OGH 7Ob616/93

OGH7Ob616/932.2.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Außerstreitsache der Antragsteller 1. Georg E*****, und 2. Maria L*****, beide vertreten durch Dr.Hans Peter Neher, Rechtsanwalt in Bad Ischl, wider die Antragsgegner 1. Johann P*****, und 2. Walburga P*****, beide vertreten durch Dr.Peter Pfarl, Rechtsanwalt in Bad Ischl, wegen Einräumung eines Notweges, infolge Revisionsrekurses der Antragsgegner gegen den Beschluß des Landesgerichtes Salzburg als Rekursgerichtes vom 16.September 1993, GZ 22 R 394/93-20, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes St.Gilgen vom 7.Juli 1993, GZ Nc 23/92-16, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Antragsteller sind zur ungeteilten Hand schuldig, den Antragsgegnern die mit S 8.592,58 (darin S 1.432,10 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Erstantragsteller ist Eigentümer der EZ 180 mit dem Grundstück 108, die Zweitantragstellerin ist Eigentümerin der benachbarten EZ 250 mit dem Grundstück 106/2, beide Grundbuch 56106 R*****, Gerichtsbezirk St.G*****. Beide Grundstücke grenzen im Südosten an einen maximal nur 1 m breiten und 75 m langen Grundstreifen der beiden Antragsgegner, und zwar die Parzellen 319/2 und 319/6, beide in der EZ 9 des gleichen Grundbuches. Dieser schmale Grundstreifen der Antragsgegner trennt die Grundstücke der Antragsteller von der Gemeindestraße mit der Grundstücksnummer 319/1. Nur beim Punkt 57 berührt das Grundstück 319/1 punktförmig die Gemeindestraße. Den Antragstellern steht nur die Zufahrt zur landwirtschaftlichen Nutzung über den Grundstreifen der Antragsgegner zu. Die Antragsteller haben ihre Grundstücke aufgrund von Übergabsverträgen aus dem Jahre 1972 von ihrer Großmutter erworben. Die Gemeindestraße (das Grundstück 319/1 wurde 1979 von den Antragsgegnern abgekauft) ist asphaltiert und ca. 3 bis 3,5 m breit. Sie führt zu landwirtschaftlichen Anwesen und Wohnhäusern in der Umgebung der Grundstücke der Streitteile und endet rund 100 m nördlich davon in einem Umkehrplatz. Der Ortskanal sowie die Wasser- und Stromanschlüsse sind bereits in der Straße verlegt. Die Nordteile der Grundstücke der Antragsteller können über einen alten zum Schafberg führenden landwirtschaftlichen Weg über fremden Grund (ohne Rechtstitel) erreicht werden. Dieser Weg führt zweimal über mit Prügeln belegte Holzbrücken und schließt nur den unterhalb einer Geländestufe liegenden Teil dieser Grundstücke auf. Die Aufschließung der Grundstücke der Antragsteller über den Grundstreifen der Antragsgegner ist einfach und kostengünstig. Die durch einen Notweg zu belastende Liegenschaft 319/2 wird dadurch nicht beeinträchtigt, weil dieser schmale Streifen von den Antragsgegnern weder bewirtschaftet noch benützt wird. Der durch den Notweg in Anspruch genommene Grundstreifenteil hat nur einen minimalen Wert, der von den Antragstellern gebotene Entschädigungsbetrag von S 300.000,-- stellt für die wenigen belasteten Quadratmeter einen ausgesprochenen Liebhaberpreis dar. Durch die Abrundung des Einbiegebereiches und die Schaffung einer Umkehrmöglichkeit auf den Grundstücken der Antragsteller können Gefahrenmomente beim Einbiegevorgang ausgeschaltet werden.

