OGH 5Ob174/66

OGH5Ob174/668.7.1966

SZ 39/125

Normen

ABGB §233
ABGB §264
ABGB §1295
ABGB §1311
ABGB §1315
ABGB §233
ABGB §264
ABGB §1295
ABGB §1311
ABGB §1315

 

Spruch:

Der Vormund haftet für anläßlich der Geschäftsführung vom Leiter des Betriebes der Minderjährigen vorgenommene Betrugshandlungen dem geschädigten Dritten weder nach §§ 233, 1311 ABGB. (Betrauung des Betriebsführers ohne vormundschaftsgerichtliche Genehmigung), noch nach § 1315 ABGB. (Verwendung eines "untüchtigen" Besorgungsgehilfen) noch allgemein wegen Eigenverschuldens gemäß § 1295 ABGB.

Entscheidung vom 8. Juli 1966, 5 Ob 174/66

I. Instanz: Kreisgericht Leoben; II. Instanz: Oberlandesgericht Graz

Text

Der Beklagte wurde vom Bezirksgericht B. am 15. Juli 1960 zum Vormund seiner beiden mj. Nichten Christa und Monika K. bestellt, nachdem deren Eltern am 12. Juli 1960 tödlich verunglückt waren. Am 21. Juli 1960 wurde vom gleichen Gerichte den beiden erbl. Kindern, vertreten durch den Beklagten als Vormund, die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses überlassen.

Der Beklagte beantragte beim Vormundschaftsgericht keine Bestellung eines Geschäftsführers für das zum Nachlaß gehörige Leder- und Häutegeschäft, sondern betraute seinen Neffen, Harald K. (einen Vetter der beiden Mundel) mit der Führung dieses Geschäftes. Harald K. übte diese Tätigkeit bis 15. Juni 1962 aus, an welchem Tage er und sein Vater Franz K. in gerichtliche Haft genommen wurden. Beide wurden vom Kreisgericht W. mit Urteil vom 10. Mai 1963 wegen Betruges, darunter auch wegen betrügerischer Ausstellung und Eskomptierung von drei Wechseln, die sie bei der klagenden Partei eingelöst hatten, rechtskräftig zu Kerkerstrafen verurteilt.

Die klagende Partei begehrt als Schadenersatz vom Beklagten die Bezahlung von je drei Viertel der Wechselsummen der genannten drei Wechsel, welche in den Monaten März, April und Mai 1962 ausgestellt worden waren, und der Protestkosten, zusammen einen Klagsbetrag von 78.544.44 S s. A., und zwar mit der Begründung, die Bestellung des Harald K. zum Geschäftsführer des Geschäftes durch den Beklagten sei ohne Zustimmung des Vormundschaftsgerichtes erfolgt; der Beklagte habe durch sein schuldhaftes Verhalten, insbesondere infolge mangelnder Überwachung der Tätigkeit des Harald K., der Klägerin die rechtliche Möglichkeit genommen, das erblasserische Unternehmen als Akzeptanten der drei Wechsel zur Haftung heranzuziehen. Der Beklagte hafte auch aus dem Gründe des § 1311 ABGB., weil er die Schutzvorschrift des § 233 ABGB. verletzt habe.

Das Erstgericht wies die Klage ab.

Das Berufungsgericht bestätigte.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Gegen die Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes, der Beklagte hafte gemäß § 1315 ABGB. deshalb nicht, weil er sich zur Besorgung seiner Geschäfte nicht einer "untüchtigen" Person bedient habe, führt die Revisionswerberin ins Treffen, Harald K. habe eine undurchsichtige Geschäftsgebarung gehabt, keine Bücher geführt und sich eigenmächtig das Gehalt verdoppelt; dies beweise die habituelle Unverläßlichkeit und Ungeeignetheit für den Vertrauensposten, den ihm der Beklagte übertragen habe.

Hiezu ist zu sagen:

§ 264 ABGB., der die Haftung des Vormundes regelt, betrifft nur dessen Schadenersatzpflicht gegenüber dem Mundel selbst, nicht aber gegenüber einer dritten Person. Im vorliegenden Fall aber belangt der durch den Angestellten des Mundelbetriebes Geschädigte den Vormund - der allerdings Harald K. als Angestellten eingesetzt und mit der Leitung des Betriebes betraut hat - auf Ersatz des Schadens, kann sich jedoch deshalb nicht auf die Bestimmung des § 1315 ABGB. berufen, weil Harald K. nicht bei Besorgung von Angelegenheiten des Beklagten, sondern der beiden Mundel tätig gewesen und strafbar geworden ist. Abgesehen davon, daß die Annahme des Berufungsgerichtes, Harald K. sei nicht als "untüchtige" Person im Sinne des § 1315 ABGB. anzusehen, zutreffend ist, bedarf es darüber schon im Hinblick auf die Tatsache, daß dieser nicht Besorgungsgehilfe des Beklagten persönlich war, keiner Erörterung. Denn der Beklagte hat sich des Harald K. nicht zur Besorgung seiner (des Beklagten) Angelegenheiten bedient. Eine Haftung des Beklagten nach § 1315 ABGB. kommt, abgesehen von seiner mangelnden Untüchtigkeit, also schon aus dem letztgenannten Gründe nicht in Betracht.

Bloß aus dem Umstand, daß der Beklagte seine Aufsichtspflicht als Vormund gegenüber seinem Neffen vernachlässigt habe, also aus dem Eigenverschulden des Beklagten, dessen Schadensersatzpflicht gegenüber der klagenden Partei ableiten zu wollen, wie dies die Klägerin in der Revision versucht, ermangelt einer gesetzlichen Grundlage. Auch § 1295 ABGB. bietet hiefür keine Handhabe. Ausgenommen die besonderen Fälle - z. B. jene des § 1327 ABGB. -, ist nur der unmittelbare durch eine rechtswidrige Handlung Verletzte, nicht aber auch ein mittelbar geschädigter Dritter ersatzberechtigt. Die Aufsichtspflicht des Vormundes betrifft das Verhältnis zwischen Vormund und Mundel, nicht aber zwischen dem Beklagten und der Klägerin. Letzterer gegenüber konnte der Beklagte eine Pflichtverletzung nicht begehen und nicht schuldhaft handeln. Wenn sich die Klägerin in weiterer Folge auf die Schutzvorschrift des § 233 ABGB. stützt, die der Beklagte deshalb verletzt haben soll, weil er seinen Neffen Harald K. ohne Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes zum tatsächlichen Geschäftsführer bestellt hat, und im Zusammenhang damit auf Grund des § 1311 ABGB. den Beklagten als Schädiger in Anspruch nimmt, so haben die Untergerichte bereits zutreffend diese Bestimmungen für unanwendbar erklärt, weil die Schutznorm allein im Interesse des Mundels, nicht aber dritter Personen geschaffen wurde. Die Vorschrift, die dem Vormund aufträgt, die Genehmigung der Bestellung eines Geschäftsführers für den Mundelbetrieb einzuholen, dient nicht dazu, Schäden, wie sie von der Klägerin behauptet werden, vorzubeugen, sondern dazu, eine ordentliche Verwaltung des Mundelvermögens zu gewährleisten und das Mundel vor Schaden zu bewahren.

Es erweist sich sohin die Rechtsrüge als unbegrundet, sodaß der Revision ein Erfolg zu versagen war.

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