OGH 4Ob168/93

OGH4Ob168/9325.1.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Redl, Dr.Griß und Dr.Pimmer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.Theodor S*****, vertreten durch Dr.Alexander Brauer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Dr.Georg G*****, wegen Unterlassung, Widerruf und Veröffentlichung des Widerrufs (Gesamtstreitwert S 520.000), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 11.Oktober 1993, GZ 14 R 139/93-25, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 4.Jänner 1993, GZ 24 Cg 346/89-21, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 19.123,20 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 3.187,20 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu zahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war Masseverwalter im Konkurs der V*****gesellschaft mbH. Mit der Behauptung, der Kläger habe sie als Masseverwalter mit 22.1.1988 für die Gemeinschuldnerin angestellt, begehrten Michael K***** (14 Cga 4048/88 ASG Wien), Karl Robert K***** (14 Cga 4049/48 ASG Wien) und Gertraud B***** (14 Cga 4050/88 ASG Wien) vom Kläger "als Masseverwalter im Konkurs" der V*****gesellschaft mbH ihre jeweils noch offenen Gehaltsforderungen aus dem mittlerweile beendeten Dienstverhältnis. In allen drei Klagen wurde ausgeführt:

"Ich vertrete die Rechtsauffassung, daß der Beklagte als Masseverwalter mich nur dann hätte anstellen dürfen, wenn hinreichende Mittel zur Begleichung meines Entgeltes vorhanden sind. Der Hinweis auf eine mangelnde Liquidität der Konkursmasse kann meinem Entlohnungsanspruch nicht entgegengehalten werden."

Alle Verfahren endeten mit Anerkenntnisurteil und/oder Vergleich; eine Zahlung erfolgte mangels hinreichenden Massevermögens nicht.

Der Kläger hatte diese Arbeitnehmer nach der Konkurseröffnung weiter beschäftigt, weil ihm die Weiterveräußerung des lebenden Betriebes aussichtsreicher erschien. Da das Unternehmen tatsächlich veräußert werden konnte, behielten die drei Arbeitnehmer ihren Arbeitsplatz.

Namens der drei Arbeitnehmer als Betreibende beantragte der Beklagte zu 10 E 12.134/89, 10 E 12.224/89 und 10 E 12.225/89 des Exekutionsgerichtes Wien auf Grund der vollstreckbaren Anerkenntnisurteile und Vergleiche - in welchen als Beklagter jeweils der Kläger "als Masseverwalter" angeführt war - die Bewilligung der Fahrnisexekution gegen den Kläger persönlich.

Der Zusatz "als Masseverwalter" war in allen Anträgen deutlich erkennbar mit weißem Korrekturlack überdeckt worden. Alle drei Anträge wurden am 7.4.1989 beim Arbeits- und Sozialgericht Wien eingebracht (das darüber nicht entschieden hat) und gelangten Ende September 1989 zum Exekutionsgericht Wien. Auf Grund eines Anrufes des für die Bewilligung zuständigen Rechtspflegers dieses Gerichtes begab sich Dr.Georg F*****, ein Rechtsanwaltsanwärter des Beklagten, zu diesem Rechtspfleger und legte ihm die Rechtsansicht dar, daß der Kläger persönlich hafte. Der Rechtspfleger bewilligte darauf am 3.10.1989 die Fahrnisexekution in allen drei Fällen.

Am 28.11.1989 stellte der Vollstrecker Othmar P***** die Exekutionsbewilligungen dem Kläger in dessen Kanzlei zu. Der Kläger wies zwar darauf hin, daß die Exekutionsbewilligung zu Unrecht gegen ihn persönlich erfolgt sei, sah dann aber ein, daß der Vollstreckungsbeamte die bewilligte Pfändung vollziehen müsse und bot ihm an, seinen PKW zu pfänden, weil die Pfändung von Fahrnissen in der Kanzlei im Hinblick auf eine bestehende Kanzleigemeinschaft nicht zweckmäßig gewesen wäre. Nach Vorlage des Zulassungsscheines pfändete Othmar P***** das Privatfahrzeug des Klägers.

