OGH 1Ob520/94

OGH1Ob520/9419.4.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schlosser, Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker und Dr.Rohrer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Eva C*****, 2. Christine F*****, 3. Karl P*****, 4. Maria R*****, 5. Sonja S*****, 6. Gudmund T*****, 7. Susanne T*****, und 8. Franz W*****, vertreten durch Dr.Gabriel Lansky, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Dipl.Ing.Kurt D*****, vertreten durch Dr.Christiane Bobek, Rechtsanwältin in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert S 60.000,--), infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 28.September 1993, GZ 41 R 482/93-9, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 30.März 1993, GZ 49 C 277/92k-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Parteien haben die Kosten ihrer Rechtsmittelschriften selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Kläger sind Hauptmieter verschiedener Wohnungen im Hause L***** 19 in W*****, dessen Eigentümer der Beklagte ist. Sie brachten im wesentlichen vor, der Beklagte wähle bei der (mangelhaften) Durchführung von ihm aufgetragenen Erhaltungsarbeiten eine die Mieter besonders belastende Vorgangsweise. Diese seien übermäßigen Schmutz- und Staubeinwirkungen ausgesetzt, der Beklagte erschwere den Mietern die zu ihm gesuchte Kontaktnahme, er erhebe ihm nicht zustehende Mietzinsforderungen und versuche, die Mieter durch Anbringung schikanöser Klagen und Geltendmachung ungerechtfertigter Ansprüche zu zermürben. Durch seine Verhaltensweise verstoße der Beklagte in Schädigungsabsicht gegen die sich aus den Mietverträgen ergebenden Verpflichtungen.

Die Kläger begehrten, den Beklagten schuldig zu erkennen, im Zusammenhang mit den Mietverhältnissen mit den Klägern über die Wohnungen 5, 6, 9, 13, 14, 15, 16 und 17 im Haus L***** 19 in W*****.

gegenüber den Klägern schikanöse Rechtsausübung oder benachteiligendes Verhalten zu unterlassen, insbesondere durch

die unsachgemäße Durchführung von Erhaltungsarbeiten im Haus ***** W*****, L***** 19, wie beispielsweise die Reparatur der Fenster ohne gleichzeitige Reparatur der Fensterstöcke, Lackierarbeiten ohne Untergrundbehandlung und -reinigung etc.;

das Unbenützbarmachen allgemeiner Teile des Hauses, beispielsweise durch absichtliches Verschmutzen des Ganges, Aufgrabung des Hofes, Einschränkung der Begehbarkeit der Gänge zu den Postkästen;

die Durchführung von Erhaltungsarbeiten dergestalt, daß diese die Mieter besonders belasten, weil sie nämlich mit unangemessen hohem Schmutzanfall oder mit unangemessen häufigen Anwesenheitsverpflichtungen oder Betretbarmachungsverpflichtungen verbunden sind, wie beispielsweise die Durchführung der Fensterreparatur der Außenfenster an mehreren zeitlich auseinanderfallenden Terminen, nachdem das Gerüst bereits abgebaut war, oder das Schleifen des Fußbodens mit einer Schleifmaschine ohne Staubsack;

die einseitige Terminfestsetzung zur Durchführung von Erhaltungsarbeiten, wobei verlangt wird, daß zu diesen einseitig festgesetzten Terminen die Kläger ihre Wohnungen zugänglich zu machen haben;

die Einbringung schikanöser Klagen gegen die nunmehrigen Kläger auf Entfernung von Gegenständen aus den allgemein zugänglichen Teilen des Hauses, insbesondere wenn die Kläger diese Gegenstände dort gemäß jahrelanger Übung aufgestellt haben;

die Stellung schikanöser Ansprüche, die die Kläger bei der Benützung gemieteter Räume oder Flächen einschränken, wie beispielsweise das Verlangen der Entfernung eines Lattenrostes von der gemieteten Dachterrasse;

