OGH 5Ob26/94

OGH5Ob26/9422.2.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schwarz, Dr.Floßmann, Dr.Adamovic und Dr.Baumann als weitere Richter in der Grundbuchssache betreffend die Richtigstellung des Grundbuches im Zuge des zu Zl IIIb 2-ZH-193/348 beim Amt der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz anhängigen Zusammenlegungsverfahrens infolge Revisionsrekurses der von der Grundstückszusammenlegung betroffenen Buchberechtigten 1. Max K*****, Landwirt *****, ***** S***** Nr.149, 2.) Max und Georg W*****, Landwirte *****, ***** S***** Nr.25, 3.) Georg T*****, Landwirt *****, ***** S***** Nr.107, und 4.) Josef H*****, Landwirt *****, ***** S***** Nr.162, alle vertreten durch Dr.Erich Proksch und Dr.Richard Proksch, Rechtsanwälte in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck vom 9.April 1993, GZ 3 b R 143/92-4, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Zell am Ziller vom 9.September 1991, TZ 1315/1991-2, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Akten werden dem Erstgericht mit dem Auftrag zurückgestellt, die der vorläufigen Verbücherung des Zusammenlegungsplanes zugrundegelegten Behelfe durch die Beischaffung des Bescheides des Amtes der Tiroler Landesregierung über die Anordnung der vorläufigen Übernahme (bzw des Verhandlungsprotokolls) samt Nachweis der Vollstreckbarkeit zu ergänzen. Sollte im genannten Bescheid auf andere Urkunden, Pläne etc Bezug genommen werden, sind auch diese beizuschaffen.

Nach Erfüllung dieses Auftrages sind die Akten dem Obersten Gerichtshof im Wege des Rekursgerichtes unter Anschluß des R-Aktes wieder vorzulegen, wobei darauf zu achten sein wird, daß alle im Beschluß TZ 1315/1991 als Entscheidungsgrundlagen angeführten Urkunden, insbesondere der Zusammenlegungsplan vom 28.7.1988, der Besitzstandsausweis und der Abfindungsausweis (Änderungsausweis) vorhanden sind.

Text

Begründung

Mit Beschluß vom 9.9.1991 ordnete das Erstgericht aufgrund der ihm vom Amt der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz übermittelten Unterlagen die vorläufige Verbücherung des Zusammenlegungsplanes S***** im Grundbuch der Katastralgemeinden S*****, S*****, U*****, R*****, K*****, H*****, D***** und F***** an (siehe dazu im Detail die Seiten 1 bis 124 des erstgerichtlichen Beschlusses). Das Erstgericht folgte damit der Anregung der Agrarbehörde, nicht die Rechtskraft des Zusammenlegungsplanes abzuwarten, sondern gemäß § 84 Abs 3 TFLG vorzugehen, der im Fall der vorläufigen Übernahme die sofortige Richtigstellung des Grundbuches ermöglicht, wenn aus einem längeren Aufschub der Ausführung des Zusammenlegungs- oder Flurbereinigungsplanes erhebliche Nachteile erwachsen würden und eine wesentliche Abänderung des Planes auf Grund von Berufungen nicht zu erwarten ist.

Der Verbücherungsbeschluß stützt sich ausdrücklich auf den Zusammenlegungsplan des Amtes der Tiroler Landesregierung vom 28.7.1988 samt dazugehörigem Besitzstandsausweis und Abfindungsausweis (Änderungsausweis) mit zahlreichen planlichen Darstellungen; die Übersendungsnoten des Amtes der Tiroler Landesregierung vom 11.1.1990, 6.2.1990 und 15.2.1990 wiesen "Haupturkunde, Bescheid des Vermessungsamtes, Änderungsausweis, Pläne, Koordinatenverzeichnis, Mappenberichtigungen, Teilungen am Umfang, Grundstücksverzeichnis, Beschlußentwürfe" sowie einen die Berichtigung eines Zeichenfehlers betreffenden "Anmeldungsbogen" aus. Ein Bescheid, mit dem (am 18.12.1974) "die vorläufige Übernahme der neueingeteilten Feldflur des Zusammenlegungsgebietes Stumm angeordnet wurde", ist lediglich in der Haupturkunde unter "Gang des Verfahrens" erwähnt, eine Ausfertigung des Bescheides oder die Beurkundung seiner mündlichen Verkündung befindet sich jedoch nicht bei den Akten.