Das Gespräch des Klägers mit dem Vollstreckungsorgan fand teilweise in Gegenwart eines Klienten statt, dessen Namen der Kläger nicht bekanntgegeben hat; der (weitere) Klient Herbert A***** saß damals im Wartezimmer, hörte die Gespräche mit und erlangte so Kenntnis von der Exekution und der Pfändung. Obwohl der Kläger darauf hinwies, daß es sich offensichtlich um einen Irrtum handeln müsse, hat ihm Herbert A***** in der Folge keine weiteren Aufträge erteilt, sondern ihn nur die bereits anhängigen Sachen zu Ende führen lassen. Eine Notwendigkeit dafür, daß der Kläger das Gespräch mit dem Vollstrecker in Gegenwart von Klienten führte, bestand allerdings nicht.

Am 30.11.1988 wurde der Verkauf des Fahrzeuges des Klägers bewilligt. Auf Grund des am selben Tage vom Kläger als Verpflichteten eingebrachten Rekurses wurden die Exekutionsverfahren aufgeschoben, so daß es nicht mehr zum Anschlag eines Versteigerungsediktes kam. Den Rekursen des Klägers gab das Landesgericht für ZRS Wien dahin Folge, daß es die Exekutionsanträge abwies. Sämtliche drei dagegen erhobenen außerordentlichen Revisionsrekurse des Beklagten wurden vom Obersten Gerichtshof zurückgewiesen.

Im Hinblick auf diese Rechtsmittelentscheidungen hat der Beklagte eingesehen, daß eine Exekutionsführung gegen den Kläger persönlich auf Grund der erwirkten Exekutionstitel aussichtslos ist; nunmehr hat er namens seiner drei Mandanten gegen den Kläger persönlich Schadenersatzklagen eingebracht, über die noch nicht entschieden wurde.

Der Kläger begehrt, den Beklagten schuldig zu erkennen,

1. die Behauptung zu unterlassen, daß der Kläger persönlich den ehemaligen Dienstnehmern der in Konkurs verfallenen V*****gesellschaft mbH, insbesondere Karl Robert K*****, Michael K***** und Gertraud B*****, rechtskräftig zuerkannte Dienstnehmerbezüge schulde;

2. es zu unterlassen, auf Grund der rechtskräftigen Anerkenntnisurteile und Vergleiche des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien zu 14 Cga 4050/88, 14 Cga 4048/88 und 14 Cga 4049/88 Exekutionsmaßnahmen gegen den Kläger persönlich zu beantragen, da diese Titel lediglich gegen den Masseverwalter im Konkurs erwirkt wurden;

3. die Tatsachenmitteilungen zu 1. gegenüber dem Vorsteher des EG Wien, in eventu gegenüber Herbert A***** zu widerrufen;

4. die Veröffentlichung des Widerrufes durch Aushang an dem für öffentliche Mitteilungen vorgesehenen schwarzen Brett des EG Wien und durch Abdruck des Urteilsspruches in einer Monatsausgabe der österreichischen Anwaltszeitung vornehmen zu lassen.

Durch die Einbringung der drei Exekutionsanträge gegen ihn persönlich erachte sich der Kläger in seiner Kreditwürdigkeit und in seinem beruflichen Fortkommen auf das Schwerste geschädigt. Der Beklagte habe bewußt eine unrichtige Tatsachenbehauptung verbreitet, nämlich daß der Kläger persönlich rechtskräftig zur Zahlung in der Höhe von mehr als S 100.000 verurteilt worden sei und innerhalb der gerichtlichen Leistungsfrist keine Zahlungen geleistet habe. Für einen Rechtsanwalt bedeute das auch den Vorwurf einer Berufspflichtenverletzung. Die Unrichtigkeit dieser Behauptung habe dem Beklagten schon aus dem arbeitsgerichtlichen Verfahren bekannt gewesen sein müssen. Da nicht angenommen werden könne, daß die Klienten des Beklagten in der Lage gewesen wären, die rechtliche Problematik des Falles zu erfassen, sei dem Beklagten die öffentliche Verbreitung unrichtiger Tatsachen persönlich anzulasten. Auch das Exekutionsgericht sei bei Anträgen gegen Rechtsanwälte zur Meldung an die zuständige Standesvertretung verpflichtet. Mit einer strikten Einhaltung der Verschwiegenheitspflicht durch das Gericht könne in der Praxis nicht gerechnet werden. Selbst wenn eine öffentlich vorgebrachte Mitteilung nicht anzunehmen sei, bestehe doch im Hinblick auf die vorsätzliche Interessenverletzung durch den Beklagten ein Unterlassungsanspruch.