die Duldung der Beeinträchtigung - insbesondere durch Lärmerregung - der Kläger durch Mieter oder Benutzer des Kellerlokales (vormals "NDP-Lokal"), beispielsweise durch Duldung der Verwendung als Trommel-Proberaum, insbesondere durch Skinheads oder "NDP"-nahe Organisationen;

die Stellung ungerechtfertigter Zahlungsansprüche im Zusammenhang mit den Mietverhältnissen der Kläger, wie beispielsweise die Forderung nach einer 50 %igen Betriebskostenpauschalratenerhöhung ohne gleichzeitige Abrechnung der Betriebskosten des Vorjahres;

die Verhinderung einer Kontaktaufnahme durch die Kläger mit dem Beklagten oder den Angestellten der Hausverwaltung, beispielsweise durch Ablehnung persönlicher Kontaktaufnahme, Verhinderung von sachlichen Telefonaten, Einschränkung der Gesprächsmöglichkeiten auf wenige Kanzleistunden;

II. In Zukunft auch ähnliche wie die unter I. genannten Handlungen und Unterlassungen, die geeignet sind, die Kläger in der Ausübung ihrer Gebrauchsrechte an den gemieteten Wohnungen zu beeinträchtigen oder sie zum Auszug aus dem Mietgegenstand zwingen sollen, zu unterlassen.

Der Beklagte wendete die Unzulässigkeit des streitigen Verfahrens ein, beantragte die Unterbrechung des Rechtsstreits bis zur Beendigung der anhängigen Außerstreitverfahren, und trat dem Unterlassungsbegehren unter Bestreitung der klägerischen Tatsachenbehauptungen entgegen.

Das Erstgericht ließ eine in der Tagsatzung vom 18.12.1992 vorgenommene Klagsänderung zu und wies die Einrede der Unzulässigkeit des streitigen Rechtsweges ebenso wie den Unterbrechungsantrag des Beklagten ab. Dieser Teil der Entscheidung blieb unangefochten. Im übrigen wies es das oben wiedergegebene Klagebegehren vollinhaltlich ab. Die gewählte Rechtsverfolgung in Form der Erwirkung von äußerst unterschiedlichen Verboten sei insgesamt nicht zulässig, die Untersagung des durch Einzelumschreibung konkretisierten benachteiligenden Verhaltens oder schikanöser Rechtsausübung "finde insgesamt nicht statt".

Das Berufungsgericht gab der von den Klägern erhobenen Berufung nicht Folge und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteige sowie daß die ordentliche Revision zulässig sei. Es ging im wesentlichen davon aus, daß das Unterlassungsbegehren der Kläger nicht hinreichend bestimmt sei. Die einzelnen konkreten Verhaltensweisen des Beklagten, die unter Verwendung der Formulierung "insbesondere durch" ins Urteilsbegehren aufgenommen worden seien, stellten keine selbständigen Unterlassungsbegehren dar. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil den Fragen, ob der Mieter vom Vermieter generell die Unterlassung schikanöser Rechtsausübung im Zusammenhang mit dem Mietverhältnis begehren könne und wie weit das Bestimmtheitsgebot des § 226 Abs.1 ZPO in diesem Zusammenhang gehe, komme über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Kläger mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne einer Klagsstattgebung; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Beklagte beantragt in der Revisionsbeantwortung, der klägerischen Revision nicht Folge zu geben.

Die Revision ist unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichtes (Fasching, Lehrbuch2 Rz 1828) liegen die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Revision nicht vor.