Das (ua) von den nunmehrigen Revisionsrekurswerbern angerufene Gericht zweiter Instanz bestätigte den Verbücherungsbeschluß. Aus den Gründen dieser Entscheidung ist lediglich hervorzuheben, daß das Rekursgericht in der Anfechtung des Zusammenlegungsplanes beim Obersten Agrarsenat und beim Verwaltungsgerichtshof keinen Anlaß fand, die Verbücherung der vorläufigen Ergebnisse des Zusammenlegungsverfahrens aufzuschieben. Es sei auch nicht Sache des Grundbuchsgerichtes, die in § 84 Abs 3 TFLG angeführten Voraussetzungen einer Richtigstellung des Grundbuches im Falle der vorläufigen Übernahme zu überprüfen, weil es allein im pflichtgemäßen Ermessen der Agrarbehörde bestehe, ob sie eine solche Richtigstellung veranlaßt. Einer Zustellung des Schreibens der Agrarbehörde, mit dem die Richtigstellung des Grundbuches eingeleitet wird, an die davon betroffenen Buchberechtigten bedürfe es nicht, weil es sich dabei um keinen Antrag handle; die Richtigstellung des Grundbuches sei vielmehr aufgrund der von der Agrarbehörde zur Verfügung gestellten Unterlagen von Amts wegen anzuordnen.

Die Entscheidung des Rekursgerichtes enthält den Ausspruch, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes insgesamt S 50.000,- übersteigt, der ordentliche Revisionsrekurs mangels der Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG iVm § 126 Abs 2 GBG jedoch nicht zulässig sei.

Im nunmehr vorliegenden Revisionsrekurs machen die Rechtsmittelwerber ua geltend, daß die Richtigstellung des Grundbuches nach § 84 Abs 3 TFLG - was vom Obersten Gerichtshof mangels einschlägiger Judikatur noch zu klären wäre - nur aufgrund eines rechtskräftigen, den betroffenen Grundeigentümern zugestellten Bescheides über die Anordnung der vorläufigen Übernahme veranlaßt werden könne. Einen derartigen Bescheid hätten sie aber nie erhalten. Zumindest das hätte das Grundbuchsgericht überprüfen und zum Anlaß einer Ablehnung der Grundbuchsberichtigung nehmen müssen, weil Eigentumsveränderungen aufgrund öffentlicher Urkunden nur nach Maßgabe des § 33 Abs 1 lit d GBG zulässig seien. Der Revisionsrekursantrag geht dahin, den angefochtenen Beschluß aufzuheben bzw dergestalt abzuändern, daß die Anträge des Amtes der Tiroler Landesregierung abgewiesen und daher die begehrten Eintragungen nicht bewilligt werden.

Der Revisionsrekurs ist zulässig und zeigt auch Mängel der Entscheidungsgrundlagen auf; wegen des amtswegigen Charakters einer Grundbuchsberichtigung nach § 84 Abs 3 TFLG ist jedoch vorerst eine Behebung der Mängel zu versuchen.

Rechtliche Beurteilung

Wie bereits erwähnt, ermöglicht § 84 Abs 3 TFLG die Richtigstellung des Grundbuches unter Vorwegnahme der Ergebnisse eines noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen Zusammenlegungsverfahrens "im Falle der vorläufigen Übernahme". Diese vorläufige Übernahme, die sich nach § 24 Abs 2 TFLG auch auf Teile des Zusammenlegungsgebietes beschränken kann, führt kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung in § 24 Abs 3 leg cit (vgl § 11 Abs 2 FlVfGG idF BGBl 78/1967) zum auflösend (nämlich durch nachträgliche rechtskräftige bescheidmäßige Zuweisung eines Abfindungsgrundstückes an eine andere Partei) bedingten außerbücherlichen Eigentumserwerb (237 BlgNR 11.GP, 16; SZ 55/171; Lang, Tiroler Agrarrecht I, 77), sodaß das Grundbuch die wirkliche Rechtslage nicht richtig wiedergibt.

Ein solcher Fall führt normalerweise zur Berichtigung des Grundbuches auf Ansuchen der Beteiligten (§ 136 GBG). Es müssen dabei nicht die sonst für eine Grundbuchseintragung geforderten Voraussetzungen erfüllt sein, wenn die Unrichtigkeit offenkundig oder durch öffentliche Urkunden nachgewiesen ist.

Für die Richtigstellung des Grundbuches nach agrarischen Operationen, die an sich dem § 136 GBG zu unterstellen wäre, besteht nun eine Besonderheit darin, daß sie von Amts wegen vorzunehmen ist (§ 47 Abs 2 FlVfGG; die Ausführungsgesetze der Länder - so auch § 84 Abs 2 TFLG - folgen dieser Vorschrift). Anträge der Beteiligten - auch der Agrarbehörde - haben daher in solchen Verfahren nur die Bedeutung von Anregungen (EvBl 1957/116; SZ 30/41; RPflSlgG 208; RPflSlgG 245 ua, zuletzt 5 Ob 68/93). Ausdrücklich im Gesetz ausgesprochen findet sich dieser Grundsatz zwar nur für die Verbücherung der Ergebnisse rechtskräftig abgeschlossener Agrarverfahren (so zB in § 84 Abs 1 und 2 TFLG), doch spricht die Ermächtigung der Agrarbehörde, die Verbücherung der Rechtsänderungen nach einer vorläufigen Übernahme "veranlassen" zu können, dafür, daß es der Gesetzgeber auch hier bei einer bloßen Anregung belassen wollte, die ein amtswegiges Berichtigungsverfahren auslöst. § 136 GBG ist daher in allen Fällen einer Grundbuchsberichtigung im Zuge agrarischer Operationen mit der Maßgabe anzuwenden, daß es keines förmlichen Ansuchens der Agrarbehörde bedarf; das Grundbuchsgericht hat sich allenfalls fehlende Eintragungsunterlagen von Amts wegen zu beschaffen (vgl SZ 35/60).