Der Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Er habe schon in den für die drei Dienstnehmer eingebrachten Klagen ausdrücklich auf die persönliche Haftung des Klägers hingewiesen. Alle seine Schritte seien mit Wissen und Willen seiner Mandanten erfolgt; ihm fehle daher die Passivlegitimation. Die Exekutionsanträge gegen den Kläger habe er auf Grund seiner Rechtsauffassung eingebracht. Eine Wiederholungsgefahr liege nicht vor. Von einer öffentlichen Verbreitung unrichtiger kreditschädigender Tatsachen könne im Hinblick auf die amtliche Verschwiegensheitspflicht der beteiligten Beamten nicht gesprochen werden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Das Anbringen von Exekutionsanträgen gegen den Kläger persönlich falle nicht unter den Begriff der Verbreitung unwahrer Tatsachen oder einer nichtöffentlichen Mitteilung, auch wenn die Rechtsmeinung des Beklagten in Widerspruch zu Gesetz, Lehre und Rechtsprechung stehe, handle doch der Masseverwalter als gesetzlicher Stellvertreter des Gemeinschuldners in Ansehung des Konkursvermögens, also immer nur als Vertreter. Ein Widerruf komme nach Abweisung der Exekutionsanträge nicht in Frage. Auch die Veröffentlichung eines Widerrufs wäre keinesfalls in Betracht zu ziehen.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei. Die in den Exekutionsanträgen des Beklagten enthaltenen Tatsachenbehauptungen, daß nämlich die beschriebenen und beigelegten Exekutionstitel bestünden und nicht erfüllt worden seien, träfen zu. Mit den Anträgen gegen den Kläger als Verpflichteten ohne die Beifügung "als Masseverwalter ..." sei lediglich die (allerdings unrichtige) Rechtsmeinung zum Ausdruck gebracht worden, daß die Exekution auf Grund dieser Exekutionstitel auch gegen den Kläger persönlich bewilligt werden könnte. Solche rechtliche Schlüsse seien aber Werturteile und nicht Tatsachenbehauptungen, so daß die in § 1330 Abs 2 ABGB geforderten Voraussetzungen für das Klagebegehren nicht vorlägen.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen vom Kläger erhobene Revision ist nicht berechtigt.

Der Kläger hält weiterhin an seiner Ansicht fest, daß die vom Beklagten verfaßten Exekutionsanträge unrichtige und kreditschädigende Tatsachenbehauptungen im Sinne des § 1330 Abs 2 ABGB enthalten hätten. Als Rechtsanwalt hätte der Beklagte erkennen müssen, daß seine Exekutionsanträge aussichtslos seien. Eine unrichtige Rechtsansicht könne allenfalls dann als entschuldbares Werturteil angesehen werden, wenn sie vertretbar sei, nicht aber dann, wenn sie unvertretbar sei.

Dazu war folgendes zu erwägen:

Wenn jemand Tatsachen verbreitet, die den Kredit, den Erwerb oder das Fortkommen eines anderen gefährden, dann steht dem Verletzten zur Wahrung seines wirtschaftlichen Rufes bei Vorliegen einer Wiederholungsgefahr auch ohne die weiteren Voraussetzungen des § 1330 Abs 2 ABGB für den Widerruf und dessen Veröffentlichung ein -

