OGH 4Ob32/94

OGH4Ob32/9412.4.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Graf und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Alfred K*****, vertreten durch Dr.Hella Ranner und Dr.Franz Krainer, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei M*****GmbH & Co KG, Wien 21, Stephensongasse 1, vertreten durch Dr.Bernhard Weissborn, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Gesamtstreitwert S 500.000,--), infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgericht vom 11.Jänner 1994, GZ 5 R 246/93-19, womit der Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 15. Oktober 1993, GZ 11 Cg 261/92-15, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 19.069,20 bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens (darin enthalten S 3.178,20 USt) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Kläger begehrt in der beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz eingebrachten Klage aufgrund zweier - in steiermärkischen Zeitungen erschienenen - mit "M*****-Elektronic, Graz, ***** und Wien 21, ***** gekennzeichneten Zeitungsanzeigen, die Beklagte schuldig zu erkennen, gegen das Preisauszeichnungsgesetz verstoßende Preisankündigungen zu unterlassen. Die Beklagte betreibe den Handel mit elektronischen Geräten; ihr Sitz sei in Wien. An der Anschrift in Graz befinde sich eine weitere Betriebsstätte der Beklagten. Das angerufene Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz sei daher gemäß § 83c JN örtlich zuständig.

Die Beklagte wendete die örtliche Unzuständigkeit ein. Die Geschäftsräumlichkeiten in Graz gehörten einer von Helfried und Rudolf M***** unter der Bezeichnung "M*****-Elektronic" betriebenen Erwerbsgesellschaft bürgerlichen Rechtes bzw (seit deren Gründung) der M*****-Elektronic-Graz ***** GmbH. Die beklagte M*****-Elektronic-*****GmbH & Co KG habe ihren Sitz in Wien; in Graz verfüge sie über keinerlei Niederlassung. Der Gerichtsstand des § 83c JN sei daher nicht gegeben.

Das Erstgericht wies die Klage wegen örtlicher Unzuständigkeit "ab".

Es traf folgende Sachverhaltsfeststellungen:

Die Beklagte hat ihren Sitz in Wien 21, *****; sie hat keine Filiale, Zweigniederlassung oder sonstige Art von Geschäftsstelle, insbesondere auch nicht in Graz. Rudolf und Helfried M***** betrieben in der Zeit von Juli 1991 bis 30.September 1992 an der Anschrift Graz, ***** in Form einer Erwerbsgesellschaft bürgerlichen Rechts den Handel mit Elektrogeräten. Dieser Handel wurde von einer neu gegründeten GmbH fortgesetzt. Die verfahrensgegenständlichen Inserate wurden von Helfried M***** eingeschaltet.

