Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung
Der Erstantragsteller ist Eigentümer der Liegenschaft EZ 273 KG Tschagguns, zu deren Gutsbestand unter anderem die Grundstücke 2173 und 2177/3 gehören, die Zweitantragstellerin ist Eigentümerin der Liegenschaft EZ 1146 KG Tschagguns unter anderem mit dem Grundstück 2169. Die Antragsgegnerin ist Eigentümerin der Liegenschaft EZ 1280 unter anderem mit dem Grundstück 2170/1. Nach dem Flächenwidmungsplan der Gemeinde Tschagguns liegt das Grundstück 2173 im Bauerwartungsland, die Grundstücke 2169 und 2170/1 liegen im Freifläche-Landwirtschaftsgebiet. Die Liegenschaft der Antragsgegnerin ist über die Grundstücke 2177/3 und 3323 mit dem öffentlichen Wegenetz (Zelfenstraße) verbunden.
Die Antragsteller begehren die Einräumung eines Notweges über das Grundstück 2170/1 in einer Breite von 0,5 m entlang der Grundstücke 2177/3 und 3323 dergestalt, daß den Antragstellern an diesem Grundstreifen das Eigentum, hilfsweise die Dienstbarkeit des Geh- und Fahrtrechtes eingeräumt werde. Die bestehenden Zufahrtswege hätten eine durchschnittliche Breite von 2,5 m; die Gemeindevertretung von Tschagguns widme die genannten Grundstücke der Antragsteller jedoch nur dann in Bauland um, wenn die Zufahrt zumindest 3 m breit sei.
Die Antragsgegnerin beantragte die Zurückweisung bzw. die Abweisung des Antrages. Beim Erwerb der Liegenschaften durch die Antragsteller sei der Weg in der gegebenen Breite bereits vorhanden gewesen. Die Flächenwidmung und das Ausmaß der Grundstücke seien seither nicht geändert worden. Es fehlten schon deshalb die Voraussetzungen für die Einräumung eines Notweges. Überdies falle den Antragstellern auffallende Sorglosigkeit zur Last, hätten sie doch beim Liegenschaftserwerb die Zufahrtsmöglichkeiten und die Flächenwidmung genau gekannt. Es bestehe auch kein zwingender Bedarf an der Umwidmung und der Verbauung der Grundstücke. Einziger Zweck der angestrebten Umwidmung sei die Aufwertung der Grundstücke; dieser Zweck rechtfertige jedoch nicht die Einräumung des begehrten Notweges.
Das Erstgericht wies die Anträge ab. Es stellte auf Grund einer nach der Tagsatzung zur Verhandlung eingeholten Auskunft der Gemeinde Tschagguns fest, die derzeitige Widmung der vom Verfahren betroffenen Grundstücke der Parteien bestehe seit Anlegung des von der Vorarlberger Landesregierung am 31. Juli 1979 genehmigten Flächenwidmungsplanes der Gemeinde Tschagguns. Siegfried R*** (im erstinstanzlichen Verfahren Zweitantragsteller) habe die Umwidmung der Grundstücke 2173, 2168/1 und 2169 beantragt, jedoch für die nicht ihm gehörigen Grundstücke keine Vollmacht ihrer Eigentümer beigebracht. Die Gemeinde Tschagguns mache eine allfällige Umwidmung der Grundstücke in Baufläche-Wohngebiet von der gesicherten Zufahrt in einer Mindestbreite von 3 m und wenigstens einer Ausweichmöglichkeit in der Mitte der Wegstrecke abhängig. Umwidmungsbeschlüsse der Gemeindevertretung müßten von der Raumplanungsstelle im Amt der Vorarlberger Landesregierung genehmigt werden.