Die Antragsteller begehren für ihre Liegenschaften unter Anbot einer Entschädigungsleistung von S 30.000,-- die Einräumung eines Notweges über den Grundstreifen der Antragsgegner zur Gemeindestraße hin in Form eines Geh- und Fahrrechtes unter Herstellung einer ortsüblichen Wegeanlage. Der durch den beantragten Notweg zu belastende Grundstreifen werde von den Antragsgegnern nicht bewirtschaftet, dennoch hätten sie die Einräumung einer Servitut gegen entsprechendes Entgelt abgelehnt. Für die Antragsteller stelle diese Form die kostengünstigste Möglichkeit dar, einen Zugang zum öffentlichen Gut zu bekommen.

Die Antragsgegner sprachen sich gegen die Einräumung eines Notweges aus. Die Grundstücke der Antragsteller seien nur Bauerwartungsland und könnten nicht zum Bauland erklärt werden, weil ihnen ein Zugang zum öffentlichen Gut fehle. Sie seien somit nur landwirtschaftlich zu nützen, wofür aber eine ausreichende Zufahrtsmöglichkeit bestehe. Die Gemeindestraße auf der Parzelle 319/1 sei so schmal, daß sie nicht den gesetzlichen Erfordernissen einer Aufschließungsstraße genüge. Kämen die auf den Grundstücken der Antragsteller zu bildenden vier Bauparzellen zu den durch die Gemeindestraße schon erschlossenen Parzellen noch hinzu, so müsse diese Straße zu Lasten des Grundes der Antragsgegner verbreitert werden, was für sie einen weiteren Nachteil bedeute.

Das Erstgericht gab dem Begehren der Antragsteller statt und bestimmte die Entschädigungsleistung der Antragsteller an die Antragsgegner mit S 30.000,--. Bei den Grundstücken der Antragsteller handle es sich nach dem Flächenwidmungsplan der Gemeinde St.G***** um Wohnbauaufschließungsgebiete, denen zur Qualifikation als Bauland nur ein Zugang zum öffentlichen Gut fehle. Die Zufahrtsmöglichkeit von Nordwesten her sei unzulänglich. Es bestehe daher ein zu berücksichtigender Wegbedarf. Die Antragsteller hätten ihre Grundstücke von ihrer Großmutter (vor Errichtung der Gemeindestraße) erworben, die Antragsteller treffe keine auffallende Sorglosigkeit am fehlenden Zugang zum öffentlichen Gut. Durch die Einräumung einer Zufahrt erwachse den Antragsgegnern, die den damit zu belastenden Grundteil ohnedies nicht benützten, kein Nachteil.