Die Beklagte habe daher in Graz keinen Gerichtsstand nach § 83c JN.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluß und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Der Begriff der Niederlassung in § 83c JN entspreche dem des früheren § 23 UWG. Der dort genannte Ausdruck "Niederlassung" sei im Sinne der Bestimmungen des § 87 JN auszulegen gewesen. Nichts anderes könne nach dem erklärten Willen des Gesetzgebers für den Gerichtsstand nach § 83c JN gelten. Auch hier komme es nur auf die faktische Situation an. Der Nachweis, daß der Geschäftsbetrieb in Graz eine Niederlassung der Beklagten sei, sei dem Kläger aber nicht gelungen. Eine solche Niederlassung der Beklagten könne auch nicht auf Grund des Textes der beanstandeten Inserate angenommen werden, weil dieser nicht von der Beklagten, sondern von Helfried M***** veranlaßt worden sei.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen von der Klägerin erhobene Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Wie das Rekursgericht zutreffend erkannt hat, hat der durch die ZVN 1983 eingeführte Gerichtsstand für Streitigkeiten aus gewerblichem Rechtsschutz und Urheberrecht sowie Verbandsklagen gemäß § 83c JN die Zuständigkeitsregelung des früheren § 23 UWG übernommen und damit die bis dahin für die genannten Streitigkeiten bestehenden unterschiedlichen Regelungen über die örtliche Zuständigkeit zusammengefaßt (669 BlgNR 15. GP 38). Gemäß § 83c JN ist in diesen Streitigkeiten gegen Personen, deren Unternehmen sich im Inland befindet oder die mit Rücksicht auf ihre Tätigkeit bei einem im Inland befindlichen Unternehmen in Anspruch genommen werden, - soweit nicht andere gesetzliche Vorschriften bestehen - ausschließlich das Gericht zuständig, in dessen Sprengel dieses Unternehmen liegt, bei Vorhandensein mehrerer Niederlassungen wahlweise das Gericht der Hauptniederlassung oder derjenigen Niederlassung, auf die sich die Handlung bezieht. Da der Begriff der "Niederlassung" durch § 83c JN keine Änderung erfahren hat, kann dazu die frühere Rechtsprechung zu § 23 UWG weiterhin angewandt werden. Demnach ist dieser Begriff weiterhin iSd § 87 Abs 1 und 2 JN auszulegen; er deckt sich nicht mit dem Begriff der Zweigniederlassung nach §§ 13 ff HGB. Es genügt vielmehr das Bestehen einer nach ihrer äußeren Einrichtung auf Dauer berechneten, vom Sitz des Unternehmens örtlich getrennten Abteilung, die im wesentlichen unter selbständiger Leitung steht, zu selbständigem Handeln im geschäftlichen Verkehr berechtigt ist und auf diese Weise, wenngleich häufig in nur sehr eingeschränktem Umfang, Mittelpunkt eines - größeren oder kleineren - Kreises von Rechtsbeziehungen des Unternehmens zu dritten Personen ist (ÖBl 1979, 25 = SZ 51/29 mwN). Auf die internen Beziehungen zwischen der Niederlassung und dem Stammunternehmen kommt es ebensowenig an, wie darauf, ob von der Niederlassung aus selbständig und eigenverantwortlich Rechtsgeschäfte abgeschlossen werden können (ÖBl 1979, 25 = SZ 51/29; SZ 57/206 = RZ 1985/83 [zu § 87 JN]). Wie der Oberste Gerichtshof im Zusammenhang mit dem Gerichtsstand des § 87 JN und dem des § 99 Abs 3 JN für ausländische Anstalten, Vermögensmassen, Gesellschaften, Genossenschaften und andere Personenvereine, welche im Inland über eine ständige Vertretung oder ein mit der Besorgung der Geschäfte solcher Anstalten und Gesellschaften betrautes Organ verfügen, schon ausgesprochen hat (2 Ob 598/84; SZ 57/206 = RZ 1985/83), ist eine Niederlassung im Interesse des Schutzes der sich darauf stützenden und darauf vertrauenden Kläger auch dann anzunehmen, wenn die Beklagte im geschäftlichen Verkehr mit dem Kläger ein Briefpapier verwendet hat, nach welchem eine Filiale in einem bestimmten Ort bestehe.

Im vorliegenden Fall ist die Betriebsstätte in Graz, ***** nicht von der Beklagten eingerichtet worden. Nach den getroffenen Feststellungen ist die Beklagte von hier aus auch nicht geschäftlich tätig geworden. Diesen Feststellungen steht auch nicht der Auszug aus dem Gewerberegister (Beilage E) entgegen, wonach zur Betriebsstätte des Gewerbeinhabers Rudolf M***** in Wien 21, ***** die Betriebsstätte in Graz, ***** als weitere Betriebsstätte gemeldet wurde. Die Angabe der Anschrift Graz *****, in den beanstandeten Inseraten stammt auch nicht von der Beklagten sondern von Rudolf M*****. Daß er dabei im Auftrag der Beklagten gehandelt hätte, ist nicht hervorgekommen. Ob die Beklagte mit den beanstandeten Inseraten auch bei den in Streitigkeiten gemäß § 51 Abs 2 Z 9 und 10 JN klageberechtigten Personen den Eindruck erwecken konnte, in Graz eine Niederlassung zu unterhalten, muß daher gar nicht geprüft werden.

Dem Revisionsrekurs war somit ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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