Rechtlich meinte das Erstgericht, die beiden Antragsgegner hätten bisher keinen wirksamen Antrag auf Umwidmung ihrer Grundstücke in Bauland gestellt. Ein solcher Antrag sei jedoch zur Rechtfertigung der Anträge auf Einräumung eines Notweges erforderlich, weshalb die Anträge abzuweisen seien. Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluß. Daß das Erstgericht die Auskunft der Gemeinde Tschagguns vom 7. Juni 1988 (ON 10) nicht mit den Parteien erörtert habe, ziehe weder die Nichtigkeit der Entscheidung noch die Mangelhaftigkeit des Verfahrens erster Instanz nach sich. Auch im Verfahren außer Streitsachen könne die mündliche Verhandlug bereits geschlossen werden, wenn nur mehr die Auskunft einer Behörde ausständig sei. Die Erörterung dieser Auskunft sei entbehrlich gewesen; die Antragsteller hätten im Rekurs auch nicht aufgezeigt, inwieweit eine solche Erörterung zu anderen Verfahrensergebnissen hätte führen können. Im übrigen komme es auf die Frage, ob und inwieweit Umwidmungsanträge gestellt worden seien, gar nicht an. Der Erstantragsteller bedürfe des begehrten Notweges nicht, weil er das Grundstück 2177/3 (Weg) ohnedies durch die Heranziehung seines Grundstückes 2173 verbreitern könne. Das Grundstück 2169 der Zweitantragstellerin liege derzeit im Freifläche-Landwirtschaftsgebiet. Sie habe in erster Instanz nicht behauptet, daß sie sich mit konkreten Bauabsichten trage. Eine solche Behauptung wäre aber für die Beurteilung der Frage notwendig, ob die Einräumung des Notweges die regelmäßige Bewirtschaftung oder Benützung der zu belastenden Liegenschaft der Antragsgegnerin zumindest erheblich beeinträchtige. Treffe dies zu, müsse der Antrag schon deshalb abgewiesen werden. Außerdem sei die konkrete Bauabsicht auch für die Entschädigungshöhe von Bedeutung. Allein daß der Eigentümer bei der Gemeinde einen Antrag auf Umwidmung gestellt habe, reiche ohne die Behauptung konkreter Bauabsichten für die Einräumung eines Notweges nicht aus. Diese Erwägung gelte im übrigen auch für den Erstantragsteller. Die Notwendigkeit der Feststellung der Bauabsicht der Antragsteller folge auch daraus, daß nur auf diese Weise gewährleistet sei, in Hinkunft auf geänderte Verhältnisse Bedacht nehmen zu können (§ 24 Abs 1 und 2 NWG).
Rechtliche Beurteilung
Der von beiden Antragstellern erhobene Revisionsrekurs ist nicht zulässig.
Das das Rekursgericht die erstinstanzliche Entscheidung bestätigt hat, ist das Rechtsmittel nach dem auch im Verfahren nach dem Notwegegesetz anzuwendenden § 16 AußStrG zu beurteilen (SZ 49/99 uva) und deshalb nur aus den Anfechtungsgründen der offenbaren Gesetz- oder Aktenwidrigkeit oder Nichtigkeit zulässig. Als Nichtigkeit rügen die Antragsteller wie schon im Rechtsmittel an die zweite Instanz, das Erstgericht habe nach Schluß der Verhandlung eine Äußerung der Gemeinde Tschagguns eingeholt und diese seiner Entscheidung zugrundegelegt, ohne den Parteien vorher Gelegenheit zur Erörterung dieses Beweismittels zu geben. Das Erstgericht habe die Verhandlung im Hinblick auf die Auskunft der Gemeinde Tschagguns auch nicht gemäß § 193 Abs 3 ZPO geschlossen und den Antragstellern damit die Möglichkeit, die Wiedereröffnung des Verfahrens zu begehren, abgeschnitten. In dieser Vorgangsweise liege eine vom Rekursgericht zu Unrecht verneinte Verletzung des rechtlichen Gehörs im Gewicht einer Nullität. Diesen Ausführungen ist entgegenzuhalten, daß das gemäß § 9 Abs 3 NWG subsidiär anzuwendende Verfahren außer Streitsachen den förmlichen Verhandlungsschluß und damit auch eine Verfügung im Sinne des § 193 Abs 3 ZPO nicht kennt; daran ändert auch die Bestimmung des § 11 Abs 1 NWG, der zur Verhandlung über den Antrag auf Einräumung eines Notweges die Anordnung einer Tagsatzung unter Vorladung aller Parteien