Spruch:
Haftung des Zwangsverwalters für Abgänge, die ein von ihm aufgenommener Angestellter im zwangsverwalteten Unternehmen verschuldet
Das Maß der Diligenzpflicht eines Zwangsverwalters bestimmt sich nach der Bestimmung des § 1299 ABGB und nicht nach allfälliger Gepflogenheit bei der Besorgung eigener Geschäfte
OGH 6. 10. 1971, 3 Ob 107/71 (KG Leoben R 388/71; BG Bad Aussee E 1512/69)
Text
In der gegenständlichen Exekutionssache wegen Zwangsverwaltung trug das Erstgericht dem früheren Zwangsverwalter Siegfried R den Ersatz eines Betrages von S 37.779.67 auf. Es stellte im wesentlichen fest, daß die Rechnungslegung des am 6. 4. 1967 zum Zwangsverwalter bestellten und mit Wirkung vom 24. 4. 1969 seines Amtes enthobenen Siegfried R für die Zeit vom 1. 10. 1967 bis 24. 4. 1969 einen Abgang in Höhe von S 37.779.67 aufweist, zu dem es im wesentlichen deshalb kam, weil der Zwangsverwalter bei der von ihm Ende Oktober 1968 angestellten Lore D bereits anläßlich der ersten Kontrolle am 7. 12. 1968 einen Abgang von S 10.000.- (genau S 10.272.94), bei der zweiten Kontrolle am 7. 1. 1969 einen weiteren Abgang von S 15.000.- (richtig S 16.342.-) und bei der dritten und letzten Kontrolle am 24. 2. 1969 einen weiteren Abgang von "rund S 8000.-" (richtig S 11.164.73) feststellte, aber erst im Zusammenhang mit der letzten Kontrolle die fristlose Entlassung der Lore D aussprach. Dem Zwangsverwalter war bereits bei Einstellung der Lore D bekannt, daß es wegen mangelnder rechnerischer Kenntnisse zu Unstimmigkeiten hinsichtlich der Abrechnung kommen könne, allerdings erkundigte er sich vor der Einstellung dieser Angestellten beim Hauptgläubiger Volksbank B wobei er über Lore D und ihre Familie nichts Nachteiliges erfuhr.
Bei diesem Sachverhalt vertrat das Erstgericht die Ansicht, daß der Abgang von S 37.779.67 einem vom Zwangsverwalter durch verschuldete Mängel in seiner Geschäftsführung entstandenen "Ausfall an Erträgnissen" darstelle.
Mit dem angefochtenen Beschluß hob das Rekursgericht den Beschluß des Erstgerichtes infolge Rekurses des Zwangsverwalters unter Rechtskraftvorbehalt auf. Es pflichtete zwar der Auffassung des Erstgerichtes bei, daß der Zwangsverwalter selbst zur Führung der Verwaltung verpflichtet und für einen infolge schuldhafter Pflichtverletzung (§ 1299 ABGB) eingetretenen Schaden verantwortlich sowie daß zur diesbezüglichen Entscheidung das Exekutionsgericht - von Amts wegen und unter Ausschluß des ordentlichen Rechtsweges - berufen sei, erachtete jedoch zur Beurteilung der Verschuldensfrage eine weitere Klärung des Sachverhaltes für erforderlich, insbesondere in der Richtung, ob der vom Zwangsverwalter am 7. 12. 1968 festgestellte Abgang bereits auf eine Veruntreuung vereinnahmter Geldbeträge durch Lore D schließen lasse.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der verpflichteten Partei teilweise Folge und verpflichtete den seinerzeitigen Zwangsverwalter Siegfried R lediglich zum Ersatz eines Betrages von S 27.506.73.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Dem gegen den Beschluß des Rekursgerichtes ergriffenen Rekurs des Verpflichteten kommt teilweise Berechtigung zu.
Zunächst ist festzuhalten, daß nach der zutreffenden Ansicht der Vorinstanzen die etwaige Verpflichtung des Zwangsverwalters zum Schadenersatz durch das Exekutionsgericht nach amtswegiger Untersuchung auszusprechen ist (ebenso RZ 1970, 62 und die dort angeführte weitere Judikatur und Literatur). Desgleichen ist der Auffassung des Berufungsgerichtes beizutreten, daß für die Beurteilung des Verschuldens eines Zwangsverwalters die durch § 1299 ABGB normierten Grundsätze maßgebend sind (ebenso Petschek - Hämmerle - Ludwig 158 ua). Schließlich gingen die Vorinstanzen auch zutreffend davon aus, daß nicht erst abgewartet werden muß, ob sich die Forderung gegen Lore D als zur Gänze berechtigt und als einbringlich erweist (vgl hiezu SZ 39/186. ua).
Entscheidend ist daher, ob und in welchem Umfang dem seinerzeitigen Zwangsverwalter für den feststehenden Abgang von S 37.779.67 ein Verschulden angelastet werden kann.
Dies ist schon auf Grund des vom Erstgericht festgestellten Sachverhaltes verläßlich zu beurteilen, und zwar für den am 7. 12. 1968 festgestellten Abgang zu verneinen, für die nachfolgenden Abgänge hingegen zu bejahen:
Die Einstellung von Lore D als Angestellte erfolgte festgestelltermaßen in Kenntnis möglicher Unzukömmlichkeiten, andererseits aber auch nach Einholung von Erkündigungen, welche kein ungünstiges Bild ergaben. Da eine monatliche Abrechnung mit der im zwangsverwalteten Lokal angestellten Kellnerin früher "üblich" war und offenbar auch das Exekutionsgericht an diesem Vorgang früher nichts auszusetzen fand, kann in der Beibehaltung dieser Übung einschließlich der Verzögerung der ersten Prüfung um einige Tage (bis 7. 12. 1968) ein verschuldeter Mangel der Geschäftsführung des Zwangsverwalters nicht erblickt werden. Auch das Erstgericht warf dem Zwangsverwalter praktisch nur vor, daß er nach Feststellung eines Abganges von rund S 10.000.- am 7. 12. 1968 sofort dem Exekutionsgericht hätte berichten und für die Zukunft Maßnahmen zur Verhinderung weiterer Abgänge hätte ergreifen müssen. Derartige Maßnahmen hätten jedoch den bereits eingetretenen Abgang nicht mehr beeinflussen können, ferner besteht entgegen der Ansicht des Verpflichteten bei Erfüllung gesetzlicher Verbindlichkeiten grundsätzlich keine Haftung gemäß § 1313a ABGB (vgl EvBl 1965/256 ua; in der Entscheidung SZ 39/125 wurde selbst die Haftung eines Vormundes gemäß § 1315 ABGB abgelehnt). Für den vom Zwangsverwalter erstmals am 7. 12. 1968 festgestellten Abgang von richtig S
10.272.94 kann daher von einem Verschulden des Zwangsverwalters, das diesen ersatzpflichtig machen würde, nicht gesprochen werden.
Hingegen wurde der nach dem 7. 12. 1968 eingetretene Abgang eindeutig durch das Verschulden des Zwangsverwalters (mit-)verursacht. Angesichts des ihm schon vor Einstellung der Lore D bekannt gewordenen Hinweises auf deren Unverläßlichkeit war der Abgang in einer Größenordnung von S 10.000.-, namentlich bei Bedachtnahme auf das Verhältnis dieses Abganges zum Umsatz von rund S 50.000.- und zu einem Gesamtjahresertrag von nicht mehr als S 20.000.- (laut Verwalterrechnung IV S 335 ff betrugen die Ertragsüberschüsse in der Zeit vom 1. 10. 1967 bis 24. 4. 1969 insgesamt S 25.681.68) geradezu ein Alarmzeichen, welches den Zwangsverwalter nach den insoweit vollkommen zutreffenden Ausführungen des Erstgerichtes unbedingt zu irgendwelchen Maßnahmen hätte veranlassen müssen. Die Verantwortung des Zwangsverwalters, es kämen in seinem eigenen Betrieb öfter Abgänge zwischen S 2000.- und S 6000.- vor, bildet im Gegensatz zur Meinung des Rekursgerichtes keinen Anlaß zu weiteren Erhebungen, denn erstens liegen die vom Zwangsverwalter genannten Ziffern erheblich unter dem am 7. 12. 1968 zugegebenermaßen vom Zwangsverwalter selbst ermittelten Abgang von S 10.000.-, zweitens ist kaum anzunehmen, daß sich der Betrieb des Zwangsverwalters - Hotel X in B - umsatz- und ertragsziffernmäßig mit dem hier verwalteten Betrieb vergleichen läßt und drittens bestimmt sich das Maß der Diligenzpflicht eines Zwangsverwalters nach der Bestimmung des § 1299 ABGB und nicht nach allfälligen Gepflogenheiten bei der Besorgung eigener Geschäfte. Darüber hinaus kommt es entgegen der Ansicht des Rekursgerichtes auch nicht darauf an, ob bereits am 7. 12. 1968 genügend Anhaltspunkte für die Annahme einer Veruntreuung durch Lore D vorlagen, weil auch einem ohne Veruntreuung eingetretenen Abgang in der festgestellten Größenordnung durch Sofortmaßnahmen für die Zukunft hätte begegnet werden müssen. Da der Zwangsverwalter trotz Feststellung eines Abganges von S 10.000.- allein innerhalb des ersten Abrechnungszeitraumes festgestelltermaßen überhaupt nichts unternommen hat - was prompt zu einer Vergrößerung des Abganges in den Folgemonaten führte -, ist er für den nach dem 7. 12. 1968 eingetretenen Abgang in der Gesamthöhe von S 27.506.73 ersatzpflichtig.
Demzufolge war dem Rekurs teilweise stattzugeben und wie im Spruch zu entscheiden (zur Berechtigung, im Rekursverfahren an die Stelle einer aufhebenden Entscheidung sofort eine abändernde Entscheidung zu setzen, siehe SZ 39/32, JBl 1971, 138 ua).
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