OGH 9ObA28/94

OGH9ObA28/944.5.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Mag.Kurt Resch und Winfried Kmenta als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Josef P*****, Arbeiter, ***** im Revisionsverfahren nicht vertreten, wider die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der Bauern, Ghegastraße 1, 1031 Wien, vertreten durch Dr.Vera Kremslehner ua Rechtsanwälte in Wien, wegen 237.280 S brutto sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 3.November 1993, GZ 7 Ra 78/93-11, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 18.März 1993, GZ 35 Cga 303/92-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie zu lauten haben:

"Das Klagebegehren, die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger zu Handen der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Steiermark den Betrag von 237.280 S brutto samt 4 % Zinsen seit dem 22.Dezember 1992 zu bezahlen, wird abgewiesen.

Der Kläger ist schuldig, der beklagten Partei die mit 45.295,80 S (darin 9.600 S Barauslagen und 5.949,30 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen."

Der Kläger ist weiters schuldig, der beklagten Partei die mit 22.200,60 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 12.000 S Barauslagen und 1.700,10S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist seit 1.Jänner 1975 als Kraftfahrer bei der beklagten Partei beschäftigt; auf sein Dienstverhältnis ist die Dienstordnung C für die Arbeiter bei den Sozialversicherungsträgern Österreichs (DO.C) anzuwenden.

§ 47 DO.C "Überstunden" hat folgenden Wortlaut:

"(1) Für die über die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit (§ 8 Abs 1, 3 und 4) hinaus angeordneten Überstunden erhält der Arbeiter zum einfachen Stundenlohn einen Mehrarbeitszuschlag; dieser beträgt für Überstunden bei Tag 50 v.H., ....

(4) Arbeitern, denen die regelmäßige Leistung einer bestimmten Anzahl von Überstunden angeordnet wurde, kann die Vergütung hiefür in Form eines monatlichen Überstundenpauschales gewährt werden. Dieses Pauschale ist unter Bedachtnahme auf die im Jahresdurchschnitt jeweils tatsächlich zu leistende Überstundenanzahl festzusetzen."

Mit Dienstzettel Nr.1-1985 vom 12.März 1985 wurde folgendes festgelegt:

"Der Vorstand der Sozialversicherungsanstalten der Bauern hat in seiner Sitzung vom 27.02.1985 beschlossen, Herrn Josef P***** die aufgrund seiner Tätigkeit im Außendienst regelmäßig angeordneten Überstunden in Form eines Überstundenpauschales gemäß § 47 Abs 4 DO.C zu vergüten.

Für jeden Kalendermonat wird die Leistung von 33 Überstunden angeordnet.

Die Höhe des Überstundenpauschales, welches mit Wirksamkeit ab 01.01.1985 gewährt wird, beträgt unter Bedachtnahme auf die Anzahl der angeordneten Überstunden 30 % der ständigen Bezüge gemäß § 34 Abs 2 Z 1 und 4 bis 6 DO.C.

Als Überstunde gilt jene Mehrdienstleistung, die über die tägliche Normalarbeitszeit von 6,45 Uhr bis 15,00 Uhr hinaus geleistet wird.

Das gewährte Überstundenpauschale kann nur dann steuerlich begünstigt behandelt werden, wenn die Leistung der Überstunden auch nachgewiesen wird.

Für diesen Nachweis ist der Vordruck O-A-139 (siehe Beilage) zu verwenden, der am Ende eines jeden Kalendermonates der OE Allgemeine Verwaltung, Personalwesen, zu übermitteln ist.

Bezieher eines Überstundenpauschales sind von der Aufzeichnungspflicht im Rahmen des Gleitzeitabkommens befreit."

Diesen Dienstzettel nahm der Kläger durch Unterfertigung zur Kenntnis und bezog in der Folge das darin genannte Überstundenpauschale.

Infolge Verkleinerung des Fuhrparkes der beklagten Partei wurde auch der Arbeitseinsatz des Klägers als Kraftfahrzeuglenker reduziert.

Mit Dienstzettel Nr.2-1989 vom 14.August 1989 wurde dem Kläger mitgeteilt, daß der Vorstand der beklagten Partei in seiner Sitzung vom 19.Juli 1989 beschlossen habe, das Überstundenpauschale des Klägers mit Wirksamkeit ab 1.Juli 1989 für die Dauer der entsprechenden Verwendung von bisher 30 % auf 11 % der ständigen Bezüge gemäß § 34 Abs 2 Z 1 und 4 bis 6 DO.C herabzusetzen. Gleichzeitig wurde die durchschnittliche Leistung von 12,17 Überstunden pro Kalendermonat angeordnet.

