OGH 8Ob653/93

OGH8Ob653/9316.12.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Gunther Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Edgar Huber, Dr.Birgit Jelinek, Dr.Ronald Rohrer und Dr.Ilse Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei ST *****-AG, ***** vertreten durch Dr.Paul Doralt, Dr.Wilfried Seist und Dr.Peter Csoklich, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei EN-*****gesmbH in Liquidation, ***** vertreten durch Dr.Peter Berethalmy, Rechtsanwalt in Wien, wegen Räumung, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 19.Jänner 1993, GZ 41 R 797/92-27, womit das Teilurteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 5.Mai 1992, GZ 44 C 349/91k-17, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 5.November 1992, GZ 44 C 349/91k-24, bestätigt wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision der beklagten Partei wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben.

Die Rechtssache wird zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die klagende Partei ist Hauptmieterin eines an die beklagte Partei untervermieteten Objekts, für das diese seit Februar 1991 keinen Mietzins mehr bezahlt hat.

Die klagende Partei begehrt von der beklagten Untermieterin die Räumung des Objektes sowie die Bezahlung von S 221.712,99 sA an Mietzinsrückstand für die Monate Februar bis November 1991. Mit einem inzwischen in Rechtskraft erwachsenen Beschluß gemäß § 33 MRG wurde der Mietzinsrückstand für diese Zeit mit dem Klagebetrag festgestellt.

Die beklagte Partei hat den Mietzinsrückstand nicht bezahlt; sie beantragt die Abweisung des Klagebegehrens und macht Zinsminderungsansprüche und Ersatzansprüche für Instandsetzungsarbeiten als Gegenforderungen geltend.

Das Erstgericht gab mit Teilurteil dem Räumungsbegehren statt. Der rechtskräftige Beschluß nach § 33 MRG entfalte für das Räumungsverfahren bindende Wirkung; die Höhe des Rückstandes könne nicht neuerlich aufgerollt werden. Auch Gegenforderungen könnten gegen ein Räumungsbegehren nicht aufrechnungsweise geltend gemacht werden.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und ließ die Revision an den Obersten Gerichtshof nicht zu. Die beklagte Partei habe in erster Instanz nicht behauptet, daß nach Fassung des Beschlusses gemäß § 33 Abs 2 MRG eine außergerichtliche Aufrechnung im Hinblick auf die ihr angeblich zustehenden Gegenforderungen erfolgt wäre; sie habe lediglich - wenn auch ohne nähere Substantiierung - vorgebracht, es stünden ihr "Zinsminderungs- und Ersatzansprüche" zu, die Höhe dieser Ersatzansprüche erreiche zumindest die Höhe des eingeklagten Betrages bzw des festgestellten Mietzinsrückstandes.

Gegen diese Entscheidung erhebt die beklagte Partei außerordentliche Revision wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und Mangelhaftigkeit des Verfahrens; sie beantragt in erster Linie, die angefochtene Entscheidung im Sinne der Klageabweisung abzuändern und begehrt hilfsweise, sie aufzuheben.

Die klagende Partei beantragt in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung, die außerordentliche Revision als unzulässig zurückzuweisen, und hilfsweise, sie als unbegründet abzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist im Sinn des Aufhebungsantrages berechtigt.

Zu Recht macht die Revisionswerberin geltend, die Vorinstanzen hätten fälschlicherweise angenommen, sie habe nicht konkret Gegenforderungen behauptet. Wenn auch die Auslegung des Prozeßvorbringens einer Partei im allgemeinen keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO darstellt, gilt dies jedoch dann nicht, wenn die Auslegung durch das Rechtsmittelgericht mit dem Wortlaut des Vorbringens unvereinbar ist (3 Ob 583/91; 3 Ob 1622/92). Dies ist hier der Fall. Die beklagte Partei hat in ON 16 (AS 69) Ersatzansprüche für Brauchbarmachung von Elektroinstallationen und Trockenlegungsarbeiten zumindest in Höhe des Mietzinsrückstandes behauptet und sich hiezu ganz konkret auf den Akt 44 C 799/91 des Erstgerichtes berufen, in dem sie diese Ansprüche geltend gemacht habe.

Die Urteile der Vorinstanzen sind daher aufzuheben; dem Erstgericht ist die Ergänzung des Verfahrens über die behaupteten Ersatzansprüche und sodann die neuerliche Entscheidung aufzutragen.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

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