OGH 8Ob504/93

OGH8Ob504/9315.7.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Gunther Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Edgar Huber, Dr.Birgit Jelinek, Dr.Ronald Rohrer und Dr.Ilse Huber als weitere Richter in der Außerstreitsache der Antragsteller 1. S***** R*****, und 2. P***** M*****, beide vertreten durch Dr.Hans Jörg Czinglar, Rechtsanwalt in Schruns, wider den Antragsgegner P***** T*****, vertreten durch Dr.Clement Achammer, Rechtsanwalt in Feldkirch, wegen Einräumung eines Notweges, infolge Revisionsrekurses der Antragsteller gegen den Beschluß des Landesgerichtes Feldkirch als Rekursgerichtes vom 14.Oktober 1992, GZ 1 b R 210/92-26, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Montafon vom 25.August 1992, GZ Nc 16/92-20, bestätigt wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Antragsteller haben die Kosten ihres erfolglosen Rekurses selbst zu tragen.

Text

Begründung

Der Erstantragsteller ist Eigentümer eines im Flächenwidmungsplan derzeit als Bauerwartungsfläche, die Zweitantragstellerin ist Eigentümerin eines dort als Freifläche-Landwirtschaftsgebiet gewidmeten Grundstücks; beide Liegenschaften werden derzeit landwirtschaftlich genutzt.

Die Antragsteller beantragten bereits 1986 und 1988 bzw 1989 vergeblich die Umwidmung ihrer Grundstücke in Bauland; die Gemeinde teilte ihnen mit, daß ein Umwidmungsverfahren vor Vorliegen einer 3 m breiten Zufahrt nicht ins Auge gefaßt werden könne. Nach der Mitteilung des Gemeindeamtes vom 18.5.1992 wurde die Durchführung des die Umwidmung der Grundstücke betreffenden Ermittlungsverfahrens im Einvernehmen mit den betreffenden Parteien "ruhend gestellt"; eine Befassung der Gemeindevertretung sei vorerst nicht vorgesehen, da sich gegenüber der Ablehnung der Umwidmung in den vergangenen Jahren keine Änderung der Aktenlage ergeben habe. Zudem habe die Gemeinde in der Zwischenzeit in Zusammenarbeit mit einem Raumplanungsbüro einen sogenannten Gemeindeentwicklungsplan erstellt, über den allerdings in den gemeindeeigenen Gremien noch nicht Beschluß gefaßt worden sei und

danach sei vorgesehen, daß die Grundstücke der Antragsteller nicht zu bebauen seien.

Die Antragsteller begehren vom Antragsgegner die Einräumung eines Notweges in einer Breite von 0,5 m entlang einer Wegparzelle, die derzeit nur eine durchschnittliche Breite von 2,5 m hat. Sie hätten bei der Gemeinde die Umwidmung ihrer Grundstücke in Bauland angeregt, aber die Gemeinde habe dies vom Nachweis einer Zufahrt in einer Breite von 3 m abhängig gemacht. Sie beabsichtigten, die Grundstücke wie aus dem vorgelegten Projekt ersichtlich zu bebauen.

Die Antragsgegner sprachen sich gegen die Einräumung eines Notweges aus.