Der Kläger unterfertigte nicht die Erklärung, mit dem Inhalt des Dienstzettels einverstanden zu sein.

Die beklagte Partei stellte mit Schreiben vom 30.April 1992 dem Kläger eine außergerichtliche Einigung in Aussicht. Den vom Kläger mit Schreiben vom 15.Mai 1992 erstatteten Vergleichsvorschlag lehnte die beklagte Partei mit Schreiben vom 2.Dezember 1992 ab.

Der Kläger begehrt den der Höhe nach nicht strittigen Betrag von 237.280 S brutto sA, welcher sich als Differenz zwischen dem Überstundenpauschale von 30 % und dem von 11 % seiner Bezüge für den Zeitraum von Juli 1989 bis Dezember 1992 ergebe. Die Herabsetzung seiner Bezüge sei mangels Widerrufsvorbehaltes nicht zulässig gewesen.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Durch den Verkauf eines Dienstwagens aus dem Fuhrpark der beklagten Partei habe sich der Arbeitseinsatz des Klägers als Kraftfahrzeuglenker soweit verringert, daß sich eine Reduktion der Überstunden von durchschnittlich 33 auf durchschnittlich 12,17 Stunden monatlich ergeben habe. Das Überstundenpauschale von 30 % der Bezüge sei ausdrücklich mit einer Überstundenleistung von durchschnittlich 33 Überstunden pro Monat verknüpft gewesen; betriebsbedingt habe sich die Notwendigkeit einer Herabsetzung der durchschnittlichen Überstundenleistung und damit auch des Überstundenpauschales ergeben. Im übrigen seien die im Laufe eines Monates geleisteten Überstunden gemäß § 47 Abs 3 DO.C innerhalb der nächsten sechs Monate geltend zu machen, so daß die mit der Klage für den Zeitraum vor Oktober 1989 geltend gemachten Differenzbeträge verfristet seien; schließlich seien die für den Zeitraum vor dem 22. Dezember 1989 geltend gemachten Beträge verjährt.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Der Dienstzettel vom 12. März 1985 enthalte weder eine Befristung noch einen Widerrufsvorbehalt noch auch einen Hinweis, daß die beklagte Partei bei Bemessung des Überstundenpauschales auf die tatsächlich geleisteten Überstunden abstelle. Diese Pauschalierungsvereinbarung könne nicht einseitig widerrufen werden, auch wenn die Überstundenleistung des Klägers unter das seinerzeit zugrunde gelegte Ausmaß abgesunken sei. Da es sich nicht um die Geltendmachung tatsächlich geleisteter Überstunden handle, komme die Verfristungsbestimmung des § 47 Abs 3 Do.C nicht zum Tragen. Der Ablauf der Verjährungsfrist sei durch die Vergleichsverhandlungen gehemmt worden; noch mit Schreiben vom 30.April 1992 habe die beklagte Partei eine Einigung in Aussicht gestellt.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Ein unbefristet und ohne Widerrufsvorbehalt durch längere Zeit gewährtes Überstundenpauschale werde zu einem Gehaltsbestandteil; es könne nicht mehr einseitig widerrufen werden, auch wenn die Überstunden, die Grundlage für die Gewährung des Überstundenpauschales gewesen seien, in der Folge geringer werden oder überhaupt wegfallen. Es sei daher unerheblich, daß das Überstundenpauschale auf der Basis einer Leistung von 33 Überstunden pro Monat gewährt worden sei und sich die Überstundenleistung aufgrund betrieblicher Umstände im Jahre 1989 auf ca ein Drittel vermindert habe; maßgeblich sei vielmehr, daß die beklagte Partei das Überstundenpauschale im Jahre 1985 ohne Widerrufsvorbehalt und ohne zeitliche Begrenzung gewährt habe. Die Bestimmung des § 47 Abs 4 DO.C, wonach das Überstundenpauschale unter Bedachtnahme auf die im Jahresdurchschnitt tatsächlich zu leistenden Überstunden festzusetzen sei, richte sich primär an den Dienstgeber und könne nicht den Widerruf eines ohne Widerrufsvorbehalt gewährten Überstundenpauschales, das einzelvertraglicher Gehaltsbestandteil geworden sei, rechtfertigen. Die Klage sei unverzüglich nach Ablehnung des vom Kläger erstatteten Vergleichsanbotes mit Schreiben der beklagten Partei vom 2.Dezember 1992 erfolgt; die geltend gemachten Ansprüche seien daher nicht verjährt. Die Verfallsbestimmung des § 47 Abs 3 DO.C sei nicht anzuwenden, weil sie sich auf Geltendmachung und Abgeltung tatsächlich geleisteter Überstunden beziehe.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Dem Kläger ist zwar zuzugeben, daß ein vorbehaltslos vereinbartes Überstundenpauschale auch dann vom Arbeitgeber nicht einseitig widerrufen werden kann, wenn infolge geänderter Umstände die Notwendigkeit von Überstunden wegfällt (siehe DRdA 1990/5 [zust Mosler]; Arb 10.781 sowie WBl 1990, 378); andererseits ist es in Lehre und Rechtsprechung unbestritten, daß der Vorbehalt des einseitigen Widerrufes dieses Pauschales wirksam vereinbart werden kann (WBl 1990, 378; Schwarz-Löschnigg Arbeitsrecht4 315; Grillberger Arbeitszeitgesetz 84).