verschuldensunabhängiger (SZ 56/63 = EvBl 1983/91; SZ 56/124 = EvBl

1984/60 = ÖBl 1984,18; MR 1991, 18; MR 1991, 20; Reischauer in Rummel, ABGB2, Rz 23 zu § 1330; Korn/Neumayr, Persönlichkeitsschutz im Zivil- und Wettbewerbsrecht 73) - Unterlassungsanspruch zu (SZ 56/124; SZ 61/193; MR 1991, 235; JBl 1993, 518 [Koziol] ua). "Tatsachen" im Sinne des § 1330 Abs 2 ABGB (wie des § 7 Abs 1 UWG) sind nach ständiger Rechtsprechung Umstände, Ereignisse und Eigenschaften mit einem greifbaren, für das Publikum erkennbaren und von ihm an Hand bekannter oder zu ermittelnder Umstände auf seine Richtigkeit nachprüfbaren Inhalt (SZ 60/255 = ÖBl 1989, 80; ÖBl 1990, 256; MR 1990, 66 uva; Hohenecker-Friedl, Wettbewerbsrecht 39;

Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht17, 1202 Rz 4 zu § 14 dUWG;

Korn/Neumayr aaO 26 f). Das Gegenstück dazu bilden Werturteile. Diese entziehen sich als rein subjektive Aussagen der objektiven Überprüfbarkeit (ÖBl 1979, 76 uva; Reischauer aaO Rz 10; Korn/Neumayr aaO 28). Bei der Beurteilung, ob Tatsachen verbreitet wurden oder bloß eine wertende Meinungsäußerung vorliegt, kommt es immer auf den Gesamtzusammenhang und den dadurch vermittelten Gesamteindruck an, den die beanstandeten Äußerungen hinterlassen; das Verständnis des unbefangenen Durchschnittslesers oder -hörers, nicht aber der subjektive Wille des Äußernden ist maßgeblich (EvBl 1992/65 mwN; JBl 1993, 518; Korn/Neumayr aaO 27 und 39). Auch wertende Äußerungen können nach der Rechtsprechung unter § 1330 Abs 2 ABGB fallen, wenn sie auf entsprechende Tatsachen schließen lassen ("konkludente Tatsachenbehauptung"; MR 1990, 183 [Korn] mwN; Reischauer aaO Rz 12;

Korn/Neumayr aaO 27).

Das Ziehen unrichtiger Schlüsse aus einer (wahren) Tatsachenbehauptung soll nach SZ 18/93 nicht als unrichtige Äußerung des Mitteilenden zu werten sein. Es wird auch die Meinung vertreten, daß Rechtsmeinungen grundsätzlich als eine überwiegend auf Wertung beruhende subjektive Beurteilung anzusehen sind (BGH GRUR 1982, 631/632; GRUR 1982, 633/635; Baumbach-Hefermehl aaO 1203 Rz 4). In diesem Sinn wurde auch ausgesprochen, daß ein Gutachten stets ein Werturteil und keine Tatsachenbehauptung sei (BGH GRUR 1978, 258; OGH SZ 56/74; offenlassend JBl 1993, 518).

In dem hier zu beurteilenden Fall hat der Beklagte als Rechtsvertreter dreier Arbeitnehmer in den drei Fällen jeweils unter Hinweis auf (offenbar auch gleichzeitig vorgelegte) Exekutionstitel, in denen der Beklagte "als Masseverwalter" im Konkurse der erwähnten Gemeinschuldnerin bezeichnet war, Exekution beantragt und damit ausdrücklich ("mangels Zahlung") die Behauptung aufgestellt, der als Verpflichtete in Anspruch genommene Kläger habe die Titelschuld nicht bezahlt. Implizit hat der Beklagte damit gleichzeitig die Auffassung zum Ausdruck gebracht, der Kläger hätte auf Grund der vorgelegten Exekutionstitel zahlen müssen. Ob darin - wie der Kläger meint - eine Tatsachenbehauptung liegt oder - wie das Berufungsgericht ausgeführt hat - nur eine subjektive Meinungsäußerung auf Grund rechtlicher Überzeugung, kann offen bleiben, weil der geltend gemachte Anspruch in jedem Falle unberechtigt ist:

Selbst wenn man die Meinung vertreten wollte, der Beklagte habe objektiv den Tatbestand des § 1330 Abs 2 ABGB verwirklicht, so wäre doch für den Kläger nichts zu gewinnen. Jeder Unterlassungsanspruch setzt nämlich die Rechtswidrigkeit der begangenen oder drohenden Eingriffshandlung voraus (Koziol-Welser9 I 437; ÖBl 1991, 23; zuletzt 4 Ob 164/93); das gilt umso mehr für den - verschuldensabhängigen - Anspruch auf Widerruf (ÖBl 1991, 23). Rechtswidrigkeit ist zwar regelmäßig schon dann gegeben, wenn ein Verhalten ein gesetzliches Tatbild erfüllt; sie kann aber im Einzelfall dann ausgeschlossen sein, wenn für das Handeln oder Unterlassen ein besonderer Rechtfertigungsgrund vorlag. Ein solcher Rechtfertigungsgrund muß sich im Wege einer Interessenabwägung aus weiteren Geboten oder Verboten der gesamten Rechtsordnung gewinnen lassen (Koziol-Welser aaO 444 f; SZ 56/124 = ÖBl 1984, 18; ÖBl 1991, 23 ua). Ein Rechtfertigungsgrund für eine herabsetzende Tatsachenbehauptung kann dann vorliegen, wenn sie in Ausübung eines Rechtes aufgestellt wurde (Reischauer aaO Rz 24; SZ 56/74; ÖBl 1991, 23). Das gilt insbesondere für Straf- (SZ 59/190) oder Disziplinaranzeigen (ÖBl 1991, 23 mwN), sofern sie nicht wider besseren Wissens erhoben wurden (Reischauer aaO Rz 26; SZ 17/68; SZ 59/190; ÖBl 1991, 23 mwN). Das gleiche gilt aber grundsätzlich für jede Prozeßführung (EvBl 1971/138 = JBl 1972, 144; SZ 56/74). Wenn auch § 1305 ABGB nach herrschender Auffassung nur auf materiellrechtliche Ansprüche, nicht aber auf Rechtspflegeansprüche Anwendung findet (Reischauer aaO Rz 1 zu § 1305; SZ 59/159 = JBl 1987, 102 mwN aus Literatur und Rechtsprechung), die Inanspruchnahme verfahrensrechtlicher Möglichkeiten somit nicht schlechthin einen Rechtfertigungsgrund bildet, so ist doch bei der Prüfung der Rechtswidrigkeit von Verfahrenshandlungen der auch sonst geltende materiellrechtliche Maßstab anzulegen (SZ 59/159 = JBl 1987, 102; vgl F.Bydlinski, Schadenersatz wegen materiell rechtswidriger Verfahrenshandlungen, JBl 1986, 626 ff). Nur wer bei gehöriger Aufmerksamkeit voraussehen kann, daß eine Prozeßführung aussichtslos ist, wird ersatzpflichtig (Reischauer aaO Rz 1 zu § 1305 mwN); das gleiche muß für eine Exekutionsführung gelten. Zugunsten desjenigen, der gerichtliche Hilfe in Anspruch nimmt, ist aber ein milder Maßstab anzulegen; vor allem ist zu berücksichtigen, daß das Recht jedes Rechtssuchenden, bei Meinungsverschiedenheiten die Hilfe der Behörden in Anspruch zu nehmen, nicht mit einer abschreckenden Verantwortlichkeit für die Rechtsverteidigung belastet werden darf (Reischauer aaO; SZ 51/172; SZ 57/128; SZ 59/159 = JBl 1987, 102).

Nach § 9 Abs 1 RAO ist der Rechtsanwalt verpflichtet, die übernommenen Vertretungen dem Gesetz gemäß zu führen und die Rechte seiner Partei gegen jedermann mit Eifer, Treue und Gewissenhaftigkeit zu vertreten; er ist befugt, alles, was er nach dem Gesetz zur Vertretung seiner Partei für dienlich erachtet, unumwunden vorzubringen, ihre Angriffs- und Verteidigungsmittel in jeder Weise zu gebrauchen, welche seinem Auftrag, seinem Gewissen und den Gesetzen nicht widerstreiten. Hält sich ein Rechtsanwalt im Rahmen dieser Bestimmung, besteht für seine Vorgangsweise, mag sie im Einzelfall auch objektiv rechtswidrig sein, ein Rechtfertigungsgrund.

