Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien anteilig die mit insgesamt S 23.498,64 (darin enthalten 3.916,44 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Begründung
Im Vorprozeß 14 Cg 91/92 (früher 14 Cg 138/90) des Landesgerichtes für ZRS Wien haben die Kläger gegen den Honoraranspruch des Beklagten im wesentlichen eingewendet, daß dem Beklagten bei ihrer Vertretung im Schadenersatzprozeß gegen den Unfallgegner ihres bei dem Unfall getöteten Ehemannes und Vaters subjektiv vorwerfbare Fehler zur Last fielen und der Beklagte auch gegen die ihn treffende Belehrungspflicht über das Prozeßrisiko verstoßen habe. Das Landesgericht für ZRS Wien hat in diesem Verfahren im wesentlichen festgestellt, daß der Beklagte auf Grund der ihm zur Verfügung stehenden Information über den Unfallshergang und in unrichtiger Beurteilung der - im ehemaligen § 268 ZPO enthaltenen - Bindung an verurteilende Erkenntnisse der Strafgerichte von einem Alleinverschulden des Unfallgegners des Getöteten ausgegangen ist, die Kläger unrichtig dahin belehrt hat, daß sie den Schadenersatzprozeß auf alle Fälle gewinnen würden, und die Hinterbliebenenrente der Kläger im Hinblick auf das Quotenvorrecht des Sozialversicherungsträgers unrichtig berechnet hat. Wegen der subjektiv auch vorwerfbaren Fehlleistungen des Beklagten wurde dessen Vertretungsleistung als wertlos beurteilt und demzufolge der Honoraranspruch abgewiesen. Das Oberlandesgericht bestätigte dieses Urteil; die dagegen erhobene außerordentliche Revision wurde vom Obersten Gerichtshof mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs. 1 ZPO zurückgewiesen.
Rechtliche Beurteilung
Im vorliegenden Verfahren begehren die Kläger vom Beklagten den Ersatz der ihnen im Vorprozeß erwachsenen Kosten aus denselben Gründen, mit denen sie im Vorprozeß den Honoraranspruch des Beklagten bekämpft haben, aus dem Titel des Schadenersatzes.
Wegen der - nur bei Identität des Anspruches, der Parteien und des rechtserzeugenden Sachverhalts gegeben - materiellen Rechtskraftwirkung wird in Lehre und Rechtsprechung eine inhaltliche Bindungswirkung des Vorprozesses über den Folgeprozeß anerkannt, wenn zwar keine Identität des Begehrens vorliegt, der rechtskräftig entschiedene Anspruch jedoch Vorfrage für den neuen Anspruch ist, oder aber, wenn - als Sonderfall der Präjudizialität - ein im Gesetz begründeter Sachzusammenhang zwischen beiden Begehren besteht und dieser inhaltliche Zusammenhang so eng ist, daß die Gebote der Rechtssicherheit und der Entscheidungsharmonie eine widersprechende Beantwortung derselben, in beiden Fällen entscheidenden Rechtsfrage nicht gestatten (RZ 1977/49; SZ 52/151; SZ 55/74; JBl 1990, 52). Diese Bindungswirkung schließt die Verhandlung, Beweisaufnahme und neuerliche Prüfung des rechtskräftig bereits entschiedenen Anspruches aus, nicht aber auch die Verhandlung und Entscheidung über das neue Klagebegehren; der Richter hat hiebei von dem bereits rechtskräftig entschiedenen Anspruch auszugehen und ihn ohne weiteres seiner neuen Entscheidung zugrunde zu legen. Das Ausmaß der Bindungswirkung wird zwar nur durch den Urteilsspruch bestimmt, doch sind die Entscheidungsgründe zur Auslegung und Individualisierung des rechtskräftigen Anspruches heranzuziehen (SZ 55/74). Das gilt insbesondere, wenn der Umfang der Rechtskraftwirkung eines abweisenden Urteiles festgestellt werden soll (Fasching LB2 Rz 1523). Nur dann, wenn eine bestimmte Tatsache im Vorprozeß nicht den Hauptgegenstand des Verfahrens bildete, sondern lediglich als Vorfrage zu beurteilen war, kommt der Entscheidung dieser Vorfrage im Vorprozeß keine bindende Wirkung im folgenden Prozeß zu (JBl 1990, 52 mwN).