Bei Zusicherung des Überstundenpauschales mit Dienstzettel vom 12. März 1985 wurde nicht nur ausdrücklich auf die Bestimmung des § 47 Abs 4 DO.C Bezug genommen, sondern darüber hinaus die Leistung einer bestimmten Anzahl von Überstunden angeordnet und ein dieser Überstundenleistung entsprechendes Überstundenpauschale festgelegt. Damit unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt grundlegend von dem der die gleichlautende Bestimmung des § 59 Abs 5 letzter Satz DO.A betreffenden Entscheidung 9 Ob A 206/90, da dort bei Festsetzung des Überstundenpauschales nicht auf die tatsächlich zu leistende Überstundenanzahl, sondern auf eine ganz andere Berechnungsgrundlage - die durchschnittliche Verwendung im Außendienst nach Tagen - abgestellt und damit eine von § 59 Abs 5 letzter Satz DO.A abweichende Regelung getroffen wurde.

Im vorliegenden Fall hat hingegen die beklagte Partei durch die Orientierung an der tatsächlich zu leistenden Zahl der Überstunden sowie durch die Bezugnahme auf § 47 Abs 4 DO.C hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, daß sie eine dieser Bestimmung entsprechende Regelung treffen und sich entsprechend § 47 Abs 4 letzter Satz DO.C auch in Zukunft die Festsetzung nach den jeweils tatsächlich im Jahresdurchschnitt zu leistenden Überstunden vorbehalten wollte, auch wenn sie sich in der Einzelvereinbarung mit dem Hinweis auf § 47 Abs 4 DO.C begnügte und auf den sich daraus ergebenden Widerrufsvorbehalt nicht eigens hinwies. Zu diesem Ergebnis gelangt man auch dann, wenn man § 47 Abs 4 letzter Satz DO.C im Hinblick auf die dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger gemäß § 31 Abs 2 Z 3 ASVG zukommende Kompetenz als bloße an den Dienstgeber gerichtete Ermächtigungsnorm ansieht, da die beklagte Partei das Überstundenpauschale nach der tatsächlich regelmäßig geleisteten Anzahl der Überstunden bemessen hat und durch den Hinweis auf § 47 Abs 4 DO.C hinreichend deutlich gemacht hat, daß sie sich im Rahmen der durch diese Norm erteilten Ermächtigung halten und sich nicht zur Leistung eines von der Änderung der Zahl der regelmäßig zu leistenden Überstunden unabhängigen Pauschales an den - im Hinblick auf die mehr als zehnjährige Dienstzeit wohl Kündigungsschutz nach der DO.C genießenden - Kläger für alle Zukunft verpflichten wollte.

Die beklagte Partei war somit bei Änderung der regelmäßig zu leistenden Überstunden auch zu einer entsprechenden Änderung des Überstundenpauschales berechtigt.

Der Revision war daher im Sinne des Abänderungsantrages Folge zu geben.

Die Entscheidung über die Kosten sämtlicher Instanzen beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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