Das ändert jedoch nichts daran, daß die im Zuge agrarischer Operationen außerbücherlich eingetretenen Rechtsänderungen nur dann zur Berichtigung des Grundbuches führen können, wenn sie offenkundig oder durch öffentliche Urkunden nachgewiesen sind. Im konkreten Fall bedarf es daher des Nachweises, daß alle vom Amt der Tiroler Landesregierung angeregten Grundbuchseintragungen durch die Anordnung der vorläufigen Übernahme und die dadurch eingetretenen Rechtsänderungen gedeckt sind. Sie ist unverzichtbare Eintragungsgrundlage für die Berichtigung des Grundbuches, weil sie die Rechtsänderungen unmittelbar herbeigeführt hat und sich folglich auch nur aus ihr die neuen Rechtsverhältnisse ergeben.

Die Anordnung der vorläufigen Übernahme (hier auf der Basis des § 24 TFLG) ist ein Bescheid (Anhammer, Das Verfahren der Grundstückszusammenlegung3, 38; vgl auch VfSlg 9500), der seit Aufhebung der Anfechtungsbeschränkungen in § 11 Abs 3 FlVfGG (durch Art I Punkt 3 des BGBl 301/1976) und § 23 Abs 5 TFLG idF LGBl Tirol 34/1969 (durch die Novelle LGBl Tirol 92/1976) auch mit Berufung angefochten werden kann. Ein solcher Bescheid erlangt erst mit der Erlassung gegenüber einer Partei rechtliche Existenz (vgl VwGH in ecolex 1994, 64 mit Anmerkung von Schmelz). Seine Rechtswirkungen treten nur gegenüber jenen Personen ein, an die der Bescheid zugestellt oder verkündet wurde (Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts5, Rz 431 mwN), wozu im Agrarverfahren noch die (allerdings kaum praktikable: Anhammer aaO) Möglichkeit der Auflage zur Einsichtnahme kommt. Vorher kann das Eigentum an den Abfindungsgrundstücken auf die Übernehmer gar nicht übergehen (Anhammer aaO).

Um beurteilen zu können, ob außerbücherliche Rechtsänderungen eingetreten sind, die zu einer Berichtigung des Grundbuches iSd § 136 GBG Anlaß geben können, hat sich daher das Grundbuchsgericht den die Anordnung der vorläufigen Übernahme aussprechenden Bescheid und jene Unterlagen vorlegen zu lassen, aus denen sich die rechtliche Wirksamkeit des Bescheides gegenüber den von den Rechtsänderungen betroffenen Parteien ergibt. Auf die Überprüfung der Zustellung bzw Verkündung des Bescheides kann das Grundbuchsgericht nur dann verzichten, wenn der als Eintragungsgrundlage für die beabsichtigte Grundbuchsberichtigung zur Verfügung stehende Bescheid den Anforderungen genügt, die § 33 Abs 1 lit d iVm § 136 Abs 1 GBG an eine verbücherungsfähige öffentliche Urkunde stellt. Dazu bedarf es einer Bestätigung der Vollstreckbarkeit, also iSd § 1 Z 10 EO einer Beurkundung, daß die Entscheidung der Verwaltungsbehörde einem die Exekution hemmenden Rechtszug nicht mehr unterworfen ist. Fehlt sie, hat sich das Grundbuchsgericht im amtswegigen Berichtigungsverfahren nach § 84 TFLG selbst Gewißheit über die Rechtswirksamkeit und Vollstreckbarkeit des die vorläufige Übernahme anordnenden Bescheides der Agrarbehörde zu verschaffen.

Im hier zu beurteilenden Fall fehlen entsprechende Entscheidungsgrundlagen. Das kann allerdings nicht zur sofortigen Aufhebung der Beschlüsse der Vorinstanzen führen, weil in Wahrnehmung der Amtspflichten, die den Gerichten durch § 47 Abs 2 FlVfGG und § 84 Abs 2 TFLG auferlegt sind, zunächst eine Behebung des Mangels zu versuchen ist.

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

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