Der Beklagte hat bei Einbringung der drei - letztlich abgewiesenen - Exekutionsanträge im Namen seiner Mandanten in Ausübung ihm zustehender Rechte gehandelt. Die von ihm dabei vertretene Rechtsauffassung ist nicht so abwegig, daß sie seine Verfahrenshandlungen nicht zu rechtfertigen vermöchte. Der Beklagte hat in den drei Klagen ein Vorbringen erstattet, das nur dann von Bedeutung ist, wenn er damit die persönliche Haftung des Klägers begründen wollte. Sonst wäre nämlich der Hinweis darauf, der Beklagte hätte die Kläger nur anstellen dürfen, wenn hinreichende Mittel zur Entgeltzahlung vorhanden wären, der Hinweis auf eine mangelnde Liquidität der Konkursmasse könne daher dem Entlohnungsanspruch nicht entgegengehalten werden, geradezu sinnlos gewesen. Da die Klagebegehren anerkannt oder verglichen wurden, fehlt den Exekutionstiteln eine Begründung, aus der sich der Rechtsgrund der Verurteilung ergibt. Der Beklagte ist mit seiner Exekutionsführung deshalb gescheitert, weil in den Exekutionstiteln - seinen Angaben in den Klageschriftsätzen folgend - als Beklagter der mit Beruf und Anschrift bezeichnete Kläger "als Masseverwalter in Konkurse" der Gemeinschuldnerin bezeichnet worden war. In dieser Form wird nach ständiger, jahrzehntelanger Praxis die beklagte Partei dann bezeichnet, wenn die Klage gegen den Masseverwalter in eben dieser Funktion gerichtet ist. Ob diese Bezeichnung dogmatisch richtig (vgl zu den drei Theorien über die Stellung des Masseverwalters im Konkurs Fasching LB2 Rz 340) und immer unmißverständlich ist, kann hier auf sich beruhen. Im Hinblick auf die ständige Gerichtsübung war die Bezeichnung der beklagten Partei im Klageschriftsatz und somit auch in den Ausfertigungen der Anerkenntnisurteile und Vergleiche dahin zu verstehen, daß der Kläger in seiner Funktion als Masseverwalter in Anspruch genommen und verurteilt worden war. Da der Beklagte aber - wie der Klageerzählung zu entnehmen ist - in Wahrheit den Kläger persönlich klagen wollte und sich nur in der Parteibezeichnung vergriffen hatte, ist die von ihm vertretene Auffassung, er könne die Parteibezeichnung auch noch nachträglich, nämlich erst im Exekutionsverfahren, berichtigen, weil sich ja aus dem Klagevorbringen ergebe, welches Rechtssubjekt er gemeint habe, nicht völlig unvertretbar. Wenn auch der Beklagte den Versuch unterlassen hat, die bei dieser Sachlage notwendig gewesene Richtigstellung der Bezeichnung der beklagten Partei zu beantragen (§ 235 Abs 5 ZPO), kann ihm - bei Anlegung des oben erwähnten milden Maßstabes - doch nicht ein grober Sorfaltsverstoß vorgeworfen werden, zumal er - nach der Aktenlage - die Exekutionsanträge beim Titelgericht eingebracht hat. Aus dessen Akten hat sich aber das Vorbringen der Betreibenden im Prozeß ergeben, doch wurden die Anträge (ohne erkennbaren aktenmäßigen Vorgang) dem Exekutionsgericht noch ohne Exekutionsbewilligung übermittelt.

Dem Beklagten, der im Interesse seiner Mandanten versucht hat, deren Forderungen gegen den Kläger persönlich in den Exekutionsverfahren durchzusetzen, kommt somit ein Rechtfertigungsgrund zugute. Mangels Rechtswidrigkeit seines Verhaltens sind daher sämtliche Klageansprüche zu verneinen.

Diese Erwägungen führen zur Bestätigung des angefochtenen Urteils.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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