Auch hier war die gesamte Vertretungstätigkeit des Beklagten für die Kläger bereits Gegenstand des Vorprozesses. Die Abweisung des Honoraranspruches des Klägers in diesem Verfahren und die dafür herangezogenen Gründe stehen mit dem hier geltend gemachten Schadenersatzanspruch der Kläger in einem so engen Zusammenhang, daß nach der angeführten Rechtsprechung die Bindungswirkung des Vorprozesses für das neue Verfahren zu bejahen war, wenngleich eine derartige Sachverhaltskonstellation noch nicht Gegenstand einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofes war; der erforderliche Zusammenhang ergibt sich hier aber aus der Rechtsprechung über den zwischen einem Rechtsanwalt und seinen Klienten geschlossenen Bevollmächtigungsvertrag:
Der Vertrag zwischen Rechtsanwalt und Klienten über die Besorgung einer Prozeßführung ist ein mit Auftrag gekoppelter Bevollmächtigungsvertrag und nicht Werkvertrag oder Dienstvertrag. Auf ihn sind primär die Normen der RAO und subsidiär die des 22. Hauptstückes des ABGB anzuwenden. Werkvertragsrecht - insbesondere in Entlohnungsfragen - ist auch nicht hilfsweise anzuwenden (Strasser in Rummel, ABGB2 Rz 26 zu § 1002 mit Judikaturhinweisen). Aus der Art der vom Rechtsanwalt geschuldeten Leistung, aus dem Umstand, daß der Geschäftsbesorger regelmäßig keinen bestimmten Erfolg schuldet, und aus den Beendigungsregeln der §§ 1020 bis 1026 ABGB ergibt sich, daß auch die Gewährleistungsregeln der §§ 922 ff ABGB auf diesen Vertrag nicht angewendet werden können (Strasser aaO Rz 6 zu § 1004 und Rz 9 a zu § 1009). Ausreichende Rechtsbehelfe gegen Mängel in der Geschäftsbesorgungsleistung des Rechtsanwaltes stehen dem Klienten in den Schadenersatzregelungen der §§ 1009, 1010 und 1012 ABGB, in der Beendigungsregel des § 1020 ABGB und mit dem von der Rechtsprechung vertretenen Entfall des Entgelts im Fall der Wertlosigkeit der Geschäftsbesorgungsleistung des Rechtsanwalts zur Verfügung (Strasser aaO Rz 9 a zu § 1009). Verletzt der Rechtsanwalt schuldhaft die ihm gemäß § 9 RAO, § 1009 ABGB obliegende Verpflichtung, übernommene Vertretungen dem Gesetz gemäß zu führen und die Rechte seiner Partei gegen jedermann mit Eifer, Treue und Gewissenhaftigkeit zu vertreten, dann ist er nicht nur nicht berechtigt, ein Honorar zu begehren; aus denselben Gründen bestehen auch Schadenersatzansprüche des Klienten (EvBl 1972/124; WBl 1989, 160; vgl auch Feil-Hajek, RAO Rz 4 zu § 9). Im Vorprozeß wurde der Honoraranspruch des Beklagten aus Gründen verneint, die auch den Schadenersatzanspruch der Kläger in Ansehung der ihnen in den vom Beklagten für sie geführten Schadenersatzprozeß erwachsenen Kosten begründet. Unter diesen Umständen hat das Berufungsgericht daher im Einklang mit der angeführten Rechtsprechung die Bindungswirkung der im Vorprozeß ergangenen Entscheidung für das vorliegende Verfahren angenommen.
Da somit eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs. 1 ZPO nicht zu beurteilen war, war die Revision des Beklagten ungeachtet des - nicht bindenden - Ausspruches (§ 508a ZPO) des Berufungsgerichtes, daß die ordentliche Revision zulässig sei, zurückzuweisen. Dabei konnte sich der Oberste Gerichtshof auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs. 3 letzter Satz ZPO).
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Kläger haben in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der ordentlichen Revision hingewiesen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)