OGH 7Ob502/94

OGH7Ob502/949.3.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Schalich und Dr.Tittel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Wassergenossenschaft B*****, vertreten durch Dr.Rainer Handl und Dr.Erich Unterer, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Philipp S*****, vertreten durch Dr.Hermann Geissler, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 191.688,17 s.A., infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 4.Mai 1993, GZ 11 R 40/93-44, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 26. November 1992, GZ 25 Cg 134/89-37, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 8.836,20 (darin S 1.472,70 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Grundstücke der Mitglieder der klagenden Partei waren neben jenen anderer Wassergenossenschaften an die seinerzeit von Gottfried K***** betriebene Kläranlage zur Entsorgung angeschlossen. In dem gegen diesen zu E 7/86 des Bezirksgerichtes S***** anhängigen Exekutionsverfahren wurde der Beklagte als Zwangsverwalter vom 18.8.1986 bis zur Zuschlagserteilung an Josef P***** am 2.5.1988 und anschließend als einstweiliger Verwalter zumindest bis zum 31.12.1988 bestellt. Mit Dienstbarkeitsvertrag vom 29.August 1984 war unter Punkt 7 zwischen der Klägerin und K***** vereinbart worden, daß ersterer lediglich die tatsächlichen Betriebskosten sowie die allfälligen Reparaturen an ihn zu bezahlen hat. Der Beklagte schrieb im Zuge seiner Verwaltungstätigkeit der Klägerin und den anderen Benützern der Kläranlage vorläufig errechnete Betriebskosten vor, vorläufig zunächst deshalb, weil ihm der tatsächliche Aufwand der Anlage nicht bekannt war, in der Folge aber deshalb, weil die Benützerinnen der Kläranlage in Kaufsverhandlungen mit dem Ersteher eintraten. Die klagende Partei hat sich gegenüber dem Beklagten zur Zahlung der geschätzten Betriebskosten unter der Voraussetzung "bereit erklärt", daß die Zahlungen für die "reinen laufenden Betriebskosten" verwendet werden. Von den dem Dachverband der Wassergenossenschaften vorgeschriebenen (reinen) Betriebskosten für die Zeit bis November 1987 in der Höhe von S 399.742,86 exclusive Umsatzsteuer anerkannte die klagende Partei den sie treffenden Anteil lediglich in der Höhe von S 164.474,--. Der Beklagte bestand jedoch auf der Bezahlung der Gesamtforderung. Bei den am 20.9. und am 7.10.1988 zwischen dem Dachverband der Wassergenossenschaften und dem Ersteher Josef P***** stattgefundenen Kaufsverhandlungen wurde für den Fall eines Kaufabschlusses bis 31.12.1988 die Zahlung von Betriebskosten für die Zeit der Zwangsverwaltung bis zum Zuschlag am 2.5.1988 mit S 4,-- incl. Umsatzsteuer je Tag und Parzelle und für die Zeit danach mit S 4,40 vereinbart. Unter Hinweis auf diese Vereinbarung schrieb der Beklagte ohne Legung einer detaillierten Abrechnung der Klägerin mit Schreiben vom 19.12.1988 (Beilage A) für die Zeit vom 18.8.1986 bis 1.5.1988 S 465.404,94 abzüglich geleisteter Akontozahlungen von S 273.716,76, sohin den Restbetrag von S 191.688,18 als Entsorgungskosten zur Zahlung vor. Die Klägerin hat diesen Betrag am 28.12.1988 an den Beklagten überwiesen. Diese Zahlung sollte ihrem Wesen nach einen Teil des Kaufpreises an Josef P***** darstellen, und zwar insoferne, als dieser (auch) ein Gläubiger des Verpflichteten K***** war und somit seine Forderung über die E***** Bank zumindestens teilweise Deckung finden konnte. Daher war diese Vereinbarung vom tatsächlichen Zustandekommen des Kaufvertrages abhängig. Die Kaufsverhandlungen zerschlugen sich aber aus hier nicht mehr relevanten Gründen. Der Beklagte verweigerte die Rückzahlung der S 191.688,17 an die Klägerin mit der Begründung, daß er als Zwangsverwalter nicht nur die reinen Betriebskosten, sondern auch ein angemessenes Entsorgungsentgelt unter Berücksichtigung der Kapitalverzinsung und Amortisation von Gebäuden und Geräten einzuheben habe. Am 29.6.1989 kam es zu einer Vereinbarung der Klägerin mit dem Ersteher Josef P*****, in der ab 1.1.1989 ein jährliches Pauschale von S 770.000,-- als Entsorgungsentgelt vereinbart wurde.

Im Rahmen seiner Abrechnung vom 8.März 1989 überwies der Beklagte einen Überschuß in der Höhe von S 164.194,66 an das Bezirksgericht S*****. In seinem Bericht vom 30.8.1989 an dieses Exekutionsgericht legte der Beklagte dar, daß sich diese Abrechnung lediglich auf den Zeitraum bis zur Ersteigerung durch Josef P***** am 2.5.1988 beziehe.