Die Auffassung des Berufungsgerichtes, das Unterlassungsbegehren der Kläger sei nicht hinreichend bestimmt, steht im Einklang mit den Grundsätzen der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes. Ein Klagebegehren muß die Unterlassungspflicht so deutlich kennzeichnen, daß ihre Verletzung gemäß § 355 EO vollstreckt werden kann. Die Bestimmtheit des Klagebegehrens als Voraussetzung eines tauglichen Exekutionstitels ist prozessuale Klagsvoraussetzung, deren Vorhandensein von Amts wegen zu prüfen ist (ÖBl. 1991, 105, 108; 3 Ob 507/93 uva). Ganz allgemein gehaltene Unterlassungsbegehren sind unzulässig (vgl. 8 Ob 635/92). Im Unterlassungsbegehren muß die Verhaltensweise des Beklagten, deren Unterlassung aufgetragen werden soll, bestimmt und genau bezeichnet werden. Immer wieder wird gefordert, daß das Unterlassungsbegehren zu konkretisieren ist und allgemeine Umschreibungen nicht genügen. Die Unterlassung muß so genau wie möglich umschrieben werden. Ein Kläger hat nach den Gegebenheiten des besonderen Falls sein Klagebegehren so abzufassen, daß ein stattgebendes Urteil mittels der Exekution nach § 355 EO durchgesetzt werden kann; die Abgrenzungskriterien müssen derart bestimmt angegeben sein, daß es zu keiner Verlagerung des Rechtsstreites in das Exekutionsverfahren kommt (3 Ob 507/93; vgl. ÖBl. 1961, 52; SZ 37/28; ÖBl. 1970, 19; 4 Ob 48/93; RZ 1993/45; SZ 24/314 uva).

Das Fehlen der Bestimmtheit rechtfertigt zwar in der Regel nicht die sofortige Abweisung des Klagebegehrens, vielmehr hat der Richter in Erfüllung seiner Prozeßleitungspflicht nach § 182 ZPO den Kläger zu einer entsprechenden Präzisierung des Urteilsantrags aufzufordern (ÖBl. 1991, 105, 108; 3 Ob 507/93 mwH). Im vorliegenden Fall machen die Kläger einerseits eine Verletzung der Manuduktionspflicht nicht geltend, und andererseits war eine Anleitung tatsächlich entbehrlich, weil sie schon in erster Instanz darauf beharrten, daß ein hinreichend bestimmtes Unterlassungsbegehren vorliege (AS 33). Diese Ansicht halten sie in ihren Rechtsmittelschriften aufrecht.

Das Berufungsgericht hat sich auch hinsichtlich der demonstrativ aufgezählten, im Urteilsbegehren enthaltenen Verhaltensweisen des Beklagten, an die Grundsätze der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes gehalten. Selbst die Revisionswerber haben noch in ihrer Berufung ausdrücklich ausgeführt, lediglich zwei Unterlassungsbegehren gestellt zu haben, bei den unter "insbesondere" dargestellten Verhaltensweisen handle es sich um eine demonstrative Aufzählung (AS 59). Die im Anschluß an die Unterlassungstatbestände genannten, beispielhaft angeführten Sonderfälle könnten nur gemeinsam mit den Unterlassungsbegehren untersagt werden. Abgesehen davon, daß die Kläger - wie schon dargestellt - selbst eine entsprechende Wertung ihres Begehrens vorgenommen haben, ergibt sich aus den der demonstrativen Aufzählung vorangestellten Worten "insbesondere durch" und auch aus der Gliederung des Klagebegehrens (AS 20 f), daß die Kläger die demonstrativ aufgezählten Verhaltensweisen untrennbar mit dem rechtlichen Schicksal des primär gestellten Antrags verbunden wissen wollten. Nur bei einer Stattgebung hinsichtlich des den Worten "insbesondere durch" vorangestellten Unterlassungsbegehrens wäre überhaupt zu prüfen, ob der Beklagte auch die nach den Worten "insbesondere durch" genannten Verhaltensweisen zu unterlassen habe. Daß die Kläger in der Lage gewesen wären, diese Verhaltensweisen selbständig in Form eines Unterlassungsbegehrens geltend zu machen, ist rechtlich bedeutungslos. Maßgeblich ist nicht, welches Begehren sie aufgrund ihres Vorbringens hätten stellen können, sondern allein, welches Begehren sie tatsächlich gestellt haben (4 Ob 377/82).

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 40, 50 ZPO. Das Rechtsmittel der Kläger ist erfolglos geblieben. Der Beklagte hat in seiner Revisionsbeantwortung auf den vorliegenden Zurückweisungsgrund nicht hingewiesen. Er hat daher die Kosten der Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

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