Das Erstgericht wies den Antrag ab.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluß, sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und ließ den Revisionsrekurs zu, weil oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, "ob eine noch nicht durchgeführte Umwidmung beachtlich sei bzw unter welchen Umständen diese bei der Beurteilung der Einräumung eines Notweges zugrunde zu legen sei". Bei der in § 1 NWG vorgesehenen ordentlichen Bewirtschaftung oder Benützung der Liegenschaft komme es nicht auf die derzeitige Nutzung, sondern auf die jeweilige Widmung an. Nach der derzeitigen Widmung sei die Bebauung nicht zulässig. Die Gemeinde vertrete die Ansicht, daß eine Umwidmung ohne entsprechende Zufahrt im Ausmaß von mindestens 3 m Breite jedenfalls nicht zu erfolgen habe. Es wäre aber unbillig, daß sich die Antragsteller jedenfalls mit der derzeitigen Widmung abfinden müßten, wenn ihnen eine privatrechtliche Regelung hinsichtlich der geforderten Voraussetzung (3 m breiter Weg) nicht gelinge. Es sei aber im Hinblick auf die von der oberstgerichtlichen Rechtsprechung stets geforderte einschränkende Auslegung zu verlangen, daß nicht nur Anhaltspunkte für eine Umwidmung und Bebauung vorliegen müssen, sondern daß mit großer Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden könne, daß in kurzer Zeit zumindest eine Umwidmung stattfinde. Wenn nicht konkret mit einer solchen und somit mit einer Änderung der Bewirtschaftung und Benützung der Liegenschaft in naher Zukunft zu rechnen sei, sei die Einräumung eines Notwegerechtes unzulässig. In einem solchen Fall könne nämlich nicht davon ausgegangen werden, daß die Bedürfnisse der Liegenschaft die Einräumung eines Notweges erforderten. Eine Umwidmung der Liegenschaften in Bauland sei im vorliegenden Fall sehr zweifelhaft, einerseits weil nicht einmal ein entsprechendes Ermittlungsverfahren eingeleitet worden sei, andererseits weil der Gemeindeentwicklungsplan vorsehe, daß die Grundstücke nicht bebaut werden sollten. In einem solchen Fall sei der Antrag jedenfalls abzuweisen, ohne daß geprüft werden müsse, ob konkrete Bauabsichten in einer bestimmten Form bestünden.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der Rekurs der Antragsteller mit dem Antrag, die Beschlüsse der Vorinstanzen aufzuheben und dem Erstgericht die weitere Durchführung des Notwegeverfahrens durch Beiziehung der vorgesehenen Sachverständigen aufzutragen.

Der Antragsgegner hat keine Rekursbeantwortung erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig, er ist aber nicht berechtigt.

Die Frage, ob zur ordentlichen Bewirtschaftung und Benutzung der Liegenschaft ein Notweg erforderlich ist, kann nicht nach ihrer derzeitigen faktischen Nutzung, sondern nur nach ihrer öffentlich-rechtlichen Widmung, zB als Baugrund (EvBl 1965/106 uva), beurteilt werden. Fehlt es an einer entsprechenden Widmung, kann auch eine angestrebte Widmungsänderung, zB eines landwirtschaftlichen Grundstücks für den Hausbau, die Einräumung eines Notweges rechtfertigen, sofern die angestrebte Widmungsänderung nicht dem öffentlichen Recht widerspricht (Petrasch in Rummel I2 Rz 6 zu § 480 mwN; 1 Ob 508/90). Die Einräumung eines Notweges ist aber jedenfalls dann unzulässig, wenn der Mangel der Wegverbindung selbst verschuldet ist (Petrasch aaO Rz 8 mwN), wofür hier allerdings keine hinreichenden Anhaltspunkte vorliegen. Zur Frage, unter welchen näheren Voraussetzungen eine gegebenenfalls zu erwartende Umwidmung bereits die Einräumung eines Notweges rechtfertigt, fehlt oberstgerichtliche Rechtsprechung. Im Hinblick auf die gebotene einschränkende Auslegung der Bestimmungen des NWG (RZ 1989, 120 uva) teilt der Oberste Gerichtshof die Ansicht des Rekursgerichtes, daß nicht jede potentiell mögliche Umwidmung ausreichet; vielmehr ist erforderlich, daß konkret mit einer Umwidmung in naher Zukunft zu rechnen ist.

Dies ist im vorliegenden Fall zu verneinen: Die Gemeinde hat bereits mehrfach Umwidmungsanträge der Antragsteller abgelehnt und erst kürzlich deutlich zum Ausdruck gebracht, daß keine Änderung der Sachlage zugunsten, sondern eher zum Nachteil der Antragsteller dadurch eingetreten ist, daß der "Gemeindeentwicklungsplan" die Nichtbebauung der Grundstücke der Antragsteller vorsieht.

In einem solchen Fall der Unwahrscheinlichkeit der Umwidmung in naher Zukunft ist der Antrag abzuweisen, ohne daß die übrigen Voraussetzungen für die Einräumung eines Notweges noch geprüft werden

müßten (vgl auch die nach § 16 AußStrG aF ergangene E 1 Ob 653/88, die Einräumung eines Notweges an derselben Örtlichkeit betreffend).

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 40, 50 ZPO.

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