Die Klägerin begehrt vom Beklagten die Refundierung der S 191.688,17 s. A. mit der Begründung, daß sie diese Zahlung nur für den Fall des Zustandekommens eines Ankaufes der Kläranlage von Josef P***** geleistet habe. Die vom Beklagten in diesem Umfang geforderte Erhöhung der Betriebskosten, die er als Überschuß aus seiner Verwaltungstätigkeit dem Exekutionsgericht überwiesen habe, werde wegen Wegfalls des Rechtsgrundes nach § 1435 ABGB zurückgefordert. In der Folge stützte die Klägerin ihr Begehren auch darauf, daß der Beklagte vereinbarungswidrig, widmungswidrig und eigenmächtig diesen Betrag an das Exekutionsgericht überwiesen habe.

Der Beklagte beantragte die Klagsabweisung und wendete ein, er habe als bestellter Zwangsverwalter und einstweiliger Verwalter die angemessenen Betriebskosten der Kläranlage in Höhe von S 4,-- incl. Umsatzsteuer pro Parzelle und Tag eingehoben und an das Exekutionsgericht überwiesen. Dieses habe seine Verwaltungsabrechnung genehmigt. Die klagende Partei selbst habe derartige Betriebskosten als angemessenes Entsorgungsentgelt angesehen. Mit Rücksicht auf die beendete Zwangsverwaltung fehle es ihm an der passiven Klagslegitimation.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es ging in rechtlicher Hinsicht davon aus, daß der Beklagte lediglich die reinen Betriebskosten einzuheben gehabt hätte und daher der Klägerin zu Unrecht den Klagsbetrag zur Zahlung vorgeschrieben habe. Mit Rücksicht auf den Umstand, daß der Beklagte diesen Betrag an das Exekutionsgericht abgeführt habe, sei er als Zwangsverwalter jedoch nicht passiv legitimiert.

Das Berufungsgericht gab mit der angefochtenen Entscheidung der Berufung der Klägerin keine Folge. Es erklärte die Revision für zulässig. Durch die Zuschlagserteilung am 2.5.1988 sei die Zwangsverwaltung in eine Verwaltung zugunsten des Erstehers gemäß § 161 Abs.1 EO übergegangen. Die dem Zwangsverwalter zustehenden Befugnisse stünden aber auch dem einstweiligen Verwalter zu. Gemäß § 109 EO habe der Verwalter anstelle des Verpflichteten (Erstehers) die Liegenschaft zu verwalten. Er habe alle zur ordnungsgemäßen und vorteilhaften wirtschaftlichen Benützung des ihm übergebenen Objektes dienenden Anstalten zu ergreifen. Dem gerichtlich bestellten Verwalter komme daher eine ähnliche Stellung wie einem bevollmächtigten Verwalter zu. Er sei dem Exekutionsgericht gegenüber verantwortlich und gegenüber den betreibenden Gläubigern bei schuldhaften Pflichtverletzungen ersatzpflichtig. Für ein allfälliges pflichtwidriges Verhalten des Vertreters gegenüber Dritten hafte - abgesehen vom Fall des deliktischen Verhaltens - nicht der Vertreter, sondern der Vertretene. Darüber hinaus könne eine persönliche Haftung eines Vertreters nur dann begründet werden, wenn seine Pflichtverletzung keinem Geschäftsherrn zugerechnet werden könne, wenn er ein erhebliches und unmittelbar eigenes wirtschaftliches Interesse im Zusammenhang mit der Pflichtverletzung habe oder wenn ihm eine besondere persönliche Vertrauensposition zukomme. All dies liege nicht vor. Für den Beklagten habe auch keine Verpflichtung zur gerichtlichen Hinterlegung der Klagssumme nach § 1425 ABGB bestanden. Da der Beklagte als Vertreter des Eigentümers mit dessen Schuldnern in keine persönliche Rechtsbeziehung getreten sei, sei er nicht passiv klagslegitimiert.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung von der Klägerin erhobene Revision ist nicht berechtigt.

