OGH 2Ob598/84

OGH2Ob598/8428.8.1984

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Piegler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Huber und Dr. Egermann als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gottfried H*****, vertreten durch Dr. Peter Rohracher, Rechtsanwalt in Lienz, wider die beklagte Partei V*****, vertreten durch Dr. Helfried Rustler, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Herausgabe, infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom 6. März 1984, GZ 7 R 36/84-12, womit der Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt vom 7. Dezember 1983, GZ 28 Cg 282/83-8, abgeändert wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Beklagte hat dem Kläger die mit 2.460,15 S bestimmten Kosten der Beantwortung des Revisionsrekurses binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Kläger, der bei einem Verkehrsunfall schwere Verletzungen erlitt, trat wegen der Durchsetzung seiner Schadenersatzansprüche mit der beklagten Partei in Verbindung und unterfertigte außer einer Zessionsurkunde eine Beitrittserklärung, auf deren Vorderseite als Anschrift der beklagten Partei *****, angeführt ist. Nach den auf der Rückseite der Beitrittserklärung angeführten Statuten ist der Sitz der beklagten Partei Klagenfurt. Für ihre Korrespondenz verwendet die beklagte Partei ein Briefpapier, auf dem als Sitz der Direktion die oben angeführte Wiener Anschrift angeführt ist. Darunter findet sich der Vermerk: „Filiale: *****“. Tatsächlich hat die Beklagte in Klagenfurt jedoch keine Filiale und entfaltet dort auch keine geschäftliche Tätigkeit.

Mit seiner beim Landesgericht Klagenfurt eingebrachten Klage begehrt der Kläger, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, die Geltendmachung von Forderungen aufgrund der Zessionserklärung zu unterlassen und die Zessionsurkunde herauszugeben. Die Zuständigkeit stützte der Kläger auf § 87 JN.

Die beklagte Partei wendete die örtliche Unzuständigkeit mit der Begründung ein, sie habe in Klagenfurt keine Filiale und übe dort keine geschäftliche Tätigkeit aus.

Das Erstgericht sprach seine örtliche Unzuständigkeit aus und wies die Klage samt einem vom Kläger eingebrachten Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung zurück.

Das Rekursgericht änderte diesen Beschluss dahin ab, dass die Einrede der Unzuständigkeit verworfen werde. Es sprach aus, dass der Wert des Streitgegenstands 15.000 S, nicht aber 300.000 S übersteige und der Rekurs zulässig sei. Das Rekursgericht führte aus, aufgrund der Feststellungen des Erstgerichts sei zwar davon auszugehen, dass die beklagte Partei in Klagenfurt keine Niederlassung oder Betriebsstätte habe. Ihre Angaben auf der Beitrittserklärung und der Korrespondenz über das angebliche Bestehen einer Filiale in Klagenfurt seien jedoch grob wahrheitswidrig und dolos gewesen. In Fällen solcher Art, in welchen eine Partei dolos den Anschein der Existenz einer Niederlassung an einem bestimmten Ort erwecke, obwohl eine solche faktisch nicht bestehe, müsse diese Partei den von ihr selbst verwirklichten Anschein mit der Wirkung gegen sich gelten lassen, dass sie auch bei dem für diesen Ort zuständigen Gericht nach § 87 JN in Anspruch genommen werden können (Fasching I 436).

Gegen den Beschluss des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs der beklagten Partei mit dem Antrag auf Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichts; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Die beklagte Partei vertritt in ihrem Rechtsmittel die Ansicht, es könne nicht davon ausgegangen werden, dass sie beim Kläger dolos den Anschein erweckt habe, sie hätte in Klagenfurt eine Niederlassung. Es sei nämlich nicht festgestellt worden, aus welchen Gründen in den Geschäftspapieren eine Niederlassung in Klagenfurt angeführt sei. Tatsächlich habe die beklagte Partei den Kläger nicht in Irrtum führen wollen und habe nicht in Täuschungsabsicht gehandelt, sie habe lediglich alte Formulare verwendet, habe den Kläger über die Frage ihres Sitzes und ihrer Niederlassung aber genau aufgeklärt. Von vorsätzlicher Veranlassung eines Rechtsscheins könne daher in keiner Weise gesprochen werden.

Dem ist Folgendes entgegenzuhalten:

Die Ausführungen, der Kläger sei über den Sitz und das Nichtvorhandensein einer Filiale der Beklagten aufgeklärt worden, sind eine unzulässige Neuerung, auf die nicht einzugehen ist. Auszugehen ist davon, dass die beklagte Partei im geschäftlichen Verkehr mit dem Kläger ein Briefpapier verwendete, nach welchem eine Filiale in Klagenfurt bestand und dass auf der dem Kläger zur Unterschrift vorgelegten Beitrittserklärung dieser Ort sogar als Sitz der beklagten Partei angeführt war. Die beklagte Partei behauptete somit gegenüber dem Kläger, in Klagenfurt zumindest eine Betriebsstätte zu haben. Die hiefür maßgebenden Gründe sind ohne Bedeutung, es kommt nicht darauf an, ob die Absicht bestand, den Kläger in Irrtum zu führen. Maßgebend ist allein, dass die beklagte Partei gegenüber dem Kläger behauptete, sie habe in Klagenfurt eine Betriebsstätte. Dies eröffnete dem Kläger, für den die Unrichtigkeit der Behauptung der beklagten Partei nicht erkennbar war, die Möglichkeit, gemäß § 87 JN seine Klage in Klagenfurt einzubringen, gleichgültig, ob und welche geschäftliche Tätigkeit die beklagte Partei dort tatsächlich ausübt. Der damit begründeten Einrede der örtlichen Unzuständigkeit, die beklagte Partei habe in Klagenfurt keine Betriebsstätte, kann daher kein Erfolg beschieden sein.

Aus diesem Grund war dem Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Die verzeichneten aber bisher nicht beigebrachten Barauslagen von 480 S konnten dem Kläger nicht zugesprochen werden, weil er die Bewilligung der Verfahrenshilfe beantragte. Über diesen Antrag hat das Erstgericht zwar noch nicht entschieden, da der Kläger kein Verfahrenshilfezeugnis vorlegte. Dies hat jedoch nicht zu einer Nichterledigung des Antrags zu führen und auch nicht zu seiner Abweisung, vielmehr hat das Erstgericht gemäß § 66 Abs 1 letzter Satz ZPO vorzugehen. Sodann hat eine Entscheidung über die Bewilligung der Verfahrenshilfe zu erfolgen. Bevor eine derartige Entscheidung ergangen ist, kann nicht beurteilt werden, ob eine Zahlungspflicht des Klägers iSd § 54 Abs 2 ZPO besteht.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte