dabei aber, daß sich das Gericht bei der Frage der Bewilligung einer Exekution streng an den Wortlaut des Exekutionstitels zu halten hat (RZ 1994/7; EF 44.142, NZ 1980, 4 ua) und daß es dabei auf den Sinn der Worte ankommt, der ihnen gewöhnlich beigelegt wird (ÖBl 1980, 164; Heller/Berger/Stix I 187; vgl auch RZ 1994/7). Der gewöhnliche Sinn des Wortes "insbesondere" besteht aber allein darin, daß damit Beispiele für den vorangehenden Satz oder Satzteil angeführt werden. Eine Einschränkung in der Richtung, daß der Inhalt dieses Satzes oder Satzteiles nur in den beispielsweise angeführten oder ihnen vergleichbaren Fällen gilt, wird durch das Wort "insbesondere" hingegen nicht zum Ausdruck gebracht. Die Erwägungen, die Swoboda für die Einschränkung des Unterlassungsgebotes ins Treffen führt, können daher nur im Titelverfahren bei der Fassung des Unterlassungsgebotes zum Tragen kommen; hiezu ist hier aber nicht Stellung zu nehmen. Enthält der Exekutionstitel ein allgemein gehaltenes Unterlassungsgebot, so ist das zur Bewilligung der Exekution berufene Gericht daran gebunden und es darf dem Exekutionstitel keinen Sinn beilegen, der durch dessen Wortlaut nicht gedeckt ist. Welche Auswirkungen dies im Fall der von Swoboda angeführten Entscheidung 4 Ob 1024/92 gehabt hätte, ist hier nicht zu erörtern. Entgegen der von Swoboda vertretenen Auffassung hat der Oberste Gerichtshof in dieser Entscheidung zur Frage der Auslegung eines allgemein gehaltenen Unterlassungsgebotes nicht Stellung genommen, weshalb hieraus für seinen Standpunkt nichts zu gewinnen ist.

Es war somit in Stattgebung des Revisionsrekurses des betreibenden Gläubigers die Exekutionsbewilligung des Erstgerichtes wiederherzustellen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO, § 78 EO.

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