Nach der neueren Lehre und Rechtsprechung (in teilweiser Ablehnung der älteren Lehre und Rechtsprechung, zusammen dargestellt in Heller-Berger-Stix, 990 ff) ist der Zwangsverwalter im Exekutionsverfahren ähnlich einem Masseverwalter ein aufgrund des Gesetzes bestellter und im Vertretungsumfang durch das Gesetz genau umschriebener Vertreter einer Sondermasse. Soweit der Zwangsverwalter zur Führung von Prozessen berechtigt ist, ist er Partei kraft Amtes. Der Zwangsverwalter ist somit der amtliche (gesetzliche) Stellvertreter des Verpflichteten (SZ 64/183 mwN). Wie der Beklagte zutreffend ausführte, wurde die Zwangsverwaltung durch den Zuschlag im Zwangsversteigerungsverfahren nicht beendet. Sie ging ohne Unterbrechung in eine Verwaltung zugunsten des Erstehers über (§ 161 Abs.1 EO). An der Person des bisherigen Zwangsverwalters änderte sich durch den Zuschlag selbst nichts. Durch die Überleitung wird nur die Frage aktuell, welcher Verteilungsmasse Erträgnisse zuzuordnen sind (vgl. SZ 64/183 mwN). Die Zwangsverwalterbestellung des Beklagten war bis 31.12.1988 aufrecht; der Beklagte hat die strittige Zahlung an das Exekutionsgericht weitergeleitet und dieses hat seine Schlußrechnung darüber genehmigt. Die Vorinstanzen haben zutreffend erkannt, daß der Vertreter selbst durch sein vertretungsweises Handeln dem Dritten gegenüber grundsätzlich nicht berechtigt, aber auch nicht verpflichtet wird, daß also zwischen ihm und dem Dritten kein Rechtsverhältnis entsteht (vgl. VR 1987, 101 sowie VersR 1991, 447). Dieser Grundsatz wird nur bei vorsätzlichem, deliktischem Handeln bei einer Schutzgesetzverletzung durch den Vertreter und dann durchbrochen, wenn die Pflichtverletzung keinem der Geschäftsherrn zugerechnet werden kann, wenn der Vertreter ein erhebliches und unmittelbares eigenes wirtschaftliches Interesse an seinem als Pflichtverletzung auszulegenden Handeln hat oder wenn er eine besondere persönliche Vertrauensposition in Anspruch genommen hat (Welser in FS Wagner, 376 f, SZ 56/135). All dies liegt hier nicht vor. Die Revisionsbehauptung, daß der Beklagte vereinbarungsgemäß nur die "reinen" Betriebskosten eingehoben habe, geht nicht vom festgestellten Sachverhalt aus, weil die Rechnungen des Beklagten von der Klägerin der Höhe nach nie anerkannt worden sind und die Frage:

angemessenes Entgelt oder nur reine Betriebskosten sowie deren Höhe, eben immer der Streitpunkt zwischen den Streitteilen war. Ebenso unrichtig ist auch die Behauptung, daß der Ersteher Josef P***** einen Teil der Tätigkeit des Beklagten "besorgt" bzw. den Beklagten vertreten habe. Daß Josef P***** den Beklagten von der unter dem Vorbehalt eines Kaufabschlusses getroffenen Vereinbarung mit dem Dachverband der Wassergenossenschaften über die Höhe der Betriebskosten informiert hat, konnte den Beklagten, der in diesem Verfahrensstadium immer noch allein dem Exekutionsgericht gegenüber verantwortlich war, in keiner Weise binden, zumal die von ihm mit Schreiben vom 19.12.1988 vorgeschriebenen Betriebskosten den Zeitraum vor der Ersteigerung durch Josef P***** erfaßten. Schon gar nicht wurde durch diese Mitteilung eine persönliche Vertrauensstellung des Beklagten zugunsten der Klägerin begründet. Wenn der Beklagte die Einigung dazu benützte, der Klägerin einen Betriebskostenrückstand vorzuschreiben, von dem er annehmen durfte, daß diese ihn zahlen werde, um sich im Streit um die Betriebskostenhöhe eine genaue Berechnung bzw. eine Klagsführung darüber zu ersparen, die Zahlung dann an ihn ohne Vinkulierung, daß sie nur für den Fall eines erfolgreichen Kaufvertragsabschlusses als solche aufzufassen sei bzw. ohne dem Beklagten die treuhändige Verwahrung bis zu diesem Zeitpunkt zu überbinden, erfolgt, so kann in der Überweisung des erlangten Betrages an das Exekutionsgericht kein treuwidriges Verhalten gegenüber der klagenden Partei und schon gar kein vorsätzliches deliktisches Verhalten erblickt werden. Gerade die Widmung, auf die sich die Revisionswerberin ständig bezieht, lag gegenüber dem Beklagten nicht vor. Die in diesem Zusammenhang erstmals von der Revisionswerberin erhobene Irrtumseinrede verstößt gegen das Neuerungsverbot.

Sieht man davon ab, daß von der Klägerin ein Zusammenhang ihrer Zahlung mit der Belohnung des Beklagten nicht unter Beweis gestellt worden ist - letztlich richtet sich deren Bestimmung in erster Linie nach dem erbrachten Aufwand - kam diese Zahlung in ganz überwiegendem Ausmaß den betreibenden Gläubigern zugute. Der von der Revisionswerberin für ihren Standpunkt herangezogenen Entscheidung SZ 44/154 lag die Durchsetzung einer Haftung des Zwangsverwalters durch das Exekutionsgericht im laufenden Exekutionsverfahren zugrunde. Die Entscheidung SZ 42/16 betraf einen völlig anders gelagerten Sachverhalt.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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