Das Rekursgericht bestätigte mit der angefochtenen Entscheidung diesen Beschluß, es bewertete den Streitgegenstand als mit S 50.000,-- übersteigend und erklärte den Revisionsrekurs für zulässig. Es folgerte rechtlich, Wohnbauaufschließungsgebiete seien nach der Salzburger Raumordnung als Bauland, dem es noch an der erforderlichen Aufschließung mangle, zu qualifizieren. Aus dem Gesetzeswortlaut gehe hervor, daß es bei der Einräumung eines Notweges nicht auf den Nachteil der Antragsgegner, sondern nur auf den Nachteil der durch den Notweg belasteten Liegenschaft ankomme. Eine allfällige Erhöhung der Verkehrsfrequenz auf der Zufahrtsstraße, bzw. deren Verbreiterung (zu Lasten anderer Gründe der Antragsgegner) falle daher bei der Beurteilung nicht ins Gewicht.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung von den Antragsgegnern erhobene Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Nach ständiger Rechtsprechung ist jede nach den öffentlich-rechtlichen Vorschriften zulässige Bewirtschaftungsart - demnach auch eine solche zu Bauzwecken (vgl. EvBl. 1965/106 mwN) - unter den Begriff der ordentlichen Bewirtschaftung oder Benutzung im Sinne des § 1 NWG zu subsumieren (vgl. 1 Ob 508/90 mwN). Auch eine Widmungsänderung, soferne sie nur nicht dem öffentlichen Recht widerspricht, kann grundsätzlich die Einräumung eines Notweges rechtfertigen (vgl. 8 Ob 504/93 und 6 Ob 578/92 mwN). Unbestritten ist, daß die Grundstücke der Antragsteller laut Flächenwidmungsplan der Gemeinde St.G***** im Baulandaufschließungsgebiet liegen. Der Begriff "Bauland" wird im § 17 des Salzburger Raumordnungsgesetzes 1992 (LGBl. 98/1992 idF des LGBl. 48/1993) definiert. Nach Abs.6 lit.c leg. cit. dürfen Flächen, die für öffentliche Einrichtungen des Verkehrs, der Energie- und der Wasserversorgung, der Abwasser- oder der Abfallbeseitigung oder der Entwässerung unwirtschaftliche Aufwendungen für die Erschließung erforderlich machen würden oder nicht in absehbarer Zeit mit diesen Einrichtungen erschlossen werden können, nicht als Bauland ausgewiesen werden. Nach Abs.8 leg. cit. dieser Bestimmung können aber Flächen innerhalb des Baulandes, deren widmungsgemäßer Verwendung öffentliche Rücksichten wegen mangelnder oder ungenügender Erschließung zur Zeit entgegenstehen, als Aufschließungsgebiete gekennzeichnet werden. Das gleiche gilt für Flächen gemäß Abs.6, wenn bereits mit ausreichender Wahrscheinlichkeit feststeht, daß der der Baulandausweisung an sich entgegenstehende Umstand durch Maßnahmen nachweislich behebbar ist und in absehbarer Zeit wegfallen wird. Die Grundstücke der Antragsteller wurden daher nach deren Erwerb durch Umwidmung in das Bauland einbezogen, erfüllen aber noch nicht die Aufschließungserfordernisse; dennoch bedarf es keines weiteren Widmungsaktes, weil ihrer Bebaubarkeit nur die fehlende Zufahrt und damit die im § 17 Abs.6 lit c des Salzburger Raumordnungsgesetzes geforderte Erschließung entgegensteht. In diesem Sinne sind die Grundstücke der Antragsteller notleidend, weil der Bedarf nach einem Notweg nicht nach der derzeitigen Nutzung, sondern nach der Widmung zu beurteilen ist (vgl. EvBl. 1965/106).

Zutreffend hat das Rekursgericht erkannt, daß bei einer Prüfung nach § 2 Abs.1 NWG nur die Nachteile der Liegenschaft zu berücksichtigen sind, die mit dem Notweg belastet wird. Daß unter Liegenschaft unter Umständen auch eine wirtschaftliche Einheit mehrerer Parzellen zu verstehen ist und es daher im speziell gelagerten Einzelfall nicht immer auf den Nachteil der Einzelparzelle ankommt, über die der Notweg geführt wird, so zB wenn die gemeinsame Bewirtschaftung mehrerer Parzellen durch einen Notweg unmöglich gemacht oder erschwert wird, muß hier nicht geprüft werden, weil feststeht, daß den Antragsgegnern auf dem gegenständlichen Grundstreifen durch die Einräumung eines Notweges so gut wie kein Nachteil erwächst. Die hypothetischen Folgerungen der Antragsgegner über eine drohende zu ihren Lasten gehende Verbreiterung der Zufahrtsstraße 319/1 könnte allenfalls andere mit den gegenständlichen Grundstücken in keinem Zusammenhang stehende Liegenschaften treffen. Vor allem steht aber nicht fest, ob überhaupt, wann und dann wie die Gemeinde St.G***** von der ihr zustehenden Enteignungsmöglichkeit Gebrauch macht. Die im Verfahren vor den Vorinstanzen ins Treffen geführte höhere Verkehrsbelastung auf der Zufahrtsstraße stellt, da auch nach den Angaben der Antragsgegner insgesamt sich nicht mehr als 10 Anlieger ergeben, allein schon nach der Lebenserfahrung keinen im Sinne des § 2 Abs.1 NWG zu berücksichtigender Nachteil dar. Dem Revisionsrekurs der Antragsgegner war daher ein Erfolg zu versagen.

Nach § 25 NWG trägt grundsätzlich der Antragsteller die Kosten des Verfahrens.

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