zwingend vorschreibt, nichts, weil auch diese Tagsatzung nicht nach den Förmlichkeiten der Zivilprozeßordnung abzuführen ist. Es ist zwar richtig, daß die Verletzung des rechtlichen Gehörs einen Verstoß vom Gewicht einer Nichtigkeit darstellt, doch gebietet der Grundsatz des Parteiengehörs lediglich, daß den Parteien Gelegenheit zu geben ist, ihre Argumente zur Begründung bzw. zur Abwehr des geltend gemachten Anspruchs in angemessener Weise vorzutragen (EFSlg 52.795, 49.984 uva). Deshalb wurde einer Partei das rechtliche Gehör auch dann nicht verwehrt, wenn der Verstoß im Verfahren erster Instanz unterlaufen sein soll und für sie Gelegenheit bestand, ihren Standpunkt als Neuerung im Rekurs an die zweite Instanz vorzubringen (EFSlg 49.999, 47.266; SZ 46/93 uva); von dieser Möglichkeit haben die Antragsteller auch im Rechtsmittel an das Rekursgericht Gebrauch gemacht. Im übrigen fassen die Antragsteller die Auskunft der Gemeinde Tschagguns selbst als Beweismittel auf; nach ständiger Rechtsprechung (EFSlg 52.811, 49.987, 47.268 uva) begründet es aber keine Nichtigkeit, wenn die Partei zu einzelnen Beweisergebnissen nicht gehört wurde. Außerdem können Verfahrensverstöße nur dann mit Erfolg als Nichtigkeitsgrund im Sinne des § 16 Abs 1 AußStrG geltend gemacht werden, wenn dargetan wird, daß sie für die Sachentscheidung von ausschlaggebender Bedeutung waren (vgl. EFSlg 52.795, 49.981 uva). Das Rekursgericht hat nun aber den Anspruch auf Einräumung des begehrten Notweges im Gegensatz zum Erstgericht nicht etwa verneint, weil die Antragsteller noch keinen wirksamen Umwidmungsantrag gestellt hätten, sondern weil sie im Verfahren erster Instanz keine konkrete Bauabsicht auf ihren Grundstücken behauptet hätten. Die Antragsteller erachten sich durch die unterlassene Erörterung der Äußerung der Gemeinde Tschagguns aber nur deshalb beschwert, weil die Gemeinde fälschlicherweise mitgeteilt habe, es lägen keine (wirksamen) Umwidmungsanträge vor. Die behauptete Nichtigkeit der angefochtenen Entscheidung ist aus diesen Gründen zu verneinen. Soweit sich die Antragsteller auf unrichtige rechtliche Beurteilung berufen, genügt zur Erledigung dieser Rüge der Hinweis, daß diese mit einem nach § 16 Abs 1 AußStrG zu beurteilenden Rechtsmittel nicht geltend gemacht werden kann (EFSlg 52.741 uva). Offenbare Gesetzwidrigkeit haben die Rechtsmittelwerber aber nicht zur Darstellung gebracht. Eine solche ist nur dann anzunehmen, wenn eine bestimmte Frage im Gesetz ausdrücklich und so klar geregelt ist, daß ein Zweifel über die Absicht des Gesetzgebers gar nicht möglich ist, und trotzdem eine damit im Widerspruch stehende Entscheidung gefällt wurde oder wenn die Entscheidung mit Grundprinzipien des Rechts im Widerspruch steht oder ohne jede gesetzliche Grundlage erlassen wurde (SZ 41/109 ua). Die Beurteilung der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen im konkreten Fall ein Notweg einzuräumen ist, kann keine offenbare Gesetzwidrigkeit begründen (8 Ob 582/87; 4 Ob 547/83 uva), weil im Gesetz nicht näher erläutert ist, was unter ordentlicher Bewirtschaftung oder Benützung (§ 1 Abs 1 NWG) als Voraussetzung für die Einräumung des Notweges zu verstehen ist. Die Frage, ob der Antragsteller im Verfahren zur Einräumung eines Notweges in Fällen, in welchen der begehrte Notweg Voraussetzung für die Umwidmung des betroffenen Grundstückes in Bauland ist, zur Begründung ihres Anspruches auch bereits konkrete Bauabsichten zu behaupten und in welcher Weise sie diese darzutun hätten, kann mit einem nach § 16 Abs 1 AußStrG zu beurteilenden Revisionsrekurs nicht an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden.
Der Revisionsrekurs ist daher als unzulässig zurückzuweisen.
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